Roms Altbauten im Verkehrsstress | tagesschau.de | ABC-Z

Seit dem Einsturz eines mittelalterlichen Turms sorgen sich Roms Bürger um den Zustand alter Bauten. In der Ewigen Stadt gibt es mindestens noch 50 solcher Bauwerke aus dem Mittelalter. Sind sie auch gefährdet?
Rom ist mehr als das Kolosseum, das Forum, der Petersdom. Auch in Rom steht zum Beispiel ein schiefer Turm. Doch anders als der in Pisa befindet sich der Torre delle Milizie nicht auf der grünen Wiese, sondern mitten in der Stadt. “Einen solchen Turm zu bauen”, sagt Architekt Alessandro Panci, “hatte für die Familie, die ihn bewohnte, vor allem Symbolkraft. Es ging darum, die eigene Macht zu zeigen”.
Die leichte Neigung sieht man nur aus der Ferne. Wer so wie Alessandro Panci direkt davorsteht, sieht vor allem eines von rund 50 Baudenkmälern, die Rom aus dem Mittelalter ins Hier und Heute gerettet hat. So wie der vor zwei Wochen teilweise eingestürzte Torre dei Conti. “Beide Türme haben die Probleme der letzten Jahrhunderte überlebt, die Erdbeben und die Veränderungen der Stadt”, so Panci, der bis Mai noch Präsident der römischen Architektenkammer war.
Nur mit Abstand kann man die Neigung des Torre delle Milizie erkennen. Nagt das Großstadtleben auch an seiner Substanz?
Straßenverkehr erschüttert die Gebäude
Busse, Autos, Motorroller – praktisch alles, was in Richtung Bahnhof fährt, kommt am Torre delle Milizie vorbei. Das sind kleine Erdbeben, Mikro-Erschütterungen, die an einem alten Gebäude nicht spurlos vorübergehen.
Auch wenn die Ursachen des Teileinsturzes des Torre dei Conti, bei dem ein Bauarbeiter starb, noch nicht ermittelt sind, scheint für den Kunsthistoriker und Kurator Costantino D’Orazio festzustehen, dass der Verkehr mitverantwortlich für das Unglück vor zwei Wochen ist.
In dieser Gegend seien viele Jahrhunderte “nur Pferdedroschken gefahren”, so D’Orazi. “Heute gibt es den Autoverkehr. Stellen Sie sich vor, welchem Stress dieser Turm seit mehr als einem Jahrhundert ausgesetzt ist – durch Busse, Autos und jetzt noch die Metro.”
Ein bekanntes Dilemma
Tatsächlich wird in der Nähe zum Torre dei Conti an einer neuen Metrostation gearbeitet. Die Ewige Stadt braucht dringend Alternativen zum Individualverkehr und steht bei dieser wie bei allen Entscheidungen immer vor demselben Dilemma: Das Alte bewahren oder Neues ermöglichen?
Bei den herausragenden Baudenkmälern, dem Kolosseum oder dem Forum Romanum stellt sich diese Frage nicht. Diese werden engmaschig überwacht, regelmäßig restauriert und dank der Millionen Besucher aus aller Welt auch gut genutzt. Doch wie steht es um all die anderen Baudenkmälern, die nur die Experten kennen und erkennen?
Hier fordert Architekt Alessandro Panci ein Umdenken: Statt Baudenkmäler lediglich zu konservieren, sollten sie vor allem genutzt werden, im Zweifelsfall auch privat. “Wir sollten vor allem bei den weniger bekannten Stätten versuchen, sie so aufzuwerten, dass sie genutzt werden durch Aktivitäten oder auch Formen der ‘Adoption’.” Die regelmäßige Nutzung dieser Gebäude sei auch eine Form der Kontrolle, die heute oft fehle.
Das Kolosseum ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Roms. Mehr als 14 Millionen Menschen zog es im vergangenen Jahr hierhin. Auch der Tourismus ist eine Herausforderung für das Gebäude.
Zu viel des Guten?
Tragischerweise war genau das mit dem Torre dei Conti geplant. Hier sollte ein Museum für das benachbarte Forum Romanum entstehen, gefördert mit Mitteln aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds. Ein Projekt, das in aller Eile realisiert werden musste, denn die Mittel stehen nur befristet zur Verfügung. “Natürlich führt der Umstand, dass sehr viel Geld in äußerst kurzer Zeit ausgegeben werden muss, auch dazu, dass man gezwungen ist, mehrere Arbeiten gleichzeitig in Angriff zu nehmen”, sagt Architekt Panci.
Insgesamt erhält Italien 200 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds der EU. Für Rom, das 2025 ein Heiliges Jahr feiert, ist das ein Segen. Die Stadt hat sich gründlich herausgeputzt. Und bisher gibt es auch noch keinen Anhaltspunkt, dass ausgerechnet bei der Restaurierung des Torre dei Conti weniger gründlich gearbeitet wurde.






















