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Reihe „An der Tanke“ in Brandenburg: „Schule gemacht, Maurer gelernt. Arbeit gab es ja.“ | ABC-Z

An der Tanke in Brandenburg

„Schule gemacht, Maurer gelernt. Arbeit gab es ja.“


Bild: rbb

Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein Rentner und leidenschaftlicher Angler über Aale für China und was Tiefbau mit den Knien macht.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die „An der Tanke“ entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

Wer: Rentner aus Schweinrich
Alter: 77 Jahre
Uhrzeit: 14:19 Uhr
Getankt: für 40 Euro
Woher: vom Kaffeetrinken
Wohin: nach Hause

 

Wir kommen schon an der Zapfsäule ins Gespräch. Nach dem Tanken stellt er sein Auto auf dem Parkplatz ab. Da er zu Fuß nicht so gut unterwegs ist, bleibt er für das Gespräch auf dem Vordersitz seines Autos sitzen.

Gesundheitlich geht es mir nicht so gut, ich habe es ganz schlimm mit den Knien. Meine Frau ist vor zwei Jahren verstorben. Ja, nun bin ich alleine und na ja, man muss eben damit fertig werden. Ich bin ganz alleine zu Hause in der Wohnung. Mein Sohn wohnt acht Kilometer weit weg und ist außerhalb zum Arbeiten, der kommt auch selten mal vorbei.

Da muss man sich ein bisschen fit halten, dass man noch einkaufen kann und alles. Naja, ich gehe ein bisschen spazieren zu Hause. Ich habe ein großes Grundstück und da ist auch immer was zu machen. Im Sommer Rasenmähen mit dem Trecker. Viehzeug habe ich abgeschafft. Ich hatte noch Karnickel, Enten und Hühner, das hab ich alles abgeschafft. Das ist alleine zu viel geworden.

Ich wohne hier seit 1956. Damals hat man nicht viel drauf gegeben, weil man einfach nur gearbeitet hat, aber ist ein Haufen neu entstanden hier – mit den Neubauten, die haben wir ja alle gebaut damals – von Tief- und Hochbau. Ich habe im Tiefbau gearbeitet, 47 Jahre lang. Maurer gelernt. Davon kommt das auch mit dem Knie.

Ich bin leidenschaftlicher Angler, ich treib mich viel am Wasser rum. Esse auch gerne Fisch. Ich angle auf Karpfen. Aale beißen ja nicht mehr. Bei uns gibt es keine Aale mehr, die werden alle vorher weggefangen. Die Chinesen brauchen die ja.

Er lacht laut.

Damit sie Ihre Manneskraft beweisen können – für die Medizin.

Zu Ostzeiten, da hat der Fischer immer noch Nachwuchs reingesetzt und da hat man dann drei, vier Jahre immer wieder schöne Aale geangelt. Aber das ist ja nun alles vorbei.

Da sitze ich immer von morgens um vier bis abends um zehn und dann fahr ich nach Hause. Jetzt gerade ist es zu kalt, da beißt der Karpfen sowieso nicht mehr. Der würde noch beißen, aber verfrieren möchten wir ja auch nicht, ne?

Er lächelt freundlich.

Die Ruhe! Die Rohrspatzen im Schilf, wenn die zwitschern. Man sieht die Eisvögel umherfliegen. Ja, das ist schon interessant.

Ich bin ja von der Ostseeküste, Rügen. Meine Eltern hatten da eine Wirtschaft. Meine Mutter ist schwer krank geworden, und dann konnte sie nicht mehr. Dann hat Vater die Wirtschaft verkauft und wir hatten die Tante hier in Schweinrich. Die hat uns ein Haus vermacht und dann musste ich mit sechs Jahren mit, sonst wäre ich gerne an der Ostsee geblieben.

Schule gemacht, Maurer gelernt. Arbeit gab es ja. Ich hätte nie gedacht, dass es hier mal so wird wie im Westen. Wenn man im Fernsehen sieht, dass die Leute unter den Brücken schlafen. Das hätte ich nie gedacht. Aber der Staat will das eben so. Der ist mehr für die Ausländer da als für uns. Muss ich sagen!

Ich interessiere mich eigentlich gar nicht für Politik, aber wenn ich immer sehe im Fernsehen – man kann hinschalten, wo man will – ich will jetzt keine Namen nennen, aber die Frau, die fährt ja nur im Ausland umher. Wie da die Millionen weggehen. Oder der Kanzler – was der jetzt wieder versprochen hat an Milliarden.

Warum geben die uns sowas nicht? Warum ist bei uns der Strom so teuer? Warum müssen wir so viel für Gas bezahlen? Das ist das, was mich im Jahr 2024 bewegt hat.

Im Oktober habe ich noch ein Schreiben gekriegt, dass der Preis für Erdgas 2025 stabil bleibt. Jetzt im November habe ich eine Gas-Erhöhung gekriegt, ab Januar 60 Euro mehr im Monat. Na, dann sollen sie doch nicht erst schreiben, dass der Preis stabil bleibt! Das ist das, was ich nicht abkann. Dass man die Leute so belügt.

Was die Neuwahl angeht – ich nehme mal an, das wird vielleicht am Anfang besser werden und nachher wird es wieder so, wie es war. So schätze ich das mal ein. Aber ich gehe wählen, da sorgt mein Sohn schon für.

Er lacht.

Der meckert mit mir. Wenn ich vorher sage, ich gehe nicht zur Wahl, dann sagt er: Alter, du spinnst doch wohl, jede Stimme zählt, sagt er.

Das neue Jahr? Eigentlich steht nichts an. Für mich persönlich und familiär. Für die Kinder möchte ich, dass sie alle gesund bleiben und öfter mal vorbeikommen. Und dass wir noch ein bisschen zusammen angeln gehen. Der Sohn und der Enkel angeln ja auch. Dass wir uns öfter am Wasser treffen.

Das Gespräch führte Jonas Wintermantel, rbb24.

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