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Rezension des Polizeiruf 110 aus Magdeburg: „Sie sind unter uns“ – Medien | ABC-Z

In der Schule wird Klausur geschrieben, im Polizeikommissariat werden Akten sortiert, irgendwo pflegt ein Junge seine kranke Mutter. Öder Alltag in Magdeburg. Für genau diese Normalität nimmt sich dieser Krimi in den ersten 15 Minuten viel Zeit. Fast wäre die Grenze zur Langeweile überschritten, gäbe es nicht dieses diffuse Gefühl der Anspannung, das zeitgleich entsteht. Und dann nicht mehr weggeht.

Im neuen „Polizeiruf“ aus Magdeburg geht es um einen Amoklauf an einer weiterführenden Schule. Mit einer Tasche voller Waffen erscheint der 17-jährige Jeremy auf dem Schulhof. Nachdem er drei Menschen erschossen hat, verschanzt sich der Teenager in einem voll besetzten Klassenraum. Er nimmt die Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrerin als Geiseln. Mithilfe einer umgeschnallten Kamera überträgt er alles, was er tut, ins Internet.

Während sich vor der Schule ein Polizeigroßeinsatz formiert, versucht Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) mehr darüber herauszufinden, was Jeremy radikalisiert hat. Die naheliegende Antwort findet sie in einer Internet-Parallelwelt. Aber reicht das aus, um das Verhalten des Jungen zu erklären? Oder gibt es da noch mehr?

Daueranspannung vor kalten Backsteinwänden

Das ist ein belastender Krimi, der nachwirkt. Allein schon wegen des Themas, klar, aber auch wegen der düsteren Inszenierung. Große Teile des Films spielen in einer Schule, die so trostlos inszeniert ist, dass selbst die düsterste Erinnerung an die eigene Schulzeit nicht mithalten kann. Langsame Kamerafahrten im Halbdunkel, blassblaues Linoleum, kalte Backsteinwände, sorgsam inszenierte Lichteffekte. Hier wirken Schulkorridore wie Abgründe, die ins Nichts führen. Die ideale Kulisse für anderthalb Stunden Beklemmung.

Filmen über Amoktaten unterläuft häufig der Fehler, Täter zu glorifizieren. Das ist in diesem Polizeiruf nicht so, auch wenn die Gefühle von Jeremy vergleichsweise viel Platz einnehmen. Aber es geht auch um die Perspektive der Opfer. Ihr Schmerz und ihre Trauer sind den Machern wichtiger als große Effekte, Standoffs oder das Privatleben der Ermittler.

„Sie sind unter uns“ (Regie: Esther Bialas; Buch: Jan Braren) verklärt Jeremys Rolle als Täter nicht, versucht aber gleichzeitig zu ergründen, inwiefern der 17-jährige Amokschütze auch ein Opfer sein könnte. Es soll ein realistisches Bild entstehen, keine Blaupause in Schwarz-Weiß. Schade nur, dass die Macher so sehr darum bemüht sind, klare Schuldzuweisungen zu vermeiden, dass das Ende des Films plötzlich gar nicht mehr realistisch, sondern ziemlich konstruiert wirkt. Das war dann vielleicht doch eine Graustufe zu viel.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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