Restschuldversicherung: Anbieter gehen nach Karlsruhe – Wirtschaft | ABC-Z
Der Bankkunde braucht einen Ratenkredit. Der Sachbearbeiter ist hilfreich, der Vertrag fast unterschriftsreif. Da fragt der Banker noch: „Sie wollen doch bestimmt unsere Kreditschutzversicherung abschließen, oder nicht?“ Der Kunde fühlt sich gedrängt – und unterschreibt auch den Versicherungsvertrag, mit dem die Ratenzahlungen abgesichert werden. Oft werden sie auch Restschuld- oder Restkreditversicherung genannt.
Solche Szenen hatte der Gesetzgeber im Sinn, als er der Finanzbranche eine siebentägige Wartefrist zwischen Kredit- und Versicherungsvertrag verordnete. Sie gilt ab 2025. Damit löst die Ampel-Koalition eine Zusage aus dem Koalitionsvertrag ein.
Versicherer und Banken fürchten deshalb um das lukrative Geschäft mit Restschuldversicherungen. 22 Unternehmen sehen einen Verstoß gegen europäisches Recht und legen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, teilt der Branchenverband GDV mit. „Diese Cooling-off-Phase ist aus unserer Sicht europarechtswidrig“, sagt Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV.
Die fragliche Regelung hat der Bundestag Ende vergangenes Jahr im Zuge des Zukunftsfinanzierungsgesetzes beschlossen. Sie besagt, dass Restschuldversicherungen frühestens sieben Tage nach der Darlehensvergabe abgeschlossen werden können. Dadurch soll verhindert werden, dass die Kreditvergabe vom Abschluss einer solchen Versicherung abhängig gemacht wird. „Ein solches Kopplungsgeschäft ist unzulässig“, heißt es im Gesetz. Doch diese Wartefrist bedeutet aus Sicht des GDV ein „faktisches Verkaufsverbot“. 2022 haben die Anbieter mit Restschuldversicherungen rund vier Milliarden Euro Beiträge eingenommen.
Restschuldversicherungen sollen einspringen, wenn Kreditnehmer die Ratenzahlungen wegen einer Notlage nicht mehr bedienen können, etwa weil sie ihren Arbeitsplatz verlieren oder krank werden. Die Verträge sollen verhindern, dass ein Kredit zur Schuldenfalle wird, wie der GDV in einem Beitrag wirbt. Allerdings sind die Angebote seit Langem umstritten. Kritiker warnen vor überteuerten Deckungen, die zu einem massiven Anstieg der Kreditkosten führten. Die Verträge seien lückenhaft und der Abschluss nicht immer ganz so freiwillig, wie die Anbieter behaupten.
Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Online-Ratgebers Finanztip, hält die Verfassungsbeschwerde für keine gute Idee. Die Einschätzung des Verbandes, dass eine solche Frist de facto ein Verkaufsverbot sei, spreche stark dafür, dass das Produkt nicht sinnvoll sei. Eine solche Absicherung könne in Kombination mit einer Immobilienfinanzierung praktikabel sein, nicht aber zur Absicherung von Konsumentenkrediten, sagt Tenhagen. „Wir raten davon ab, so etwas zu machen.“
Als Grund nennt er unter anderem die hohen Kosten. Eine Finanztip-Beispielrechnung eines Kredits der SWK Bank im September 2023 ergab, dass Zinsen und Kosten für den Verbraucher durch die Versicherung von 6,49 Prozent auf 11,96 Prozent pro Jahr steigen. Die beschlossene Wartefrist hält er für richtig, um die Verbraucher zu schützen. Nur so könne verhindert werden, dass die Kreditvergabe de facto vom Versicherungsabschluss abhängig gemacht wird.
In Deutschland sind die Provisionszahlungen mittlerweile gedeckelt
Anderswo hat die Finanzbranche schon schmerzhafte Erfahrungen mit dem lukrativen Geschäft gemacht. In Großbritannien wurden wegen missbräuchlicher Vertriebspraktiken bei der „Payment Protection Insurance“ Rückerstattungen von mehr als 50 Milliarden Euro fällig, der Skandal beschäftigt die Anbieter noch heute.
In Deutschland gibt es mittlerweile eine Deckelung der Provisionszahlungen an die Banken auf 2,5 Prozent der Darlehenshöhe. Zuvor hatte die Finanzaufsicht Bafin ermittelt, dass in dem Bereich hohe Vertriebsvergütungen in Höhe von 50 Prozent der Beiträge und mehr durchaus üblich sind. Sie fließen von den Versicherern an die Banken und werden von den Kunden als Teil ihrer Beiträge gezahlt.
Zu den größten Anbietern in Deutschland gehört die Versicherungsgruppe Talanx, die über mehrere Tochtergesellschaften Restschuldpolicen anbietet. Die Talanx-Konzerngesellschaft Lifestyle Protection kooperiert mit der Deutschen Bank, die Targo-Versicherung mit der Targo-Bank. Von der R+V kommen die Verträge, die von den Genossenschaftsbanken angeboten werden.
Die zum Sparkassenlager gehörenden öffentlichen Versicherer – dazu gehören unter anderem die Versicherungskammer Bayern, die Provinzial, die SV Sparkassenversicherung und die Versicherungsgruppe Hannover – sind ebenfalls stark in dem Geschäft engagiert. Auch der zur französischen Bank BNP Paribas gehörende Versicherer Cardif bietet Restschuldpolicen an.