Rudi Zapf in Gilching: Tabulos vielseitig – Starnberg | ABC-Z

Der Begriff der Weltmusik ist keine Erfindung der jüngsten Zeit, auch wenn er erst Ende des 20. Jahrhunderts in den allgemeinen Gebrauch kam. Er ist höchst politisch, denn zu Beginn noch mit Kolonialdenken und Ideen der Rassenreinheit konfrontiert. Als Rudi Zapf um 1980 herum mit dem Hackbrett und dem Knopfakkordeon unterm Arm auf die Kleinkunstbühnen Bayerns trat, ging es in musikkabarettistischen Programmen vielleicht auch darum, ein Stück Weltfrieden zu kreieren. Generell ging es jedoch vielmehr darum, der sich immer deutlicher auswirkenden Globalisierung musikalisch Rechnung zu tragen. Das passierte zwar in allen musikalischen Gattungen von Klassik über Jazz bis zum Pop, doch letztendlich vereinnahmte die internationale Folklore den Begriff der Weltmusik für sich.
Für die deutsche Volksmusik, insbesondere für die alpenländische, war es zweifelsohne ein Glücksfall, denn sie konnte fortan auch anspruchsvoll auf großen Bühnen und fern des Musikantenstadls und der Bierzelte in einen neuen Kontext gestellt werden. Dafür hatte Zapf das Quartett Zapf’nstreich gegründet. In der heutigen Besetzung mit Gerhard Wagner (Saxophon, Klarinette, Querflöte), Andreas Seifinger (akustische Gitarre), Stephan Lanius (Kontrabass) und Zapf (Pedalhackbrett, Vibrandoneon) demonstrierte es in der gut besuchten Aula des Gymnasiums Gilching am Samstag mehr oder weniger bewusst die begriffliche Komplexität der Weltmusik.
Je tiefer die Weltmusiker der vergangenen Jahrzehnte in die Materie vordrangen, desto reifer wurde die Erkenntnis, dass sie das Rad neu erfanden. Nachdem man jahrzehntelang geglaubt hatte, alle Kulturkreise blieben seit jeher eng abgesteckt in sich verschlossen und ihre Lieder nur innerhalb dieser streng gehüteten Grenzen existierten, stießen Weltmusiker auf weltweite Überschneidungen. So hieß es auch in Zapfs Ansage etwa zum Titel „Gerakina“, es sei ein mazedonisches Lied, das aber ebenfalls aus Griechenland bekannt ist. Dieser heitere, leichtfüßige Tanz hatte zudem das Zeug für eine weitere Eigenheit der Weltmusik: Die freie Auslegung, wie es an der Stelle vor allem in Wagners virtuosem Saxophonsolo geschah. Die Folklore, seit jeher Weltmusik, steht Adaptationen jeglicher Art offen gegenüber. Ihre spannenden ungeraden Rhythmen, wie sie Zapf bevorzugt, eignen sich aber auch geradezu perfekt für Jazz.
Das ist zum Glück kein Sakrileg in dieser Sparte und musikalisch notwendig, denn die Lieder an sich, so schön sie auch sein mögen, sind rein instrumental und ohne gesungene Texte doch ein recht knappes Material, um konzertant genutzt zu werden. Aber es ist stets ein spannendes Material, das Zapf mit seinen Mannen auch im aktuellen Programm „Weltwärts“ einer abwechslungsreichen Dramaturgie unterzieht.
Die Gitarre von Seifinger und der Bass von Lanius bilden die Grundsubstanz und den Motor, nicht selten mit ostinaten Figuren, die sie wie eine Spielwiese für Zapf und Wagner ausbreiteten, wie etwa in einem Volkslied aus der Bretagne. Dann kam es eben darauf an, wie reichhaltig deren Variationen, Varianten und klangliche Kombinationen ausfielen. Zapfs Pedalhackbrett kann zum einen überaus klangdynamisch wie ein Zymbal in der osteuropäischen, vor allem ungarischen Musik fluten, aber dank der Dämpfmechanik auch sehr trocken und perkussiv daherkommen. Das Knopfakkordeon ersetzte Zapf hier mit dem Knopfvibrandoneon, das eine Art Edelmelodika ist. Gerade für melancholische Melodien mit nostalgischem Einschlag wie in der argentinischen Milonga das absolut richtige Instrument, aber auch im Dienste der Heiterkeit, wie im Tanz aus dem brasilianischen Pernambuco „Frevo“. Gerade dann war Wagners Querflöte der richtige Dialogpartner. Sonst boten Saxophon und Klarinette klangliche Farbvariante und je nach Herkunft der Musik durchaus auch eine gewisse Authentizität.
Am spannendsten wurde es, wenn auch Seifinger und Lanius in die Variationsbreite eingriffen. Bisweilen unkonventionell, wenn Seifinger die Gitarre in den Schoß legte und wie auf der Zither die Filmmusik aus „Der dritte Mann“ anstimmte. Lanius’ Streichbass sorgte indes in der „kasachischen Jurtenmusik“ –Zapfs Erfindung der Stubenmusi in der Steppe – für eine besondere Atmosphäre. Zapf’streich ist eben nichts heilig. Und das ist gut so, denn die Highlights waren zweifelsohne Potpourris aus völlig unterschiedlichen Genres, die aber nahtlos ineinander gehen konnten. So steigerte sich etwa der Zwiefache „Zuserl“ mit dem Jazzhit „Take Five“. Traditionelles „So lang der alte …“, der Tangoklassiker „La Cumparsita“, „Maxglaner“ von Tobi Reiser und der Hit „Bei mir bist Du scheen“ zeigten auf diese Weise ungeahnte Gemeinsamkeiten, die beiden letzten konnten gar als Quodlibet übereinandergelegt werden. Es ging eben darum, in erster Linie mitreißende Musik zu kreieren und sie packend zu verabreichen. Und die Begeisterung des Publikums zeigte, dass das gelungen war.