Prozess in München: Blutiger Streit in der Karaoke-Bar – München | ABC-Z
Spätestens seit sich Scarlett Johansson und Bill Murray im legendären Film-Klassiker „Lost in Translation“ in einer Karaoke-Bar in Tokio melodiös-melancholisch anschmachteten, weiß man, dass Asiaten verrückt nach Singen in öffentlichen Bars sind. Ein Vietnamese allerdings hätte in München fast mit seinem Leben dafür bezahlt: Ein Streit mit einem Landsmann im Karaoke-Lokal eskalierte derart, dass ihm der Kontrahent mit einer Glasscherbe eine Kopfarterie durchtrennte. Das Landgericht München I verurteilte den Schläger jetzt wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten.
Dass der Angeklagte Quang N., 32 Jahre alt, mit einem relativ milden Urteil davonkam, erklärte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl mit einem erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich: Quang N. hatte sich bei dem Geschädigten entschuldigt, eine Zahlung in Höhe von 10 000 Euro veranlasst und sich bereit erklärt, auch bei späteren gesundheitlichen Problemen finanziell einzuspringen. Und: Der Geschädigte Hau H. hatte die Entschuldigung angenommen und versichert, dass er keine Rachegefühle mehr gegenüber Quang N. hege.
Der Abend, der so schrecklich endete, begann in der Asia Cuisine im Bahnhofsviertel dabei eigentlich lustig. Zwei mehr oder weniger miteinander bekannte Gruppen hatten sich an den Tischen versammelt, abwechselnd zum Mikrofon gegriffen – und man war auch immer zum Nachbartisch gegangen, um gemeinsam anzustoßen.
So hatte es auch Hau H. gehalten: Im Laufe des Abends peilte er den Nachbartisch an, um die Gläser zu heben, aber einer der Männer hatte genug vom Alkohol und lehnte ab. Nun fühlte sich Hau H. gekränkt und zurückgewiesen, holte aus und zerschmetterte sein Glas am Kopf des anderen. Der erlitt eine Platzwunde und der Wirt schritt ein und warf Hau H. aus dem Lokal.
Quang N. wollte diesen Angriff auf seinen Freund nicht auf sich sitzen lassen, stürmte aus dem Lokal, stolperte und fiel mit zwei Gläsern in der Hand zu Boden. Die Gläser brachen, doch zurück in der Hand blieben große Scherben des Glasbodens. Im gegenseitigen Gerangel gelang es Quang N., mit den Scherben in der Hand mehrfach auf Kopf und Gesicht von Hau H. einzuschlagen. Dabei durchtrennte er an der rechten Kopfseite die dort verlaufende Arteria temporalis vollständig. Aufgrund eines kreislaufrelevanten Blutverlustes, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage, „bestand für den Geschädigten ein akut das Leben gefährdender Zustand“.
„In rechtlicher Hinsicht wertete die Kammer die Tat als versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung“, teilte Gerichts-Pressesprecher Laurent Lafleur nach der Urteilsverkündung mit. Bei mehreren Schlägen mit einem zerbrochenen Bierglas in die Richtung des Kopfes, des Halses und des Gesichts sei davon auszugehen, dass der Angeklagte erkannt habe, dass dies zu tödlichen Verletzungen führen könne. Er habe den Tod des anderen billigend in Kauf genommen. Die 1. Schwurgerichtskammer habe aber weder das Mordmerkmal der Heimtücke noch niedrige Beweggründe erkannt.
Letztlich aber, so die Kammer, sei das Tatmotiv einer „Ausübung von Selbstjustiz“ nahegekommen. Zulasten des Angeklagten wiege auch, dass der Geschädigte bis heute unter den deutlich sichtbaren Narben im Gesicht leide. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Verteidigung kann in Revision gehen.




















