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Reizblase: Symptome, Ursachen und Hilfe gegen häufigen Harndrang | NDR.de – Ratgeber | ABC-Z

Stand: 23.10.2024 10:13 Uhr
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Eine Reizblase (überaktive Blase) zeigt sich durch häufigen und plötzlichen Harndrang, obwohl die Blase noch nicht voll ist. Training und Medikamente können helfen.

von Lucia Hennerici

Eine Reizblase wird auch überaktive Blase oder Urethralsyndrom genannt, im Englischen auch kurz OAB für overactive bladder. Normalerweise hat die menschliche Blase ein Fassungsvermögen von bis zu 500 Milliliter Urin und meldet sich bei einer Füllung von etwa 300 Milliliter mit Harndrang, der uns rät aufs Klo zu gehen. Bei einer Reizblase tritt der Harndrang plötzlich unangenehm schon lange vorher auf – wichtigstes Symptom für eine Reizblase ist daher häufiger, plötzlicher Harndrang. Das schränkt die Lebensqualität Betroffener extrem ein.

Bisher bekannte Ursachen sind beispielsweise eine Blasenentzündung, Infektionen, neurologische Probleme oder Muskelprobleme der Blase. Dennoch sind nicht alle Ursachen für eine überaktive Blase vollständig geklärt. Frauen sind geringfügig häufiger betroffen als Männer.

Symptome einer Reizblase

Typische Beschwerden, die mit einer Reizblase einhergehen sind vor allem:

  • Häufiger, plötzlicher Harndrang (Pollakisurie), ähnlich wie bei Blasenschwäche
  • Druck und Schmerzen gegen Ende beim Wasserlassen (terminale Dysurie)
  • Wenn man dann aufs Klo geht: geringe Harnmengen
  • zusätzliche Toilettengänge verringern nicht die Zahl des normalen Wasserlassens am Tag, sondern kommen “on top”
  • Manchmal geht unfreiwillig Urin in kleinen Mengen ab (Dranginkontinenz)
  • Nachträufeln beim Wasserlassen
  • nächtlicher Harndrang (Nykturie)
  • Krampfartige Schmerzen rund um die Blase im Unterleib
  • Sexualleben und Menstruation können beeinträchtigt sein (vor allem durch regelmäßiges Verkrampfen der Muskeln im Unterleib).

Häufiger Harndrang: Wie oft ist “oft” bei einer Reizblase?

Als grobe Richtlinie versteht man unter häufigem Harndrang oder ständigem Harndrang im Zusammenhang mit einer Reizblase, dass Patientinnen und Patienten binnen 24 Stunden acht Mal oder öfter Wasserlassen müssen. Der Harndrang ist meist plötzlich und deshalb besonders belastend für Betroffene – sie haben das Gefühl immer in der Nähe einer Toilette sein zu müssen und auch durch die Menge an Flüssigkeit, die sie trinken, wenig an den Symptomen ändern zu können. Das sorgt zusätzlich für Stress und psychischen Druck.

Ursachen für eine Reizblase sind vielfältig

Die Ursachen für eine überaktive Blase sind noch nicht eindeutig und vollständig geklärt. Fest steht, dass die Reizblase auch durch Krankheiten, Lebensumstände oder Risikofaktoren ausgelöst werden kann, beispielsweise:

Ist die Ursache der Reizblase nicht bekannt, sprechen Ärztinnen und Ärzte von einer idiopathischen überaktiven Blase.

Behandlung der Reizblase

Die eine optimale Methode zur Therapie der Reizblase gibt es nicht. Häufig ist die überaktive Blase für Ärztinnen und Ärzte auch eine Ausschlussdiagnose – es gilt also herauszufinden, ob hinter den Beschwerden der Reizblase andere Krankheiten als Ursache stehen, mit deren Behandlung man auch die Reizblase los werden kann. Ganz allgemein gibt es gegen die Reizblase vor allem diese Optionen der Therapie:

Bewegung als Therapie gegen eine überaktive Blase

Blasentraining und Beckenbodentraining können dabei helfen dem Harndrang muskulär und mit Methoden der Verhaltenstherapie etwas entgegenzusetzen:

Beim Blasentraining versuchen Patientinnen und Patienten bewusst den Harndrang “auszuhalten” und die Abstände zwischen den Toilettengängen zu vergrößern. Es geht um die bewusste Kontrolle der Blasenmuskulatur, auch mit Mitteln der Verhaltenstherapie (zum Beispiel kann ein “Miktionstagebuch” helfen, in dem Trinkmenge und Toilettengänge festgehalten werden – das hilft bei der Erkennung von Mustern und Problemzeiten).

Training der Beckenbodenmuskulatur und Physiotherapie stärken die Muskeln im Unterleib und der Blasenregion. Das bewirkt einerseits mehr Kontrolle über jene Muskeln und somit darüber, wie lange man dem Gang aufs Klo widerstehen kann. Andererseits kann auch ungewollter Urinverlust gemindert werden, also die Dranginkontinenz. Der Beckenboden ist maßgeblich am Schließen der Harnröhre beteiligt.

Behandlung der Reizblase mit Medikamenten

Auslöser für die Symptomatik der überaktiven Blase ist grundsätzlich ein übermäßiges Andocken von Nervenbotenstoffen (genauer dem Neurotransmitter Acetylcholin) an die Rezeptoren der Harnblase – besonders an denen der Harnblasenmuskulatur. Weil solche Rezeptoren an den Muskelzellen der Blasenwand Muskarin-Rezeptoren genannt werden, bezeichnet man eine zentrale Gruppe von Medikamenten, die hier wirken soll, als “Antimuskarinika” oder Muskarin-Rezeptor-Antagonisten (MRA). Diese Gruppe von Medikamenten wird am häufigsten gegen Symptome der überaktiven Blase verschrieben. Sie hemmt das Andocken der Botenstoffe und so überaktives Zusammenziehen der Muskeln an der Blasenwand, was zu häufigem Harndrang und häufiger Blasenentleerung führt. Typen von MRAs sind zum Beispiel:

  • Oxybutynin
  • Tolterodin
  • Darifenacin
  • Trospiumchlorid
  • Desfesoterodin.

Neuere Medikamente gegen Symptome der Reizblase

Schlagen Antimuskarinika (Anticholinergika) nicht an, gibt es seit rund einem Jahrzehnt eine Gruppe neuer Medikamente: die Beta-3-Rezeptoragonisten. Bisher ist in Deutschland nur der Beta-3-Rezeptoragonist Mirabegron zugelassen. Ein zweiter – Vibegron – ist im Zulassungsprozess (die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat die Zulassung im April 2024 empfohlen). Das Wirkprinzip setzt ebenfalls bei Rezeptoren an der Blasenwand an, funktioniert aber anders: Beta-3-Rezeptoragonisten hemmen nicht das Andocken von aktivierenden Neurotransmittern, sondern fördern die Wirkung des “entspannenden” Neurotransmitters Noradrenalin an der Blasenwand – das hemmt die Muskeln der Blase und so den hyperaktiven Drang zur Blasenentleerung.

Hausmittel zur Behandlung der Reizblase

Bei einer überaktiven Blase sollten harntreibende Getränke vermieden werden – erst Recht vor dem Schlafengehen. Typische harntreibende Getränke sind zum Beispiel grüner und schwarzer Tee, koffeinhaltiger Kaffee, Fruchtsäfte, kohlensäurehaltige Softdrinks (besonders koffeinhaltige wie Cola oder auch Energydrinks).

Entspannungsübungen und Methoden der Achtsamkeit lindern Stress – ein wichtiger psychischer Risikofaktor (psychosomatischer Auslöser), der Beschwerden einer überaktiven Blase massiv verstärken kann.

Wärme (zum Beispiel mit der Wärmflasche) kann entspannend auf die Muskulatur des Unterleibs wirken und so Harndrang mindern. Kältereize im Bereich des Rumpfes sollten auf jeden Fall vermieden werden.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei einer Reizblase

  • Nervenstimulation per Reizstromtherapie / Elektrostimulation: Die Wirkung kann von außen über die Haut mit einem Impulsgeber am Kreuzbein-Nervenknoten getestet werden – der Strom stimuliert dabei Nerven und so wiederum Muskeln in der Blase.
  • Biofeedback: Dabei misst ein Sensor die Muskelspannung im Bereich des Beckenbodens und macht die Anspannung beispielsweise per App für Betroffene in verschiedenen Situationen nachvollziehbar.
  • Injektionen von Botulinumtoxin (Botox) in die Blasenwand zur Muskelentspannung
  • Operationen: zum Beispiel Einsatz eines Blasenschrittmachers, Blasenaugmentation (Vergrößerung der Blase unter Zuhilfenahme des Darms) oder Zystektomie (Entfernung der Blase und Ersatz durch künstliche Blase aus Teilen des Dünndarms)

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NDR Fernsehen I Visite I 29.10.2024 I 20:15 Uhr

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