Richterwahl: Brosius-Gersdorf verzichtet auf Kandidatur als Verfassungsrichterin | ABC-Z

Frauke Brosius-Gersdorf will nicht länger Richterin am Bundesverfassungsgericht werden. In einer Stellungnahme begründete sie den Schritt mit Äußerungen aus der Unionsfraktion im Bundestag: Man habe ihr signalisiert, dass ihre Wahl ausgeschlossen sei. “Teile der CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab”, schrieb Brosius-Gersdorf in einer von ihren Anwälten versendeten Stellungnahme, die der ZEIT vorliegt.
Damit würden auch die Wahlchancen der beiden anderen Kandidaten gefährdet, “die ich schützen möchte”, schrieb die Juristin. Es müsse verhindert werden, dass der von der gescheiterten Richterwahl im Juli entfachte Streit in der schwarz-roten Koalition eskaliert und “eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind.” Zwar würde ihr Verzicht auf die Kandidatur “viele Menschen enttäuschen”, die ihr schriftlich ihre Unterstützung ausgesprochen hätten. “Durchhalten macht aber nur Sinn, wenn es eine reelle Wahlchance gibt, die leider nicht mehr existiert.”
Über die SPD-Bundestagsfraktion, die sie aufgestellt hatte, schrieb Brosius-Gersdorf hingegen, diese habe “uneingeschränkt vor und hinter mir” gestanden. “Für sie ist es eine Prinzipienfrage, dem Druck unsachlicher und diffamierender Kampagnen nicht nachzugeben.” Dafür bedankte sich die Juristin bei der SPD-Fraktion sowie bei den Fraktionen der Grünen und Linken, die sie ebenfalls unterstützt hätten.
Juristin beklagt Diffamierungskampagne und kritisiert Union
Brosius-Gersdorf kritisierte in dem Schreiben die Vorbehalte der Unionsfraktion gegen ihre Kandidatur, die in ihrer vermeintlichen Haltung zum Recht auf Schwangerschaftsabbrüche begründet seien. Der Unionsfraktion sei es “nicht gelungen, sich mit meinen Themen inhaltlich auseinanderzusetzen”, schrieb die Juristin.
Der ihr vorgehaltene, von ihr geschriebene Satz “Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt” sei durch von “Desinformation und Diffamierung” geprägten Kampagnen gegen sie zu einem Plädoyer für ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche bis zur Geburt verzerrt worden, während er in Wirklichkeit eine juristische Begründung für den derzeit geltenden Rechtszustand sei, um unlösbare Konflikte zu Grundrechten der Schwangeren zu verhindern.
“Die ablehnende Haltung von Teilen der CDU/CSU-Fraktion (…) steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag”, schrieb Brosius-Gersdorf. Die Unionsfraktion habe sich darüber aber nicht mit ihr austauschen wollen: “Eine Einladung in eine Fraktionssitzung hat sie bis zuletzt nicht ausgesprochen.”
Brosius-Gersdorf warnt vor Folgen für Richterwahl
Die “Verbreitung von Fakenews und Schmähungen” im Internet sei kein neues Phänomen, schrieb die Juristin weiter. “Neu und bedrohlich ist jedoch, dass sich in sozialen Netzwerken organisierte und zum Teil KI-generierte Desinformations- und Diffamierungskampagnen Bahn brechen zur Herzkammer unserer Demokratie, dem Parlament.” Von politisch Verantwortlichen “wie Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion” könne erwartet werden, dass sie ihre Entscheidungen nicht auf Grundlage ungeprüfter Behauptungen stellten.
Brosius-Gersdorf warnte in ihrem Schreiben auch vor Folgen der gescheiterten Richterwahl für das Verfassungsgericht. Es drohe eine “nachhaltige Beschädigung des Verfahrens” der Richterwahl, wenn sich die Politik “von Kampagnen treiben” lasse. Die entscheidende Frage nach der Kompetenz von Kandidatinnen und Kandidaten dürfe nicht von “öffentlichen Diskussionen über vermeintliche politische Richtungen oder angebliche persönliche Eigenschaften überlagert werden, zumal wenn diese ohne Tatsachenbezug erfolgen.” Die Richterwahl müsse künftig “mit mehr Verantwortungsbewusstsein praktiziert werden.”
Auf die nach der gescheiterten Richterwahl aufgekommenen Plagiatsvorwürfe gegen sie ging Brosius-Gersdorf in ihrem Schreiben nicht ein. Erste Vorwürfe waren von einem vorläufigen Gutachten außer Kraft gesetzt worden. Anfang der Woche erhob der selbst ernannte Plagiatsjäger Stefan Weber neue Anschuldigungen gegen die Juristin. Laut Brosius-Gersdorfs Anwälten sollen auch diese Vorwürfe falsch sein. Die Unionsfraktion hatte nach Erscheinen des Gutachtens die Vorwürfe als entkräftet bezeichnet.