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Rezension von Linn Strømsborgs Roman „Verdammt wütend“ | ABC-Z

In Linn Strømsborgs neuem Buch geht es um die Wut von Frauen, und mit dieser „female rage“ trifft die norwegische Schriftstellerin einen Nerv. Britt ist dreiundvierzig und „verdammt wütend“ (so auch der Titel des Romans). Das war sie eigentlich schon immer. Erst als Tochter, dann als Ehefrau und Mutter. Doch hat sie diese Wut immer unterdrückt. Bis zu diesem Tag im Urlaub. Britt rastet aus und schreit Familie und Freunde an, mit denen sie zusammen im Sommerhaus in Norwegen ist. Unmittelbar nach ihrem Ausbruch stellt sie fest: Das war längst überfällig.

Der Befreiungsschlag kommt keineswegs überraschend. Fragmentarisch erzählt Strømsborg auf etwas mehr als zweihundert Seiten, wie Britts ganzes Leben zu diesem Punkt führt. Und wie sie nach ihrem Ausbruch weitermacht. Beim Erzählen springt die norwegische Schriftstellerin immer wieder in der Zeit und gibt Einblicke aus Britts Alltag, die erklären, wie es zu dieser tief verankerten Wut kam. Dabei wechselt Strømsborg bisweilen die Perspektiven, doch die von Britt bleibt die bevorzugte. Schon auf den ersten Seiten des Romans wird deutlich: Hier handelt es sich nicht um irgendein Gefühl, sondern es ist eine Wut darüber, wie ungerecht und einengend die Gesellschaft Frauen gegenüber sein kann, immer noch. Und das verbunden mit einer lähmenden Angst, dass man dagegen machtlos ist. Der weibliche Teil des Publikums wird es wiedererkennen.

Linn Strømsborg: „Verdammt wütend“. Roman. Aus dem Norwegischen von Karoline Hippe. DuMont, Köln 2024. 224 S., geb., 23,– €.DuMont

Britt hielt sich ihr Leben lang an die Regeln. Statt ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, hat sie diejenigen anderer befriedigt und sich dabei nie beklagt. So wurde es ihr als Mädchen beigebracht. Als Frau müsste man sich eben „zusammenreißen“, dürfte sich nicht „so anstellen“. Schon als Jugendliche war Britt wütend, auch darüber, dass ihre Schulfreundin Emelie als „Hure“ galt, nachdem sie mit Daniel geschlafen hatte, während dessen Ruf unbeschädigt blieb. Auch als ihre Mutter sie und ihren Vater, Britt war damals zwölf, verlassen hat. Der Vater hingegen „war nicht besonders wütend. Nachdem Mama weg war, hat er eigentlich aufgehört, irgendetwas zu sein, er war einfach nur da.“ Britt dagegen war schon immer wütend – und mit diesem Gefühl immer allein.

Britts Wut geht nicht weg

Auch mit ihrem Ehemann Espen ist es später nicht anders. Die romantischen Gefühle sind verflogen, schon viele Jahre hegt sie den Verdacht, dass Espen sie betrügt. Das erste Mal hat Britt ihn mit dieser Vermutung konfrontiert, als sie mit Elise schwanger war. Das ist acht Jahre her. Seitdem lebt sie in einer ungeklärten Gewissheit der Untreue. Und ist jedes Mal wütend, „wenn Espen eine Nachricht schickte, dass er nach einem Bier nach Hause kommt, und dann erst drei Stunden später auftauchte“.

Britts Wut geht nicht weg. Mit der Mutterschaft ist sie unfreiwillig in eine traditionelle Rollenverteilung gerutscht, aus der sie sich nicht mehr befreien kann und in der sie nur noch auf ihre Funktionalität als Mutter reduziert wird. In Situationen, in denen Britt versucht, mehr für sich und ihr eigenes Leben zu machen, erhält sie von Espen keine Unterstützung. Als Britt etwa einen Sportkurs besuchen will und ihren Ehemann bittet, währenddessen auf Elise aufzupassen, entgegnet er: „Dann will ich dafür fünfzehn Mal mit den Jungs ausgehen“ und „Soll ich jetzt jeden Mittwoch auf Elise aufpassen, bis in alle Ewigkeit, oder was?“

Es überrascht wenig, dass schließlich einmal diese ganze Wut aus Britt herausbricht. Danach verschwindet sie mit Nico, einer Freundin von Espen, und macht einen Roadtrip, auch wenn sich Britt zuvor für Nico nie so richtig erwärmen konnte. Sie war wohl immer etwas neidisch auf ihre Unabhängigkeit und dass Nico sich nicht typische „Mädchendinge“ aufzwingen lässt. „Nico ging ständig allein aufs Klo, ohne mich zu fragen, ob ich mitkommen wollte. Ich fühlte mich ausgeschlossen, ich war daran gewöhnt, dass Mädchen zusammen auf Klo gingen und dass man sich dort unterhielt, sich dort kennenlernte.“

Britts Rundumschlag ist ein Aufatmen, mit dem Linn Strømsborg zeigt, was passiert, wenn man immer alles herunterschluckt. Die antiquierten Rollenbilder, die Britt die Luft abschnüren, und der gesellschaft­liche Druck, der auf ihr als Ehefrau, Geliebte, Freundin und Mutter lastet, sind immens. Und verändern sie von innen heraus, bis eine Wut entsteht, die nicht mehr weggeht. Die 1986 geborene Autorin trifft vor allem beim Thema „Care-Arbeit“ den richtigen Ton. Damit, dass sich in erster Linie Frauen verpflichtet fühlen, die Rolle als Hausfrau anzunehmen, und ihren Mann regelrecht bitten müssen, auch seinen Teil beizutragen, haben viele immer noch zu kämpfen. Mit „Verdammt ­wütend“ bringt Strømsborg auf den Punkt, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Eine Leseempfehlung – vor allem für Männer!

Linn Strømsborg: „Verdammt wütend“. Roman. Aus dem Norwegischen von Karoline Hippe. DuMont, Köln 2024. 224 S., geb., 23,– €.

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