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“Rollender Güterzug”: Die Wall Street ist im Rally-Modus | ABC-Z


“Rollender Güterzug”

Die Wall Street ist im Rally-Modus

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Die US-Börsen scheinen derzeit nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Der Wahlsieg Donald Trumps gibt dem Aktienmarkt neuen Schub. “Dynamik erzeugt Dynamik”, sagt ein Aktien-Stratege.

Die Rally an den US-Aktienmärkten zeigt kaum Anzeichen einer Verlangsamung zum Jahresende. Auch wenn steigende Bewertungen und Anzeichen für exzessive Spekulationen Sorgen vor einem Rückschlag schüren, behalten Anleger ihre Aktien. Der US-Index S&P 500 war zum Ende vergangener Woche zum 57. Mal auf einen Rekordschlusskurs in diesem Jahr geklettert.

Angetrieben von der US-Wirtschaft, der Erwartung weiter fallender Zinsen sowie zuletzt wegen der Euphorie über die vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump versprochenen Steuersenkungen und Deregulierungen liegt der Index in diesem Jahr knapp 28 Prozent im Plus.

Seit mehr als 13 Monaten hat sich der S&P nicht mehr als zehn Prozent von seinem Rekordhoch entfernt – das ist die längste Serie seit fast drei Jahren. Historisch gesehen traten Korrekturen von zehn Prozent oder mehr im Durchschnitt einmal im Jahr auf, wie Daten von der Bank of America zeigen.

“Dynamik erzeugt Dynamik”, sagt Sonu Varghese, Stratege bei der Carson Group, die in Aktien übergewichtet ist. “Der Markt ist im Grunde genommen ein Güterzug, und niemand will sich ihm in den Weg stellen”, konstatiert auch Steve Sosnick, Chefstratege bei Interactive Brokers.

Bitcoin-Kurs geht durch die Decke

Gegen einen Markt in einem starken Aufwärtstrend zu wetten, ist auch historisch gesehen riskant: Der S&P 500 hat seit 1928 fünfmal hintereinander Jahresgewinne von 20 Prozent oder mehr verzeichnet und lag drei Monate später jedes Mal höher – mit einem durchschnittlichen Gewinn von 6,3 Prozent, wie eine Reuters-Analyse mit LSEG-Daten ergab. Im vergangenen Jahr hatte der Index um rund 24 Prozent zugelegt.

Mittlerweile beginnen sich jedoch selbst einige überzeugte “Bullen” zu fragen, ob bei der Rally nicht eine Verschnaufpause ansteht. So stellt Michael Hartnett von der Bank of America fest, dass der S&P 500 mit dem 5,3-fachen seines Buchwerts gehandelt wird und damit seinen Höchststand vom März 2000 übertrifft. Damit bestehe im ersten Quartal 2025 das Risiko eines “Überschießens”, warnt der Experte. Zugleich verweist er auf Anzeichen einer Übertreibung auf den Märkten insgesamt, etwa die Trump-Rally nach den Präsidentschaftswahlen, bei der der Bitcoin in der vergangenen Woche erstmals die 100.000-Dollar-Marke überschritt.

Für das kommende Jahr hat die Bank of America für den S&P 500 ein Ziel von 6.666 Punkten ausgegeben, was mehr als neun Prozent über dem aktuellen Kurs liegt. Ed Yardeni, Gründer von Yardeni Research, nennt verschiedene Indikatoren, die auf eine positive Stimmung hindeuten. Darunter ist der jüngste Index für das Verbrauchervertrauen, wonach 56,4 Prozent der Verbraucher in den kommenden zwölf Monaten einen Anstieg der Aktienkurse erwarten.

Das schließe Rücksetzer nicht aus. “Es könnte gerade zu viele aufgeladene Bullen geben”, konstatiert Yardeni. Ein Rückschlag wäre dann aber auch eine Gelegenheit, günstig zu kaufen. Auch die RBC-Expertin Lori Calvasina hatte sich Ende November besorgt gezeigt, dass die vergleichsweise hohen Bewertungen den S&P 500 für einen Rückschlag von fünf bis zehn Prozent anfällig gemacht hätten. Der Index wird derzeit mit dem 22,6-fachen des voraussichtlichen Gewinns gehandelt, verglichen mit einem historischen Durchschnitt von 15,77.

Irgendwann geht es abwärts

Bislang gibt es kaum Anzeichen dafür, dass diese Sorgen auf die Märkte insgesamt übergreifen. Ein Beispiel dafür ist der CBOE Volatility Index, der die Nachfrage der Anleger nach Schutz vor Marktschwankungen misst. Der Index, der während einer heftigen Erschütterung im August ein Vierjahreshoch erreichte, fiel am Freitag auf ein Fünfmonatstief von 12,75. Die VIX-Geschichte deutet darauf hin, dass die Marktruhe noch eine Weile anhalten könnte. Sobald er unter der 14er-Marke schließt, wie Ende November, dauert es durchschnittlich 136 Börsentage, bis er über die 20er-Marke klettert – eine Bewertung, die mit moderaten Marktschwankungen einhergeht. Auch die historisch starke Entwicklung der Aktien im Dezember könnte das Vertrauen der Anleger stärken.

Recht sicher ist, dass sich der Markt irgendwann drehen wird. Ein Auslöser könnte etwa der Umgang Trumps mit US-Handelspartnern wie Mexiko, Kanada oder China sein. Der künftige Präsident hat angedroht, gegen sie Sonderzölle zu erheben. Experten warnen, dass ein ausgewachsener Handelskrieg die positiven Auswirkungen etwa von Steuersenkungen und Deregulierung zunichte machen könnte.

Für den Strategen Mark Newton von Fundstrat Global Advisors ist eine kurzfristig “überkaufte Situation” – ein Ausdruck für einen Markt, der zu schnell und zu stark gestiegen ist – an sich noch kein Grund, sich von Aktien zu trennen. “Es fällt mir einfach schwer, hier am Aktienmarkt etwas zu verkaufen”, sagt Newton.

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