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Rineke Dijkstras ikonische Strandporträts im Städel Museum Frankfurt | ABC-Z

Zu Beginn ihrer Karriere arbeitete Rineke Dijkstra im Auftrag für Magazine. An den Porträts, die in diesem Rahmen entstanden, störte sie jedoch die Kontrolliertheit der Menschen, die sie ablichtete. „Es fiel mir schwer, in diesem Rahmen natürliche Bilder der Menschen zu machen. Sie haben gewisse Erwartungen oder wollen ein bestimmtes Bild von sich vermitteln, besonders als Geschäftsleute oder Menschen in einflussreichen Positionen“, erklärt sie. Also nahm sie eine Auszeit von der Auftragsarbeit und begab sich auf die Suche nach mehr Natürlichkeit und Authentizität. Schließlich war es ein Selbstporträt, das zu ihrer wohl bekanntesten Serie, den „Beach Portraits“, inspirierte. Sie fotografierte sich selbst, nachdem sie 30 Bahnen geschwommen war. Durch die körperliche Erschöpfung ließ sie jede Pose fallen – es entstand ein ungeschöntes, ehrliches Porträt.

Die ersten Strandporträts fotografierte sie daraufhin im Umfeld ihrer Heimatstadt Castricum an Zee in den Niederlanden. Zwischen den Jahren 1992 und 2015 besuchte sie Strände in den USA, Polen, Gabun, Belgien, England, der Ukraine und Kroatien und porträtierte dort Jugendliche in Einzel- und Gruppenaufnahmen. Der immer gleiche, dreigeteilte Hintergrund aus Himmel, Meer und Sand lässt keine Rückschlüsse auf den jeweiligen Ort zu.

Kołobrzeg, Poland, July 26, 1992Rineke Dijkstra

Dijkstra arbeitet mit einer analogen Großformatkamera und auch bei Tageslicht mit einem starken Blitz, um die Menschen auf den Bildern optisch vom Hintergrund zu isolieren. Die Fotografin erteilt kaum Anweisungen. Es gibt nichts, das von den Porträtierten ablenkt. Umso stärker rückt deren Körpersprache in den Vordergrund. Als Jugendliche sind sie sich derer nicht recht bewusst. Viele wirken unbeholfen, sind noch auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt. „Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie eine Pose, eine Geste oder ein Ausdruck etwas darstellen kann, das vielleicht mehr von innen kommt. Es geht darum, die Komplexität einer Person in dem einen richtigen Moment einzufangen, in den kleinen Details. Als junger Mensch befindet man sich noch in einer Phase des Übergangs. Mir gefiel die Vorstellung, diesen abstrakten Zwischenraum festzuhalten, diesen Moment, in dem die Dinge noch nicht endgültig sind.“

Jalta, Ukraine, July 30, 1993
Jalta, Ukraine, July 30, 1993Rineke Dijkstra

Feine Unterschiede in ihrer Art, sich zu zeigen, lassen gewisse Rückschlüsse auf das gesellschaftliche Umfeld der jungen Menschen zu. In South Carolina traf Dijkstra eine Jugendliche, die Teil des Projekts sein wollte. Am nächsten Tag erschien sie mit zurechtgemachtem Haar, geschminkt und in neuer Bademode. Sie greift sich in die Frisur, stellt ein Bein leicht vor das andere. Ihre Pose wirkt recht bestimmt und erinnert an US-amerikanische Werbebilder der frühen Neunzigerjahre. „Sie versuchte etwas darzustellen, das sie gern einmal werden würde“, erinnert sich die Fotografin. Dieser Orientierung an westlichen Bildkulturen und visuellen Mustern begegnete Dijkstra beispielsweise in der Ukraine, die sie nur wenige Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion besuchte, nicht.

Brighton, England, August 21, 1992
Brighton, England, August 21, 1992Rineke Dijkstra

Die Fotografin nutzt eine Kamera, die ein sehr langsames Arbeiten und starre Aufbauten mit Stativ erfordert. Ihre Sujets können sich nur minimal bewegen, da sie andernfalls aus dem Schärfebereich des Bildes heraustreten. Sie wissen sehr genau um die Situation des Porträtiert-Werdens. Es scheint, als würden sich die Jugendlichen durch das sehr langsame Fotografieren mit der Zeit in natürliche Haltungen begeben, denn die Bilder wirken in keiner Weise künstlich oder überinszeniert. „Ich empfinde den Moment, in dem ich ein Porträt mache, als sehr intim, als Fotografin kann man den Menschen sehr nahe kommen“, ergänzt Dijsktra.

Long Island, N.Y., USA, July 1, 1993
Long Island, N.Y., USA, July 1, 1993Rineke Dijkstra

Um ein Bild aufzunehmen, kann Dijkstra bei der von ihr gewählten Kamera nicht direkt durch einen Sucher oder gar ein Display blicken. Auf der analogen Mattscheibe sieht sie das Bild gespiegelt und seitenverkehrt. Um das Motiv überhaupt erkennen zu können, muss sie sich dabei unter einem sogenannten Einstelltuch verbergen. Auf gewisse Weise tritt sie hierdurch als Fotografin in den Hintergrund. Der Blick der Jugendlichen richtet sich direkt in die Kamera und damit an uns als Betrachtende. Die Begegnung mit Rineke Dijkstras großformatigen Aufnahmen im Ausstellungskontext erzeugt eine eindrückliche Nähe und macht die Verletzlichkeit der jungen Menschen erfahrbar.

Odessa, Ukraine, August 7, 1993
Odessa, Ukraine, August 7, 1993Rineke Dijkstra

Rineke Dijkstra. Beach Portraits. Städel Museum Frankfurt; bis zum 18. Mai 2025.

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