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Rosenheim: Eröffnung der Westtangente von der A8 nach Norden – Bayern | ABC-Z

Ein Auto nach dem anderen steht auf der Fahrbahn, über knappe 300 Meter hinweg, und keines bewegt sich auch nur einen Meter voran. Das soll von diesem Donnerstag an möglichst nicht mehr vorkommen auf der B15 westlich von Rosenheim, und so viele Fußgänger wie am Mittwochvormittag dürften auf der nagelneuen Bundesstraße dann schon gar nicht mehr unterwegs sein.

Sie alle haben ihre Autos gerade auf der frischen dunklen Asphaltfahrbahn abgestellt, um ein paar Schritte weiter vorne unter den Augen etlicher Wildzaungäste die Eröffnung der Rosenheimer Westtangente zu feiern, eines der größeren Straßenbauprojekte der vergangenen Jahre in Bayern. Von Donnerstagmittag wird der Verkehr hier aber rollen – und nicht mehr mitten durch die Stadt.

Mit etwa 25 000 Fahrzeugen pro Tag rechnet Bernhard Gehrmann für die neue Strecke, sobald die Autofahrer und ihre Navigationsgeräte mit der neuen Route vertraut sind. Wie jede größere neue Straße wird auch die Rosenheimer Westtangente neuen Verkehr anziehen. Das hat Gehrmann als Projektleiter beim Staatlichen Bauamt in Rosenheim einberechnet.

Vor allem aber soll die Westtangente denmach mehr als 10 000 Fahrzeuge pro Tag aufnehmen, die sich sonst auf der alten B15 mitten durch Rosenheim gequält hätten auf dem Weg von der A8 im Süden hinauf nach Norden Richtung Wasserburg und Landshut oder andersrum von Nord nach Süd. Die Rosenheimer, die in ihrer Stadt selbst genug mit dem Auto hin- und herfahren, freuen sich unter anderem darüber, dass sie nun einen großen Teil des Schwerverkehrs loswerden könnten.

Pläne für eine solche Nord-Süd-Verbindung gab es schon Ende der 1970er-Jahre, damals noch als vergleichsweise grob gezogener künftiger Teil der A93. Die führt heute von Hof über Regensburg und die Holledau auf die A9 nördlich von München – und in einem anderen Abschnitt von der A8 am Inntaldreieck bei Rosenheim nach Süden Richtung Tirol, Brenner und Italien.

Die verbleibende Lücke in Bayerns östlicher Nord-Süd-Achse soll aber schon längst keine neue Autobahn mehr füllen, sondern die sogenannte B15 neu, die von Norden her bisher bis Landshut gekommen ist. Man wolle „den Lückenschluss, wenn’s geht, irgendwann herstellen“, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Mittwoch bei der Eröffnung der Westtangente. Er hoffe, dass er das noch selbst erleben werde.

Doch schon die knapp elfeinhalb Kilometer Bundesstraße im Westen von Rosenheim waren ein anfangs heftig umstrittenes und vom Bund Naturschutz bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht beklagtes Vorhaben – und am Ende auch äußerst aufwendiges Projekt.  Insgesamt 13 Jahre haben die Ingenieure und Arbeiter dafür seit dem symbolischen ersten Spatenstich von 2012 gebraucht. Dabei war der südliche Abschnitt zwischen der A8 und der Stadt Kolbermoor nach drei Jahren fertig und weitere drei Jahre später auch der kurze nördlichste Abschnitt, was schon manchen Ortschaften eine erste Entlastung brachte.

Der nördliche Teil der Rosenheimer Westtangente kurz vor der Verkehrsfreigabe.
Der nördliche Teil der Rosenheimer Westtangente kurz vor der Verkehrsfreigabe. (Foto: Staatliches Bauamt Rosenheim)

Doch die viel größeren Herausforderungen lagen dann dazwischen und da vor allem im Untergrund. Der besteht dort im Wesentlichen aus sogenanntem Seeton – einer teils mehr als 150 Meter dicken Schicht äußerst feinkörniger Sedimente. Die haben sich in und nach der letzten Eiszeit am Boden jenes Seebeckens abgelagert, das der Inntalgletscher bei Rosenheim ausgeschliffen hatte.

Auf einem solchen Boden ließ sich ein Bauwerk wie die Aicherparkbrücke nur mit riesigem bautechnischen Aufwand und mit eigens dafür entwickelten Methoden gründen. Die Brücke überspannt die Mangfall, den Mangfallkanal, die Bahnlinie Rosenheim-Holzkirchen und das Industrie- und Gewerbegebiet zwischen Rosenheim und Kolbermoor, von dem sie ihren Namen hat. Mit ihren 670 Metern Länge ist sie die längste Brücke an Bundes- und Staatsstraßen in ganz Bayern, wie das Rosenheimer Bauamt gerne einfließen lässt.

Schon vor ziemlich genau zwei Jahren stand eine ganz ähnliche Festgesellschaft einschließlich Minister Bernreiter und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) viereinhalb Kilometer weiter südlich auf eben jener Aicherparkbrücke, um den zentralen Abschnitt der Strecke zu eröffnen. Eigentlich hätte damals schon die gesamte Westtangente in Betrieb genommen werden sollen, doch neben der Brücke machte noch ein anderes Bauwerk Probleme.

Denn die fehlenden und nun noch eröffneten letzten 1,3 Kilometer der Westtangente führen unter der Eisenbahn-Hauptstrecke zwischen Rosenheim und München hindurch, die bis auf Weiteres auch als Eisenbahn-Nordzulauf Richtung Brenner und Italien dient. Die Deutsche Bahn sperrt solche Strecken nur äußerst ungern, mit normalerweise dreijährigem Vorlauf und auch dann am besten nur für einzelne Wochenenden. Dass die Bahnbrücke über die Westtangente nicht im ersten Anlauf fertig geworden ist, hat das Gesamtprojekt weitere zwei Jahre gekostet und die Gesamtkosten auf stolze 270 Millionen Euro steigen lassen.

Man habe die meiste Zeit „unter rollendem Rad“ bauen müssen, sagt Projektleiter Bernhard Gehrmann – und wieder mit maximalem Aufwand für die Gründung. Denn der Seeton neigt dazu, sich bei plötzlichen Stößen praktisch zu verflüssigen, weshalb all die Betonpfähle und Spundwände nicht einfach mit roher Gewalt eingerammt werden konnten, sondern mit größter Vorsicht im Boden versenkt werden mussten. Die beiden weltweit einzigen Spezialgeräte dafür sind nach Angaben des Bauamts gleichzeitig an der Rosenheimer Westtangente im Einsatz gewesen.

Während zugleich alle paar Minuten ein österreichischer Railjet, ein Güterzug oder eine Regionalbahn oben über die Bahnbrücke rollte, erinnerte Rosenheims Landrat Otto Lederer (CSU) bei der Eröffnung der Westtangente an die neuen Gleise zum Brennerbasistunnel, die nach den Plänen der Bahn ganz in der Nähe über eine kilometerlange Brückenkonstruktion erst an und dann über den Inn geführt werden sollen, während man in der Region auf einem flächensparenden Tunnel besteht.

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