Richard T. Slone: +24./25.12+„In meinem Leben habe ich noch nie einen Tag gearbeitet“ | ABC-Z
Weil es für eine Karriere als Boxprofi nicht ausreichte, wurde Richard T. Slone Künstler. Und das mit großem Erfolg. Zu den Sammlern seiner farbenfrohen Werke zählen Donald Trump, Pamela Anderson, Denzel Washington und Eminem. Ein Gespräch.
Schon als kleiner Junge wollte Richard T. Slone so berühmt werden wie Joe Frazier. Der amerikanische Boxer erkämpfte 1964 olympisches Gold und stieg danach als Profi zum Weltmeister im Schwergewicht auf. Am 8. März 1971 verteidigte „Smoking Joe“ in New York seinen Titel im „Kampf des Jahrhunderts“ gegen Muhammad Ali. Um sich seinen Traum zu erfüllen, verließ Slone 1990 als 16-Jähriger mit 40 Dollar und ein paar Boxhandschuhen die britische Insel und zog zum ehemaligen Champion nach Philadelphia. Frazier offerierte ihm nach einem persönlichen Kennenlernen, dass er in seinem Boxgym wohnen und trainieren könne.
So sehr er sich unter der Ägide seines 2011 verstorbenen Vorbilds auch quälte und in einigen Aufbaukämpfen zu gefallen wusste, bis in die ersehnte Weltspitze schaffte es Slone nicht. Stattdessen machte er sich einen weltweiten Namen als preisgekrönter Kunstmaler mit seinen farbenfrohen Porträts sowie Werken von großen Sport- und Promi-Events, wobei er ein besonderes Faible für den Faustkampf hatte. Zu seinen Sammlern zählen Donald Trump, Pamela Anderson, Bruno Mars, Denzel Washington, Eminem, Floyd Mayweather und viele mehr. Die meisten wollen anonym bleiben. Bekannt ist auch, dass die verstorbenen Nelson Mandela, Muhammad Ali, Norman Mailer oder Hugh Hefner diverse Bilder von Slone erwarben.
Zeichnen war neben dem Boxsport die zweite Passion des in Las Vegas lebenden Künstlers. Am kreativsten sei er, wenn andere schlafen, erzählt er. Fast jede Nacht verbringt er in seinem weitläufigen Atelier. Zuletzt malte er ein überdimensionales Gemälde für die Revanche im Schwergewicht an diesem Wochenende in Riad zwischen Weltmeister Oleksandr Usyk und Tyson Fury. Während des Schaffensprozesses pafft er gerne eine Zigarre. Zudem nippt er an einem Glas mit Jack Daniels und hört Outlaw Country Musik. Wobei die Songtexte eine Geschichte haben müssen, etwas, was er bewundere, dann sei er in seinem Element, sagt er. Slone (50) lässt sich beim Malen von niemandem stören. Deshalb fand das Gespräch auch vor dem Sonnenaufgang morgens um sechs Uhr statt, kurz bevor er ins Bett ging.
WELT AM SONNTAG: Mister Slone, guten Morgen. Sie wirken aber putzmunter, obwohl Sie die ganze Nacht bestimmt kein Auge zugemacht haben.
Richard T. Slone: Mir geht es richtig gut. Ich bin voller Glückshormone, denn ich habe mich jetzt viele Stunden lang damit beschäftigt, was ich neben dem Boxen am meisten liebe. Ich brauche keinen Rolls-Royce, ich muss nicht in New York über dem Central Park wohnen, aber ich brauche die Malerei.
WAMS: Wie die Luft zum Atmen?
Slone: Sie bringen es auf den Punkt. Ich quäle mich, wenn ich nicht male. Wenn ich male, komme ich in eine Wohlfühlstimmung, die ich sonst im Leben nicht erfahre, außer vielleicht im Boxring. Ich kann 40 Stunden am Stück malen, kein Problem. In meinem Leben habe ich noch nie einen Tag gearbeitet. So sehe ich das, denn Malen ist mein Vergnügen, es ist meine Medizin, mein Erdungspunkt. Ich glaube, ich bin mit Buntstiften zur Welt gekommen. (lacht)
WAMS: Woher rührt diese Annahme?
Slone: Soweit ich mich erinnere, bemalte ich, kaum das ich einen Stift halten konnte, jedes herumliegende weiße Blatt. Meine Mutter nutzte das Malen auch, um mich zu disziplinieren. Wenn ich als Kind böse war, was des Öfteren vorkam, schickte sie mich mit einem Bleistift und weißem Papier in eine Ecke, die ich erst wieder verlassen durfte, wenn ich mich abreagiert hatte. Für mich war das keine Strafe. Stundenlang habe ich ausgeharrt und gezeichnet, bis meine Mutter selbst sagte: „Jetzt reicht es, du darfst wieder zu mir kommen“.
WAMS: Was haben Sie damals gemalt?
Slone: Da Boxen in unserer Familie ein dominantes Thema war und ich mit ins Gym durfte, kaum das ich laufen konnte, zeichnete ich immer etwas im Zusammenhang mit diesem Sport. Ich gewann auch mal einen Schulpreis. Rocky II kam damals in die Kinos, als wir im Kunstunterricht einen Hut verzieren sollten. Auf den Hut bastelte ich einen Boxring. Als Ringseile verwendete ich Pfeifenreiniger. Das fanden alle unheimlich kreativ. Von da an kam ich vom Boxen nicht mehr los. Schade nur, dass ich als Sportler nicht erfolgreich war. Im Sparring ahmte ich den Stil von Joe nach, besaß aber nicht das Herz und die Willenskraft wie er. Es war brutal, denn er forderte, dass jeder in seinem Stil kämpfte. Nun ja, jedenfalls nahm ich mit dem Wechsel nach Amerika auch sehr viel in Kauf.
WAMS: Was konkret?
Slone: Als ich im Mai 1990 in London zum ersten Mal in ein Flugzeug stieg, um über Boston und Detroit nach Philadelphia zu Joe zu kommen, hatte ich die High School noch nicht beendet. Ich hatte zwar alle Prüfungen abgelegt, doch vor Verkündung der Ergebnisse war ich schon weg. Ich bekam nie ein Abschlusszeugnis. Dafür rief mich kurz vor dem Abflug Joes Sekretärin aufgeregt an und erzählte, dass sie nicht schlafen könne.
WAMS: Warum?
Slone: Weil sie meinetwegen äußerst besorgt war. Sie erzählte mir, es sei das schlimmste Getto von Amerika, wo ich in Philly hinkommen werde. Raubüberfälle, Verbrechen, Drogenkriminalität wären dort an der Tagesordnung. Weit und breit würde ich dort der einzige Weiße sein. Sie prophezeite mir, dass ich mich nicht zurechtfinden würde und legte mir ans Herz, erst zu kommen, wenn ich erwachsen bin. Doch ich wollte zu Joe, koste es, was es wolle.
WAMS: Und wie war es?
Slone: Ich befand mich tatsächlich in einem sehr gefährlichen Getto. In Joes Gym wohnte ich im zweiten Stock mit fünf anderen Boxern. Wir schliefen auf alten Matratzen. Ratten liefen herum, es gab kein heißes Wasser, keinen Herd, nur eine Kochplatte. Nachts wurde versucht, einzubrechen. Joe besaß Schusswaffen, die wir uns bei ihm prophylaktisch gelegentlich ausliehen.
WAMS: Erzählten Sie Ihren Eltern davon?
Slone: Natürlich nicht. Dann hätte ich wieder nach England zurückfliegen müssen. Ungeachtet der gewöhnungsbedürftigen Umstände habe ich, so wie die anderen auch, täglich bedingungslos trainiert. Nur so war es auch möglich, Respekt und Wertschätzung von Joe zu bekommen. Er nannte mich seinen weißen Sohn und unterstützte mich auch finanziell. Nachts habe ich dann meistens gemalt. Wenn ich mal Zeit hatte, fuhr ich zu den Restaurants in den reichen Vierteln, malte und verkaufte dort Skizzen und Aquarelle, um zusätzlich Geld zu verdienen. Wobei ich Joe mein erstes veröffentlichtes Bild verdanke.
WAMS: Wann war das?
Slone: Zu seinem 50. Geburtstag, der im Januar 1994 war, aber erst drei Monate später gebührend gefeiert wurde. Die Party, zu der auch Muhammad Ali kam, richtete Donald Trump in seinem Taj Mahal Casino in Atlantic City aus. Damals malte ich Joe in Boxerpose mit seinem WM-Gürtel und der olympischen Goldmedaille. Joe signierte davon 1000 Kopien, die in kurzer Zeit verkauft wurden. Vier Monate vorher hatte Donald Trump ein Bild von mir bekommen. Joe schenkte es ihm anlässlich seiner Hochzeit mit Marla Maples in New York. Ich malte Trump beim Golfspielen. Nachdem das Bild von Joe weltweiten Absatz gefunden hatte, war ich in der Boxszene als bildender Künstler plötzlich in aller Munde. Und das als Autodidakt.
WAMS: Wie bitte?
Slone: Sie hören richtig. Mir wurden einige Stipendien angeboten, unter anderem an der Pennsylvania Academy of the Fine Arts, einer traditionsreichen Schule. Das interessierte mich aber nicht. Ich wollte nicht, dass mir jemand beibringt, welche Farbe wohin gehört. Deshalb bezeichne ich meine Kunst auch als unkonventionell. Kunst zu schaffen ist eine sehr persönliche und private Angelegenheit. Man legt gewissermaßen seine Seele frei. Wenn ich gefragt werde, wie lange ich an diesem oder jenem Bild gearbeitet habe, antworte ich immer: so alt wie ich bin, denn solange habe ich gebraucht, um die Fähigkeiten dafür zu erlernen. Ich hasste es auch, wenn Joe zu anderen sagte, ich sei ein großartiger Künstler.
WAMS: Muhammad Ali bezeichnete Sie sogar als „den größten Künstler aller Zeiten“.
Slone: Als er das sagte, zwinkerte er mir dabei zu … Ich wollte viel lieber, dass Joe sagt, ich sei ein großartiger Kämpfer. Obwohl, Malen ist ja auch ein Kampf, den man führt, bis man ihn gewonnen hat. Um Techniken zu lernen, habe ich den Austausch mit anderen Künstlern gesucht, wie mit LeRoy Neiman, der Ikone der Boxkunst. Er war für seine farbenprächtigen, expressionistischen Gemälde von Sportlern, Musikern und Sportevents weltberühmt. Für mich war LeRoy Freund, Inspiration und bester Ratgeber in einem.
WAMS: Er starb 2012. Heute sind Sie der Marktführer von Neimans Kunstrichtung. Sie malten alle populären Boxer, zahlreiche Prominente verschiedenster Gesellschaftsbereiche, schufen Plakate und Cover für sportliche Großveranstaltungen und Tonträger. Die Hall of Fame, die bedeutendsten Weltverbände und die Topmanager des Profiboxens warben Sie an. Ihre Kunstwerke in Öl oder Acryl sind zumeist schon verkauft, bevor Sie von Ihnen fertiggestellt wurden.
Slone: Einer meiner treuesten Sammler ist übrigens Rechtsanwalt Ingo Wegerich. Er machte in Deutschland schon zwei Ausstellungen mit meinen Bildern.
WAMS: Sie waren auch der offizielle Künstler der südafrikanischen Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2010 und entwarfen sogar eine Modelinie für Lennox Lewis. Gibt es ein Sujet, das Sie bislang nicht gemalt haben, was Sie aber liebend gerne tun würden?
Slone: Etwas Religiöses, was mit einer höheren Macht zu tun hat, mit spirituellem Leben, was ganz tief in die menschliche Seele eindringt. Das braucht aber noch Zeit.
WAMS: Nicht das Ihnen die künstliche Intelligenz zuvorkommt.
Slone: Nein, das denke ich nicht, die künstliche Intelligenz hat ja keine Seele. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein KI-Gemälde die Leute genauso so berührt wie ein Originalkunstwerk, das von einer besonderen Magie geprägt wird, die nur Menschen verstehen können. Ich werde meinem Handwerk immer treu bleiben.
Vita Richard T. Slone
Der Sohn eines Schmieds und einer Schneiderin wurde am 23. Januar 1974 in Newton-in-Furness im Nordwesten Englands geboren. Sein Opa war Boxchampion bei der Armee, sein Vater ließ auf Jahrmärkten die Fäuste fliegen. Der Junior betrat als Vierjähriger erstmals ein Boxgym, was seine Leidenschaft für die Sportart weckte, die ihn als Teenager nach Philadelphia und Detroit führte. Bis zum 26. Lebensjahr kämpfte er aktiv. Als Kleinkind begann er auch zu malen. Seine Werke sind heute weltweit gefragt. Die Arbeiten des multidisziplinären Künstlers zieren Plattencover und Titelseiten von Magazinen. Sie werden von vielen Unternehmen sowie Werbeagenturen verwendet. Seit 2010 lebt Slone mit seiner Tochter in Las Vegas.