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Roman Poseck plädiert für Fonds | ABC-Z

Herr Poseck, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach es künftig möglich ist, Vereine bei Hochrisikospielen an den Polizeikosten zu beteiligen, haben Sie gesagt, Sie fänden die Entscheidung richtig, strebten aber ein bundesweit einheitliches Vorgehen an. Derzeit zeichnet sich ab, dass es dazu jedoch nicht kommen wird. Was nun?

Für mich ist eine bundeseinheitliche Lösung noch nicht vom Tisch. Ich will weiter Gespräche führen, mit den anderen Ländern, vor allem aber auch mit den Vereinen. Gemeinsam mit Sportministerin Diana Stolz habe ich für den 10. Februar nach Wiesbaden eingeladen. Wir werden mit Eintracht Frankfurt, Darmstadt 98, Wehen Wiesbaden, Vereinen der Regionalliga und dem Hessischen Fußballverband über die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beraten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es am Ende zu einer Fondslösung kommt. Das hieße, dass sich die Deutsche Fußball-Liga pauschal an den Polizeikosten bei Hochrisikospielen beteiligt.

Diese Lösung scheint aber in weiter Ferne zu liegen – wenn sie überhaupt kommen wird. Was spricht dagegen, dass Hessen, ebenso wie Bremen, die Kosten über Gebührenbescheide einholt?

Ein Argument gegen einen hessischen Alleingang ist die Wettbewerbsverzerrung. Und auch der bürokratische Aufwand, der mit der Abrechnung jedes einzelnen Fußballspiels einhergehen würde, spricht gegen eine solche Lösung. Damit wären weitere Streitigkeiten mit den Vereinen zu befürchten – von der Einordnung eines Spiels als Hochrisikospiel über den Umfang der Polizeiaufwendungen bis hin zur Notwendigkeit des Polizeieinsatzes. Das möchte ich vermeiden.

Diese Diskussionen werden ja jetzt schon regelmäßig zwischen Vereinen und der Polizei geführt.

Wir sollten keinen Dauerstreit über dieses Thema führen, sondern ein gemeinsames Ergebnis erzielen, das die gesellschaftliche Bedeutung des Spitzenfußballs, die Umsätze des Profifußballs sowie die hohen Aufwände für die Polizei gleichermaßen berücksichtigt.

Aber gerade die gesellschaftliche Bedeutung kann nur bestehen, wenn Fußballspiele friedlich verlaufen und nicht von Krawall überschattet werden. Wenn der Fokus also allein auf einer bundeseinheitlichen Lösung liegt, die wahrscheinlich nie kommen wird, laufen Sie dann nicht Gefahr, sich einen wichtigen Weg zu verbauen, um die Vereine dazu zu bringen, sich ernsthaft mit ihren Problemfans auseinanderzusetzen?

Ich sage nur, dass eine bundeseinheitliche Lösung für mich Vorrang hat. Eine andere Lösung schließe ich nicht von vornherein aus. Wir stehen ja erst am Anfang der Beratungen. Die Auseinandersetzung der Vereine mit Problemfans ist davon völlig unabhängig erforderlich. Ich erkenne die Bemühungen der Vereine an, gegen Gewalt und gegen Pyrotechnik vorzugehen und dafür auch Geld in die Hand zu nehmen, zum Beispiel für Ordnungsdienste und andere Maßnahmen. Gerade Eintracht Frankfurt sehe ich aktuell auf einem ganz guten Weg. Wir hatten im November 2023 schreckliche Ausschreitungen beim Spiel von Eintracht Frankfurt gegen den VfB Stuttgart. Solche Bilder haben sich seitdem nicht wiederholt. Das ist gut so und liegt auch an der guten Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der Polizei sowie an Maßnahmen, die Eintracht Frankfurt selbst ergriffen hat. Von daher ist meine Erwartungshaltung bei dem gesamten Thema, dass die Vereine weiter umfassend in Sicherheit investieren. Solange sie dieses Engagement hochhalten, ist ein Alleingang Hessens bei der Beteiligung an Polizeikosten für mich kein unbedingt naheliegender Weg.

Setzt auf Dialog: Innenminister Roman Poseck (CDU)dpa

Die Formulierung in dem Urteil vom Bundesverfassungsgericht ist interessant. Die Richter sprechen davon, dass die Spiele, die besonders brisant sind, dementsprechend von der Liga selbst auch vermarktet werden, also besonders gefahrträchtige, auf die Erzielung von Gewinn ausgerichtete Großveranstaltungen sind. Und zwar solche, bei denen es ein bedeutsames Interesse gibt, nicht die Allgemeinheit zu belasten. Das liest sich wie ein Auftrag. Die Frage ist, an wen? An die Vereine oder an die Politik?

Der Auftrag geht an alle Beteiligten. Dennoch begründet das Urteil keine Verpflichtung, Kosten zu erheben. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass eine Kostenbeteiligung nicht gegen Grundsätze der Verfassung verstößt. Ob und inwieweit allerdings dann Kosten im Einzelnen erhoben werden, bleibt eine politische Frage, zu der es keine unmittelbaren verfassungsrechtlichen Vorgaben gibt. Vereine, die viel Geld umsetzen, tragen im Übrigen auch durch Steuern zum allgemeinen Finanzaufkommen bei. In der Tat sind sie aber auch Veranlasser zusätzlicher Polizeikosten. In dieser Gemengelage gilt es zudem, Abgrenzungsfragen zu beantworten: Für welche Vereine, für welche Ligen kommt eine Kostenbeteiligung infrage? Das Thema reicht über die Erste Bundesliga und unter Umständen sogar über den Fußball hinaus.

Wie man die Kosten zwischen den Vereinen in den einzelnen Ligen verteilt, ließe sich ja regeln.

Keine Frage: Regelungen und Abgrenzungen sind nach sorgfältiger Vorbereitung möglich. Wir verabschieden uns dann aber für den Spitzenfußball von dem Grundsatz der allgemeinen Kostenfreiheit von Polizeieinsätzen, wie sie beispielsweise auch bei anderen Großveranstaltungen, zum Beispiel Weihnachtsmärkten und Parteitagen, gilt. Für Hochrisikospiele ist auch zu beachten, dass das Risiko nicht unbedingt nur vom gastgebenden Verein abhängt, der die Kosten tragen soll, sondern das besondere Risiko auch maßgeblich durch Gästefans ausgelöst werden kann. Das Thema ist also nicht trivial und für einen symbolischen Schnellschuss wenig geeignet.

Aber auch da wäre eine Regelung nach dem Verursacherprinzip denkbar.

Abstrakt lässt sich das fordern. Die konkrete Umsetzung ist dagegen schwierig. Die Festlegung von Verursachungsanteilen und -beiträgen wäre dann der nächste Streitpunkt. 70 Prozent für den Gastverein oder doch nur 30 Prozent? Dieses Klein-Klein möchte ich allen Beteiligten ersparen. Auch deshalb setze ich mich für ein pauschales Vorgehen im Rahmen einer Fondslösung ein.

Wobei die Kriterien ja schon jetzt vorliegen. Die Polizei legt vorher fest, ob es sich um ein Risikospiel handelt oder nicht. Das wiederum hängt davon ab, wie sich die Fans beider Seiten in der Vergangenheit zueinander positioniert haben. Oder ob Hinweise auf einen unfriedlichen Verlauf erkennbar sind. Sie haben zu Recht auf die derzeitigen Bemühungen der Eintracht hingewiesen, sich mit ihren Problemfans zu beschäftigen. Die Erfahrung lehrt aber auch, dass das so einfach nicht ist. Teile der Eintracht-Anhängerschaft kokettieren geradezu damit, „Randalemeister“ zu sein. Wäre es dann nicht eher geboten, klare Kante zu zeigen?

Die Polizei zeigt klare Kante gegenüber denjenigen, die das Recht brechen. Gewaltlosigkeit ist nicht verhandelbar. Deshalb ist die Polizei bei Spielen umfassend und erfolgreich im Einsatz. Nach meiner Wahrnehmung haben die Ausschreitungen beim Spiel der Eintracht gegen Stuttgart alle Beteiligten wachgerüttelt. Auch den Verein und die in einzelnen Teilen gewaltbereite Fan­szene. Allen ist klar geworden: So kann es nicht weitergehen. Auch deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Eintracht dabei ist, den Ruf als Randalemeister loszuwerden. Eintracht Frankfurt ist das sportliche Aushängeschild Hessens. Das sollte sich auch im Auftreten der Fans und beim Ruf widerspiegeln.

Die Eintracht selbst scheint sich ziemlich sicher zu sein, dass sich in der Frage der Kostenverteilung nichts ändern wird. In ihrem Statement hieß es, man habe an die Politik die „Erwartungshaltung, dass aus guten Gründen an der bestehenden Praxis festgehalten und die bewährte Statik in der Verantwortungs- und Kostenfrage nicht verändert wird“. Wenn sich jetzt tatsächlich nichts ändert, würde es nach außen hin wirken, als wäre die Politik vor der „großen“ Eintracht eingeknickt.

Wir knicken nicht ein, sondern arbeiten an einer vernünftigen Lösung, über die wir am 10. Februar mit allen Beteiligten beraten werden. Ich werde für die Vorteile einer Fondslösung gegenüber etwaigen Gebührenbescheiden für einzelne Spiele werben. Und am Ende ist es Sache der Politik, eine Entscheidung zu treffen. Dabei lassen wir uns auch nicht die Butter vom Brot nehmen.

Das heißt, einer Kostenbeteiligung über Gebührenbescheide sind Sie doch nicht so abgeneigt?

Priorität hat für mich eine Fondslösung. Damit wären auch alle anderen Probleme gelöst. Wenn diese nicht zustande kommt, schließe ich letztlich eine Kostenbeteiligung unter Berücksichtigung der Investitionen der Vereine in das Thema Sicherheit nicht kategorisch aus. Abgesehen von den schon angesprochenen Abgrenzungsfragen ist für eine Kostenbeteiligung aber mehr als ein Federstrich des Innenministers erforderlich. Hierfür müssten neue Kostentatbestände in die Rechtsordnung aufgenommen werden, die rechtssicher und nachvollziehbar sind.

Die Gleichung „Je mehr Hochrisikospiele, umso besser für die Besoldung“ ist rechtspolitisch schwierig.

Richtig. Ich bin froh, wenn wir in Hessen nur wenige Hochrisikospiele haben. Für die laufende Spielzeit zeichnet sich ein Rückgang ab; auch weil es keine hessischen Duelle in der Ersten Bundesliga gibt. Die Einordnung von Spielpaarungen als Hochrisikospiel ist im Übrigen dynamisch; sie kann sich von Spielzeit zu Spielzeit ändern; je nach Tabellensituation und Verhältnis der Vereine beziehungsweise Fangruppen zueinander.

Trotzdem ist es so, dass es nicht viele öffentlich auftretende Gruppen gibt, für die das Kokettieren mit dem Überschreiten von Grenzen, mit dem Gesetzesbruch, für die das Festsetzen eigener Regeln und Verhaltensweisen so zum Selbstverständnis gehört wie für organisierte Fanszenen – die selbst unter denen, die regelmäßig ins Stadion gehen, ja nur einen kleinen Teil ausmachen. Befürchten Sie, dass dieses Thema Kosten und Kostenfestsetzung zu einer Reaktion dieser Fanszene führen könnte?

Die Vorhersage von Reaktionen der Fanszene ist aus meiner Sicht Spekulation. Sie darf für die Politik jedenfalls nicht leitend sein. Fußball lebt von leidenschaftlicher Unterstützung, und deshalb ist es gut, dass wir so viele Fans haben, die ihren Verein ohne Wenn und Aber unterstützen. Aber klar ist auch: Alle Fans müssen sich an Regeln halten. Rechtsfreie Räume darf es nicht geben. Gewalt, Pyrotechnik müssen tabu sein. Das erwarte ich von der gesamten Fan­szene, und das müssen die Vereine auch entsprechend durchsetzen. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass eine Beteiligung an Kosten nicht automatisch einen Sicherheitsgewinn für Fußballspiele bringt. Wir würden eine gewisse Kompensation des Aufwandes erhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Die Sicherheit in den Stadien hängt weiter vor allem vom Selbstverständnis und Handeln der Fans, den Maßnahmen der Vereine einschließlich notwendiger Stadionverbote und der konsequenten Durchsetzung von Regeln durch die Polizei ab.

Und gleichzeitig ist ja diese Selbstdarstellung der organisierten Fans wiederum ein Argument für jene, die sagen: Dann sollen die mal selbst dafür aufkommen.

Genau diesen Aspekt würde eine Fondslösung aufgreifen. Die gesamte Breite des Profifußballs wäre an den Kosten beteiligt.

Aber eben nicht nach dem Verursacherprinzip, sondern es wären auch jene Vereine betroffen, die gar keine gewalttätige Szene haben.

Die Kriterien für die interne Kostenbeteiligung müsste die DFL aufstellen. Absolute Gerechtigkeit wird es aber nicht geben, zumal die Kosten auch bei Gebührenerhebungen für einzelne Spiele nicht allein von den wenigen getragen werden müssten, die für den Polizeieinsatz verantwortlich sind, sondern letztlich dann von allen Fußballanhängern.

Wie geht es jetzt weiter? Sie sagen, Sie treffen sich mit den Vereinen am 10. Februar. Solche Treffen gibt es vermutlich auch in den anderen Ländern. Und anschließend kommt dann die Innenministerkonferenz zusammen?

Die Fachministerkonferenzen werden sich im Frühjahr mit dem Thema weiter beschäftigen. Und es werden selbstverständlich auch direkte Gespräche mit der DFL geführt. Ich setze darauf, dass wir dort zu Ergebnissen kommen und am Ende ein Betrag x den Ländern für den großen Aufwand im Hinblick auf gefahrgeneigte Fußballspiele zur Verfügung gestellt wird. Nach welchem Schlüssel und in welcher Größenordnung, das muss wiederum Gegenstand umfangreicher Erörterungen sein. Eine pauschale Lösung für eine Spielzeit scheint mir deutlich besser zu sein, als am Ende darüber zu streiten, ob und warum ein Spiel ein Hochrisikospiel ist. Ich habe großes Vertrauen in die Polizei, dass sie die Einordnung zutreffend vornimmt. Ich habe aber auch Respekt davor, dass die Vereine das möglicherweise anders bewerten.

Der Prozess ist dynamisch, es kann zwischen zwei Vereinen, die über Jahre gut ausgekommen sind, auf einmal eine Auseinandersetzung geben. Dann werden Zusammentreffen dieser Vereine Hochrisikospiele. Genauso können sich auch Situationen zwischen den Fangruppen entspannen. Es gibt sicherlich bestimmte Spiele, wenn es Lokalderbys gibt, bei denen man immer wieder zu einem Hochrisikospiel kommt. Als Köln-Fan kann ich sagen, gegen Borussia Mönchengladbach wird das immer so sein. Und umgekehrt genauso. In Hessen haben wir ja die relativ entspannte Situation – auch wenn wir uns natürlich viele hochklassige hessische Vereine wünschen – , dass wir im Moment wenig Derbys haben.

An anderen Standorten werden Spiele gegen Eintracht Frankfurt häufig als Hochrisikospiele eingeordnet.

Das mag sein. Aber genau das zeigt doch, wie schwierig es ist, den gastgebenden Verein mit Zusatzkosten für ein Hochrisikospiel zu belasten. Beim SV Wehen in der dritten Liga liegt die Ursache für die Einordnung von Hochrisikospielen meines Wissens ausschließlich an problematischen Gästefans. Das zeigt, dass bei diesem Thema durchaus Gerechtigkeitsfragen berührt sind. Und dass man nicht so einfach nach dem Motto handeln kann: „Die haben viel Geld, also sollen sie jetzt auch zahlen.“ Man muss sich das schon im Detail anschauen.

Da kommen wir wieder auf das Verursacherprinzip zurück. Das wäre relativ einfach.

Das sehe ich anders. Verursachungsanteile lassen sich nicht mathematisch festlegen.

Wie viel Verständnis haben Sie für das Argument der Vereine, dass es sie finanziell schmerzen würde? Sie sagen ja selbst: Das sind keine Unsummen, die da zustande kämen.

In der Ersten Bundesliga mag eine Kostenbeteiligung locker von den Vereinen zu stemmen sein, möglicherweise auch noch in der zweiten Liga. Wenn wir aber in die dritte und vierte Liga blicken, dann wird dort weniger Geld umgesetzt, und gerade auch dort können nicht unerhebliche Kosten für Hochrisikospiele entstehen. Gerade die Kostendifferenz zwischen einem normalen Spiel und einem Hochrisikospiel ist in der dritten und vierten Liga relativ hoch.

Das wäre am Ende aber auch ein guter Hebel, Vereine auch der dritten Liga dazu zu bringen, sich frühzeitig um ihre Problemszenen zu kümmern.

Nach meiner Einschätzung kümmern sich auch die Vereine der dritten Liga bereits losgelöst von dem aktuellen Thema der Kostenbeteiligung um problematische Fangruppen.

Gehört der DFB als Veranstalter der dritten Liga und Dachverband für die Regionalligen mit an den Tisch?

Als Gesprächspartner auf alle Fälle. Zum Gespräch in Wiesbaden am 10. Februar haben wir auch den Hessischen Fußballverband eingeladen.

Welchen Zeitrahmen sehen Sie?

Der Rechtsstreit rund um die Gebührenbescheide in Bremen hat annähernd zehn Jahre gedauert. Jetzt haben wir dank der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mehr Klarheit. Ich erwarte, dass wir im Verlauf des Jahres zu Ergebnissen kommen, wie wir das Urteil konkret umsetzen. Diese Zeit sollten wir uns nehmen, dann aber auch Rechtssicherheit schaffen.

Und wenn sich die DFL überhaupt nicht bewegt?

Dann sollten die Länder eigene Regelungen noch einmal sehr genau prüfen. Für Hessen bliebe die Möglichkeit von Gebührenbescheiden für einzelne Spiele auf der Tagesordnung.

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