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Regierungserklärung in Frankreich: Regieren im Schleudersitz | ABC-Z

Paris taz | Vor den Abgeordneten der französischen Nationalversammlung hielt der vor Weihnachten ernannte Premierminister François Bayrou seine Antrittsrede mit der Regierungserklärung. Darin skizzierte er sein Rezept, mit dem er es als Regierungschef besser machen möchte als sein konservativer Vorgänger Michel Barnier, der nach nur drei Monaten im Amt bei einer Vertrauensabstimmung von den für ein Votum vereinten Oppositionsfraktionen gestürzt wurde.

Der Zentrumsdemokrat aus den Pyrenäen, der in den Jahren zuvor als graue Eminenz den Staatspräsidenten Emmanuel Macron beraten hatte, ist sich nur zu gut bewusst, dass seine Ausgangslage denkbar schlecht ist. Frankreich steckt in einer politischen und finanziellen Krise, nie seit dem Zweiten Weltkrieg sei Frankreich so sehr verschuldetet gewesen, sagt Bayrou. Er verfügt in der Nationalversammlung nicht über eine regierungsfähige Mehrheit und ist dem Goodwill der Opposition ausgeliefert.

Bayrou zitiert eine Umfrage, laut der 84 Prozent seiner Landsleute denken, dass seine Regierung nicht bis zum Sommer überleben werde. „Ich weiß nicht, woher sie diesen Optimismus nehmen“, scherzt der Regierungschef mit viel Ironie. Sehr ernst ist er aber, wenn es um den hohe Verschuldung Frankreichs geht. „Die dramatische Situation verpflichtet uns, mutig zu sein“, meint Bayrou. Die drastisch verschlechterte Finanzlage sei nicht nur wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf, sie verhindere auch politische Lösung, wenn sie nicht erstens mit völliger Transparenz und zweitens mit einem verantwortungsvollen Staatshaushalt angegangen werde.

In kürzester Zeit soll bei einer „Flash-Mission“ der wahre Zustand der öffentlichen Finanzen geprüft und dann uneingeschränkt der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Alle bisherigen Regierungsparteien hätten eine Mitschuld am heutigen Schuldenberg, meinte Bayrou, der auch die Oppositionsfraktionen daran erinnert, sie hätten sich mit ihren ständigen Forderungen nach Mehrausgaben ebenfalls „alle beim Tango der Verschuldung mitgetanzt“.

Streitpunkt Rentenreform bleibt zunächst

Seinen Vorschlag für den Staatshaushalt des laufenden Jahres will Bayrou erst Ende des Monats vorlegen. Darin werde er bedeutende Einsparungen vorschlagen. Dank eines Wachstums von 0,9 Prozent möchte er das Defizit bis Ende 2025 auf 5,4 Prozent und bis 2029 auf die seit Langem angestrebten 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken. Diese Debatte und die unvermeidliche Vertrauensabstimmung dürfte zu einem Test für Bayrous politische Existenz werden.

In einem anderen Streitpunkt, der in Frankreich sehr umstrittenen Reform von 2023 mit der Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre, will Bayou etwas Handlungsspielraum und Zeit gewinnen. Er spielt den Ball an die Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeber) weiter, die unter sich „in einem Konklave“ eine Einigung finden sollen.

Im Herbst könnte dann „ohne Tabus“ über eine neue Reform diskutiert werden. Selbst die Frage des gesetzlichen Ruhestandalters könnte in Frage gestellt werden, solange das vorgegebene Ziel der langfristigen Finanzierung der Altersvorsorge dem nicht geopfert werde. Falls sich nicht rasch eine akzeptable Lösung abzeichne, müsse die verabschiedete Reform weiter umgesetzt werden, präzisiert der Premierminister.

Das entspricht nicht den Forderungen der linken Opposition, die im Minimum eine Pause oder besser noch eine definitive Rücknahme der Reform verlangt hatte. Die radikale Linkspartei La France insoumise will darum umgehend einen Misstrauensantrag einreichen. Beim Votum, voraussichtlich am Donnerstag, dürfte sich indes keine Mehrheit gegen Bayrou ergeben, da die Rechtspopulisten von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) und auch ein Teil der Linken die Regierung wenigstens bis zur Haushaltsdebatte gewähren lassen wollen.

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