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Rom ist vor dem heiligen Jahr 2025 eine einzige Baustelle | ABC-Z

Offenbar hat das Beten geholfen. Wenigstens hier an der Engelsburg. Die Bauzäune werden abtransportiert. Vollständig abgebaut sind schon die Gerüste, die für die Restaurierung der Engelstatuen auf der Fußgängerbrücke über den Tiber sowie der Skulpturen der Apostel Paulus und Petrus errichtet worden waren. Jetzt strahlen die barocken Meisterwerke aus der Werkstatt Berninis wieder im schönsten Weiß.

Die Neugestaltung der Piazza Pia, gelegen zwischen der Engelsburg am rechten Tiberufer und der Via della Conciliazione, die schnurgerade auf den Petersplatz führt, ist die Mutter aller Baustellen des Jahres 2024 in Rom. Mehr als 400 gab und gibt es. Das Gesamtbudget umfasst gut vier Milliarden Euro, ein Großteil des Geldes kommt von der EU.

Die meisten Bauarbeiten hätten abgeschlossen sein sollen, ehe Papst Franziskus am Abend des 24. Dezember die Heilige Pforte des Petersdoms aufstößt und damit das heilige Jahr 2025 offiziell eröffnet. Doch allenthalben wird noch gewerkelt. Rom bleibt eine einzige Baustelle. Das Chaos wird sich auch nicht verflüchtigen, wenn neben den zuletzt 35 Millionen Touristen jährlich weitere 32 Millionen Pilger in die Ewige Stadt strömen. Wie viele Besucher das insgesamt für das heilige Jahr bedeutet, weiß niemand.

Baustellen, Dreck, Lärm: Rom sei lebendig

Als sich Papst Franziskus am 8. Dezember, dem katholischen Hochfest Mariä Empfängnis, zum traditionellen Besuch der Mariensäule auf die Piazza di Spagna begab, um der Immaculata einen Strauß weißer Rosen darzubringen, ging er in einer kurzen Ansprache auf die aktuellen Nöte der Römer ein. Das heilige Jahr stehe nicht umsonst unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“, sagte Franziskus: Eine Botschaft der Hoffnung für die gesamte Menschheit, geplagt von Krisen und Kriegen, werde von Rom ausgehen, vom Caput mundi, dem Haupt der Welt, der Stadt der Apostel und frühen Märtyrer des Christentums.

Die Baustellen, der Dreck und der Lärm seien für Römer und Besucher gewiss unangenehm, sie stünden aber auch als Zeichen dafür, dass Rom lebendig sei, sich erneuere und bald besser funktioniere. „Beten wir also für den Bürgermeister, der viel Arbeit hat“, mahnte das geistliche Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken.

Der Sozialdemokrat Roberto Gualtieri, seit 2021 das politische Oberhaupt Roms, kann die Gebete gut gebrauchen. Seit dem Ende der Pandemie befinden sich die Ewige Stadt und ihre 3,5 Millionen Einwohner im fortgesetzten Belagerungszustand durch den wachsenden Fremdenverkehr. Den Vorwurf, man habe den Beginn der Bauarbeiten für das heilige Jahr verbummelt, lässt Gualtieri nicht gelten: „Wir müssen jetzt nachholen, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten versäumt wurde.“

Zuletzt ist man in Italien auf die Idee verfallen, dem Touristenandrang in Kunststädten wie Venedig, Florenz, Neapel und Rom dadurch beizukommen, dass Kurzzeitvermieter ihren Gästen die Schlüssel zu ihren Ferienwohnungen nicht mehr in Lockboxen bereitstellen dürfen, sondern diese beim Check-in persönlich übergeben müssen. Ob das nützt, wenn derweil mit dem heiligen Jahr die Werbetrommel für Reisen nach Rom gerührt wird?

Auch hier eine einzige Baustelle: die Engelsbrücke in RomReuters

Zurück zur Piazza Pia, dem Platz der Frommen, wo die Bauarbeiten eher dank tüchtiger Arbeiter statt inbrünstiger Gebete rechtzeitig abgeschlossen werden konnten. Der neu gestaltete Platz am rechten Tiberufer ist das bedeutendste aller Bauvorhaben mit Blick auf das heilige Jahr 2025. Über die Engelsbrücke, errichtet auf Geheiß von Kaiser Hadrian (76 bis 138 n. Chr.) und eingeweiht im Jahre 134, sollten die Untertanen des römischen Gottkaisers direkt vom Marsfeld am Ostufer des Tibers zum Mausoleum Ha­drians in der heutigen Engelsburg auf der westlichen Seite des Flusses gelangen.

Nach der „Bekehrung“ Roms zum Christentum unter Kaiser Konstantin dem Großen (272 bis 337) behielt die Engelsbrücke ihre Funktion als zentrale Pilgerroute über den Tiber. Nun freilich für den Weg zum Grab des Apostels Petrus am Fuße des Vatikanischen Hügels. Über dem ließ Konstantin 324 eine Kirche errichten, aus der später der Petersdom werden sollte.

Seit die Oberhirten in Rom ihre Herde zum Pilgerzug zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus riefen, ist die Engelsbrücke durch die Jahrhunderte das bevorzugte Einfallstor der Pilger über den Tiber geblieben. Es ist eine buchstäblich historische Leistung, dass sich von der Engelsbrücke über die nun für den Autoverkehr untertunnelte Piazza Pia bis zum Petersplatz eine lange Fußgängerzone erstreckt: Seit Urzeiten geht der Pilger zu Fuß, und auf den letzten Metern seiner Wallfahrt zum Grabe Petri muss er heute nicht mehr darauf warten , dass eine Fußgängerampel auf Grün springt und sich der Strom der Autos einige Augenblicke für ihn öffnet.

Das Geschäft mit dem heiligen Jahr

Auf das Geschäft mit dem heiligen Jahr, dem „Giubileo“ (Jubiläum), wie es auf Italienisch heißt, verfiel Papst Bonifaz VIII. im Jahr 1300. Denn ein Geschäft war es von Beginn an. Nach dem Modell des jüdischen Erlassjahres, dem „schenat ha-jobel“ (2. Mose 25,8-13), in welchem den Israeliten alle 50 Jahre ein pauschaler Schuldenerlass gewährt wurde, konnten die zum heiligen oder Jubiläumsjahr nach Rom gerufenen christlichen Pilger mit einem Ablass ihrer zeitlichen Sündenstrafen im Jenseits rechnen. Und zwar, indem sie durch eine der heiligen Pforten der Papstbasiliken in Rom schritten, dortselbst ein Almosen gaben oder, besser noch, eine Ablasszahlung an den Vatikan leisteten.

Gläubige nehmen am 15. Oktober 2000 auf dem Petersplatz am „Jubeljahr“ mit Papst Johannes Paul II. teil.
Gläubige nehmen am 15. Oktober 2000 auf dem Petersplatz am „Jubeljahr“ mit Papst Johannes Paul II. teil.Getty

Zunächst waren heilige Jahre nur alle hundert Jahre vorgesehen. 1475 wurde dann vom Vatikan die bis heute übliche Frequenz von 25 Jahren festgelegt: Im Vierteljahrhundertrhythmus gab es mehr Pilger und damit mehr Einnahmen aus den Ablasszahlungen. Zudem können Päpste außer der Reihe heilige Jahre ausrufen, zuletzt tat dies Franziskus 2016 mit dem heiligen Jahr der Barmherzigkeit.

Gewiss, seit dem Tridentinischen Konzil (1545 bis 1563) ist in der katholischen Kirche der Handel mit Ablässen verboten. Papst Pius V. belegte den Ablasshandel 1570 mit der Höchststrafe der Exkommunikation. Doch ein Riesengeschäft sind Pilgerreisen zu heiligen Jahren bis heute geblieben – vorab für alle Zweige des Reise- und Gastgewerbes, aber auch für den Andenken-, Devotionalien- und sonstigen Handel. Auch der Vatikan und die katholische Kirche, die bis heute Ablässe gewähren, freilich nicht für Geld, sondern im Tausch gegen Treue zu Kirche und Papst, profitieren kräftig von heiligen Jahren: Die überfällige Auseinandersetzung mit allerlei Skandalen – vom Missbrauch Schutzbefohlener über dubiose Finanzgeschäfte bis zum absolutistischen Machtgebaren eines angeblich „synodalen“ Reformpapstes – wird von einer Welle wohliger Volksfrömmigkeit überlagert.

Sogar gegen die befürchteten unchristlichen Auswüchse des Massentourismus und der Massenwallfahrt im heiligen Jahr 2025 haben sich die Stadt Rom und der Vatikan gewappnet. Mit einem „Carbonara-Pakt“, zu dem Rom und der Vatikan das Gastronomiegewerbe eingeladen haben, soll gewährleistet werden, dass ein Teller herzhafter „Pasta alla Carbonara“ und verwandter Nudelgerichte wie „Amatriciana“ und „Cacio e Pepe“ sowie eine einfache Pizza nicht mehr als zwölf Euro kosten. Auch soll es im gesamten Jubeljahr 2025, darauf haben sich Stadt und Kirche verpflichtet und die Privatwirtschaft zum Mittun aufgerufen, keine Zwangsräumungen für säumige Mieter geben. An Heiligabend eröffnet der Papst mithin ein heiliges Pilgerjahr der Hoffnung auf eine wahrhaft bessere Welt. Am 28. Dezember 2025 geht es dann wieder zu Ende.

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