Ringen um das langersehnte Abkommen zwischen Israel und Hamas – Politik | ABC-Z
In den vergangenen acht Jahren waren Donald Trump und Joe Biden erbitterte Gegner, die über viele Themen andere Meinungen hatten und einander beschimpften. Doch in einer Sache arbeiten der scheidende US-Präsident Biden und sein Nachfolger zusammen: Beide Männer und ihre engsten Berater drängen Israel und die Terrororganisation Hamas zu einem Abkommen. Bis zum 20. Januar 2025, wenn Trump ins Weiße Haus einzieht, soll der Deal stehen.
Der Rahmen für eine mehrwöchige Waffenruhe ist seit Monaten klar. Die Hamas soll die Rückkehr von Geiseln erlauben, die sie seit mehr als 400 Tagen in Tunneln tief unter der Erde des Gazastreifens gefangen hält, und im Gegenzug werden Palästinenser aus israelischer Haft entlassen. Dann könnten endlich mehr Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Küstengebiet geschafft werden, wo knapp zwei Millionen Palästinenser seit mehr als einem Jahr unter menschenunwürdigen Umständen leben. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium sprach am Freitag von 45 200 Toten und mehr als 107 000 Verletzten.
In den vergangenen Tagen wuchs wieder die Hoffnung der Angehörigen, ihre Freunde und Verwandten wiederzusehen. Die islamistische Hamas hatte bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 fast 1100 Israelis und 71 Ausländer ermordet und 250 Geiseln verschleppt. Von diesen gelten etwa 100 weiter als vermisst, nicht alle sind noch am Leben. Neben den USA leiten auch Katar und Ägypten die indirekten Verhandlungen zwischen Hamas und Israel. Delegationen aus Israel kamen ebenso nach Doha wie CIA-Chef William Burns, ein enger Vertrauter Bidens. Dass Burns am Donnerstag wieder abreiste, spricht allerdings dafür, dass eine Einigung noch einige Tage entfernt ist.
Auch die Hamas streut in arabischen Medien positive Einschätzungen: Die Gespräche verliefen „exzellent“, eine Einigung sei „nahe“ und möglich, wenn Israel nicht weitere Forderungen stelle. Und dies scheint angesichts der Erfahrungen der vergangenen 14 Monate möglich zu sein. Denn ein großes Hindernis für eine Einigung besteht weiter: Israels Premier Benjamin Netanjahu regiert mit zwei rechtsextremen Parteien, die im Falle eines Abkommens mit der Hamas die Koalition verlassen wollen. Und nicht nur viele Verwandte und Freunde der Geiseln gehen davon aus, dass Netanjahu sein politisches Überleben mindestens so wichtig ist wie die Gesundheit der Geiseln.
In mehreren Interviews äußerte US-Außenminister Antony Blinken die Hoffnung, dass die Hamas bereit für einen Deal sei. Nicht nur sei die Terrororganisation militärisch geschwächt und ihre Führung nahezu vollständig dezimiert: Von der Hisbollah-Miliz in Libanon und auch vom Hauptfinanzier Iran werde kaum noch Unterstützung kommen. Zugleich erinnerte Blinken daran, dass die Verhandler schon öfter ähnlich weit gekommen waren – um dann noch zu scheitern. Es sei wie in der legendären Szene der Zeichentrickserie „Peanuts“, so Blinken: „Lucy setzt den Football auf die Erde, Charlie Brown nimmt Anlauf, und im letzten Moment zieht Lucy den Ball wieder weg.“
Weil es oft Netanjahu war, der einen Deal blockierte, richten sich alle Augen auf Israels Premier. Nach Recherchen der Tageszeitung Haaretz sehen die Vermittler das größte Hindernis beim Übergang von der ersten zur zweiten Phase. Im Gespräch sei eine Waffenruhe von 42 oder 60 Tagen, während derer 34 Geiseln freikommen: „Frauen, Kinder, Alte und Soldatinnen“. Israels Militär würde sich aus Teilen des Gazastreifens zurückziehen und gefangene Palästinenser freilassen. Ungeklärt sei noch, wie viele dies sein sollen und wer die Grenzübergänge von Ägypten in den Gazastreifen zur Lieferung von Hilfsgütern überwachen soll.
In Washington, Kairo und Doha hofft man, dass nach mehreren Wochen Waffenruhe der Druck aus Israel und dem Ausland zu hoch ist, als dass Netanjahu den Gaza-Krieg fortsetzen könnte. In der zweiten Phase, die in eine dauerhafte Waffenruhe münden soll, wartet auf Netanjahu zudem eine heikle Frage: Für den Austausch von Soldaten und Männern unter 50 wird die Hamas hochrangige Gefangene fordern. Im Gespräch ist, dass einige ins Exil nach Katar oder in die Türkei gehen. Gleichzeitig zweifeln Beobachter daran, dass die Hamas-Führung bis zum Ende mitzieht: Es könnte für sie eine Lebensversicherung sein, weiter israelische Geiseln in ihrer Gewalt zu haben.
So oder so bleibt eine weitere zentrale Frage: Wer soll künftig die Kontrolle des Gazastreifens übernehmen? Denn Israel lehnt für diese Rolle nicht nur die Hamas ab, sondern auch die Palästinensische Autonomiebehörde unter Führung des greisen Präsidenten Mahmud Abbas. Klar ist aber eines: Um dieses Problem wird sich die Regierung von Donald Trump kümmern müssen.