Gesundheit

Rockmusiker: Warum diese Berufsgruppe besonders selbstmordgefährdet ist |ABC-Z

Die Liste der Selbstmorde von Rock- und Popstars ist schmerzvoll lang. Zwei Forscher haben die erschreckenden Daten nun zusammengetragen und analysieren die Umstände. Gleich elf Stress-Faktoren gelten für Künstler besonders. Die Ideen für Prävention sind zum Teil allerdings seltsam.

Der Musiker Neil Young sang 1979 „It’s better to burn out than to fade away“, es ist besser auszubrennen, als zu verblassen. Der Musiker Kurt Cobain notierte die Zeile 1994 in seinem Abschiedsbrief, bevor er sich erschoss. Die Liste der Selbstmorde von Rock- und Popstars ist schmerzvoll lang, etwa Chester Bennington von Linkin Park, Ian Curtis von Joy Division, Keith Flint von The Prodigy, der schwedische DJ Avicii, INXS-Sänger Michael Hutchence, Keith Emerson von Emerson, Lake & Palmer, Chris Cornell von Soundgarden.

Der Wunsch, das Leben zu beenden, geht oft mit Drogensucht, Medikamentenmissbrauch, Alkoholismus einher, ebenso mit Depressionen und anderen psychischen Problemen, was sich wechselseitig bedingt. In Bezug auf Musik wird das regelmäßig auf mythische Ebenen gehoben („hope I die before I get old“, singen The Who in „My Generation“) oder romantisiert, indem Kunstschaffen als Teil einer leidenden, tragischen, grüblerischen und von notwendigem Schmerz begleiteten Existenz dargestellt wird.

George Musgrave von der Goldsmith University of London und der Mediziner Dorian Lamis von der Emory University in Atlanta untersuchen nun „Musiker, die Musikindustrie und Suizid“ im Journal „Frontiers in Public Health“. Sie widmen die Studie sechs Musikern, die 2023 und 2024 während der Arbeit an dem Thema verstorben sind.

Die Befunde sind eindeutig. Daten zur berufsbedingten Sterblichkeit in England von 2011 bis 2015 zeigen, dass „Musiker, Schauspieler und Entertainer“ zu den fünf Berufsgruppen mit der höchsten Selbstmordrate gehören. Innerhalb der Sparte „Kultur, Medien und Sport“ wiesen diese Berufsgruppen das höchste Risiko auf, wobei die Selbstmordrate bei Männern den Bevölkerungsdurchschnitt um 20 Prozent und bei Frauen um 69 Prozent übertraf.

Ähnliche Muster zeichnen sich in epidemiologischen Daten der USA ab. Im Jahr 2022 lag die altersbereinigte Selbstmordrate in der Gesamtbevölkerung bei 14,2 pro 100.000 Menschen. Bei männlichen Musikern und Sängern betrug die Rate 138,7 pro 100.000. Es ist der dritthöchste Wert, nur übertroffen von Holzfällern (161,1) und Wissenschaftlern, die sich mit Landwirtschaft und Lebensmitteln beschäftigen (173,1).

Bei Frauen verzeichnete die Berufskategorie „Kunst, Design, Unterhaltung, Sport und Medien“, die Musiker umfasst, in den Jahren 2012, 2015 und 2021 die höchste Selbstmordrate aller Berufsgruppen.

Auch die einzelnen Musik-Genres sind untersucht. Bei Gospelmusikern ist die Selbstmordrate am niedrigsten, bei Jazz höher als bei Nicht-Musikern. Wer Punk, Country, Rock und insbesondere Heavy Metal spielt, ist besonders gefährdet.

Die Forscher gehen davon aus, dass Musiker weltweit eine gefährdete Hochrisikogruppe darstellen, die gezielte Interventionsstrategien erfordert. Sie verweisen auf aufsehenerregende Todesfälle unter K-Pop-Künstlern wie die von Sängerinnen Goo Hara und Sulli, die beide 2019 starben, oder Moonbin, Sänger der Band Astro (2023).

Eine 2019 entwickelte „Skala für beruflichen Stress bei Musikern“ zeigt elf Schlüsselfaktoren für Stress, darunter Leistungsangst, Über-/Unterbelastung durch Reisen, Karriereentwicklung, schlechte körperliche Arbeitsbedingungen, Auswirkungen auf das Sozial- und Familienleben, Konflikte innerhalb einer Band und Arbeitsbeziehungen, ausbeuterische Branchenpraktiken, unregelmäßige Schlafmuster.

Musgrave und Lamis schlagen vor, dass sich „alle, die Musik lieben und sich für sie interessieren“ Fragen stellen, wie die Kultur der kulturellen Berufe verändern werden sollte. Das schließt den Abschied von oft melodramatischen „Erzählungen künstlerischen Leidens“ mit ein. Sie entwickeln einen Ansatz zur breiten Suizidprävention in der Musikindustrie, der von Appellen an Führungskräfte über Gesprächsschulungen für Manager, Freunde, Familie bis zu rührend klingenden Vorschlägen reicht.

So sei etwa bei Tourneen auf „herzliche Übergaben“ und ausreichend Rahmenprogramm in Phasen der Ruhe zu achten. Waldspaziergang, Zoobesuch, Pilates plus Teezeremonie – fraglich bleibt, ob dies Betroffenen auf Dauer wirklich hilft.

Haben Sie suizidale Gedanken, oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222.

Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

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