Wirtschaft

Rente: Der Boomer-Soli ist keine Zumutung, sondern gelebte Solidarität | ABC-Z

“Die Rente ist sicher” – dieses
Versprechen hat der damalige Bundessozialminister Norbert Blüm vor 40 Jahren auf
dem Bonner Marktplatz plakatiert. Es hat sich fest in das ikonografische
Gedächtnis der alten Bundesrepublik eingebrannt. Heute kann unsere Gesellschaft
dieses Versprechen nicht mehr erfüllen. Dass es zur demografischen Schieflage kommen wird, wenn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen, ist schon seit Langem absehbar. Dazu reiche “Volksschule Sauerland”, kommentierte das ein anderer
Sozialminister schon vor 20 Jahren lakonisch: Franz Müntefering.

Jetzt kommen die Einschläge bedrohlich
näher, und die neue schwarz-rote Koalition duckt sich weg. Sie will die
Belastungen vor allem bei den Jüngeren und Erwerbstätigen abladen, indem sie die Rentenbeiträge
und den Bundeszuschuss zur Rente kräftig erhöht. Zwar will sie längeres Arbeiten im
Alter mit der Aktivrente fördern. Aber zugleich traut sie sich nicht, die abschlagsfreie
“Rente mit 63” für sehr langjährig Versicherte zu streichen oder Abschläge für
die übrigen Frührentner zu erhöhen. Und auch das würde der Rentenkasse nur
wenig helfen. Spätestens ab Mitte der 2030er-Jahre wird das
Renteneintrittsalter wohl weiter erhöht werden müssen. Dies wird die
Belastungen nur mildern, nicht beseitigen.

Wenn man die Belastungen
gleichmäßiger auf Erwerbstätige und Ruheständler verteilen will, muss man auch
das Rentenniveau kürzen. Das wird viele enttäuschen, vor allem bekommen das Menschen mit geringen Alterseinkünften zu spüren. Das Armutsrisiko unter
Rentnern ist schon überdurchschnittlich hoch geworden in den vergangenen Jahren. Es
wird weiter steigen.

Da liegt es nahe, in der älteren
Generation umzuverteilen und die finanziellen Kosten der Alterung nicht nur auf
die junge Generation abzuwälzen. Dazu haben wir im DIW Berlin die Einführung
eines Boomer-Solis vorgeschlagen
. Diese Studie hat eine kontroverse und
auch verzerrte Debatte ausgelöst.

Die Kernaussage: Der Boomer-Soli
ist ein effektives, zielgenaues und flexibles Instrument, um zwei zentrale
gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen: die Renten bei Geringverdienenden
und Mittelschichten zu stärken, Altersarmut zu verringern und gleichzeitig die Kosten
dafür nicht durch eine noch stärkere Umverteilung von Jung zu Alt zu
finanzieren.

Er sieht vor, sämtliche Einkommen
im Alter – also Renten, Beamtenpensionen, Betriebs- und Privatrenten und auch Vermögenseinkommen
– oberhalb eines Freibetrags mit beispielsweise zehn Prozent zu besteuern.
Diese Einnahmen sollen ausschließlich dazu verwendet werden, geringe
Alterseinkünfte aufzustocken. Die etwa 40 Prozent der Rentnerinnen und Rentner
mit geringen Einkommen könnten so netto mehr Rente erhalten. In den unteren Mittelschichten
würden keine Rentenkürzungen drohen. Moderat belastet, in Höhe von unter dem
Strich maximal drei bis vier Prozent, würde in erster Linie das
einkommensstärkste Fünftel.

Es geht um Umverteilung, keine Mehrbelastung

Ein erster Kritikpunkt lautet,
der Boomer-Soli belaste Rentnerinnen und Rentner zusätzlich. Das ist offensichtlich
falsch: Die Babyboomer-Generation wird als Ganzes nicht stärker belastet. Es
wird umverteilt innerhalb der älteren Generation – von Reich zu Arm.

Eine zweite häufig geäußerte
Kritik lautet, der Boomer-Soli sei ein Bruch mit Rentenversprechen. Das stimmt
so pauschal jedoch nicht. Mit der Abschaffung des
Nachhaltigkeitsfaktors verlässt die Bundesregierung das Grundprinzip des
Umlageverfahrens, wonach das Rentenniveau angesichts der demografischen
Entwicklung sinken müsste. Der eigentliche Bruch mit dem Versprechen findet also
zulasten der Jungen statt, nicht zulasten der Babyboomer. Das gilt auch in
Bezug auf notwendige Steuererhöhungen zur Finanzierung des höheren
Bundeszuschusses, mit denen man steigende Beitragslasten der Erwerbstätigen
vermeiden will – etwa bei der Mehrwertsteuer oder bei den Vermögensteuern.

Der Boomer-Soli erfüllt hingegen ein zentrales Versprechen der sozialen Sicherung: Menschen im Alter ein
auskömmliches Einkommen zu gewährleisten und vor allem vor Armut zu schützen. Die
Altersarmut könnte deutlich sinken, um rund ein Viertel. Der Boomer-Soli
ist kein Bruch, sondern eine Möglichkeit, zentrale gesellschaftliche
Versprechen besser einzulösen.

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