Wirtschaft

Rentenstreit: Wie wär’s mit einer Rentenpauschale? | ABC-Z

Die Debatte über die
Rentengarantie der Bundesregierung
rückt eine grundsätzliche Frage wieder in
den Mittelpunkt: Wie schaffen wir ein Rentensystem, das sowohl soziale
Sicherheit gewährleistet als auch den demografischen Realitäten standhält?
Selten prallen so sichtbar zwei legitime gesellschaftliche Anliegen
aufeinander: die Bedürfnisse der heutigen Rentnergeneration und die
Verantwortung gegenüber den Jüngeren.

Die SPD weist zu Recht darauf
hin, dass die Rente für viele Menschen in Deutschland heute nicht zum Leben
reicht. Trotz jahrzehntelanger Erwerbsarbeit ist ein wachsender Anteil älterer
Menschen auf Grundsicherung angewiesen und lebt in Armut. Ihre zentrale
Forderung – vor allem niedrige Renten deutlich zu erhöhen – ist deswegen
nachvollziehbar. Wer den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft ernst nimmt,
muss hier handeln. 

Auf der anderen Seite mahnt die
Union, insbesondere ihre Junge Gruppe, die künftige Generation finanziell nicht weiter zu belasten. Die
Rentengarantie – also die Festschreibung eines bestimmten Rentenniveaus
unabhängig von der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung, die ein
ähnliches Wachstum von Renten und Löhnen vorsieht – würde enorme Kosten verursachen, die mit den
Jahren weiter steigen. Schon jetzt trägt die junge Generation die demografische
Hauptlast: Weniger Erwerbstätige finanzieren mehr Rentnerinnen und Rentner. Die
Forderung der Jungen, keine zusätzlichen strukturellen Verpflichtungen
aufzubauen, ist daher nachvollziehbar.

Beide Seiten haben ein Stück weit
recht. Darin steckt das Dilemma. Wir diskutieren, als ob höhere soziale
Sicherheit für die Älteren automatisch auf Kosten der Jüngeren gehen muss.
Dabei gibt es Wege, beides miteinander zu verbinden:

Ein neuer Vorschlag ist die
Rentenpauschale. Sie schafft Fairness und Gerechtigkeit zwischen den
Generationen und könnte die festgefahrene Debatte aufbrechen. Der Kern dieses Modells ist einfach: In den kommenden fünf Jahren (bis 2031) erhalten
alle Rentnerinnen und Rentner eine pauschale Rentensteigerung in Höhe von monatlich
50 Euro – unabhängig von der derzeitigen Höhe ihrer Rente. Für armutsgefährdete
Rentnerinnen und Rentner entspricht dies etwa einer Erhöhung von fünf Prozent
pro Jahr, das ist deutlich mehr als unter der Rentengarantie (die
beispielsweise einen Anstieg der Renten von 3,7 Prozent für 2026 vorsieht)
. Menschen gegenüber,
die im bisherigen System der
Rentensteigerung prozentual zu den Entgeltpunkten besser gestellt wären,
verpflichtet sich die Politik, die eingesparten Mittel ausschließlich zur finanziellen
Entlastung der aktiven jüngeren Erwerbsbevölkerung durch niedrigere und stabilere Beitragssätze zu verwenden.

Ein Signal der Vernunft

Damit erhält jeder denselben Steigerungsbetrag
in Euro. Dieses Vorgehen kennt man aus Tarifverhandlungen, bei denen neben
prozentualen Erhöhungen auch feste Eurobeträge gezahlt werden – gerade, um
niedrige Einkommen stärker zu entlasten. Ähnlich funktionieren
Klimageldmodelle: Eine identische Auszahlung an alle sorgt dafür, dass Menschen
mit geringeren Einkommen proportional stärker profitieren.

Dieses Rentenmodell hätte drei
Vorteile. Erstens ist es sehr gerecht. Wenn alle die gleiche Summe erhalten,
entkoppeln wir die künftige Rentensteigerung von der bisherigen Rentenhöhe. Wer
heute schon hohe Renten bezieht, bekommt nicht länger automatisch mehr als
diejenigen, die über Jahrzehnte hinweg wenig verdient haben. Die pauschale
Erhöhung wirkt also progressiv. Dies schafft Solidarität und Legitimität. Ein
solches pauschales Steigerungsmodell könnte auch für Beamtinnen und Beamten
angewendet werden und die Steigerung der Pensionslasten abmildern.

Zweitens: Die Bedürftigen
gewinnen am meisten. Eine monatliche Erhöhung um 50 Euro bedeutet für Menschen
mit sehr niedrigen Renten eine deutlich größere Verbesserung als für Personen
mit hohen Renten. Das ist zielgenauer als die Rentengarantie, die sich am Äquivalenzprinzip
orientiert und damit hohe Renten stärker anhebt als niedrige. Rentnerinnen und
Rentner, die bei der pauschalen Erhöhung künftig geringere Steigerungsbeträge
als bisher haben, sollten die Pauschale steuerfrei erhalten.

Solidarität, Zielgenauigkeit, Nachhaltigkeit

Drittens: Die junge Generation
wird weniger belastet. Der Vorschlag
verzichtet bewusst darauf, langfristige prozentuale Rentensteigerungen
gesetzlich zu fixieren, die über Jahrzehnte wirken. Es entstehen keine dynamisch
ansteigenden Zusatzansprüche, die zukünftige Beitragszahler überproportional
treffen würden. Stattdessen sieht das Modell zeitlich begrenzte, moderat
finanzierbare Ausgaben vor, die sich nicht automatisch fortschreiben. Das
gesetzliche Rentensystem bleibt also nachhaltig. Aber die Menschen müssen
weiterhin betrieblich und privat vorsorgen, um den Lebensstandard im Alter zu
sichern.

Damit ist dieser Ansatz auch eine
Alternative zum “Boomer-Soli”, den das DIW Berlin vorgeschlagen hat.
Während der Boomer-Soli auf eine gezielte und deutlich stärkere
Umverteilung zulasten bestimmter Gruppen setzt, ist das Modell der Rentenpauschale
breiter angelegt, politisch anschlussfähiger und wohl mit weniger Bürokratie
verbunden. Eine Politik, die den sozialen Zusammenhalt stärken will, muss auch
Mehrheiten gewinnen können – und das gelingt eher mit Modellen, bei denen niemand
explizit verliert. 

Natürlich löst das nicht alle
Probleme der Rente. Es ersetzt weder die langfristig nötige Reform des
Arbeitsmarkts noch Maßnahmen zur Stärkung der Erwerbsbeteiligung oder die
Debatte über das Renteneintrittsalter. Aber es bietet einen realistischen und
politisch gangbaren Weg, die Interessen der Rentnerinnen und Rentner mit den
Interessen der Beitragszahlenden in Balance zu bringen.

Deutschland braucht eine
Rentenpolitik, die Brücken baut – zwischen Arm und Reich, zwischen Alt und
Jung, zwischen sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft. Ein
pauschaler, gleicher Zuschlag für alle Rentnerinnen und Rentner wäre ein Signal
der Vernunft: Wir können soziale Sicherheit verbessern, ohne unsere finanzielle
Zukunft aufs Spiel zu setzen.

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