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Regierung führt offenbar Gespräche mit Taliban über Abschiebungen | ABC-Z

Stand: 14.09.2025 15:43 Uhr

Die Bundesregierung will mehr Menschen nach Afghanistan abschieben. Dafür führt sie laut Bild-Zeitung nun direkte Gespräche mit den islamistischen Taliban. Die Internationale Organisation für Migration sieht jedoch hohe Hürden für Rückkehrer.

Direkte Verhandlungen mit den militant-islamistischen Taliban – das galt lange als Tabu. Nun hat sich die Bundesregierung nach Informationen der Bild-Zeitung zu Gesprächen über weitere Abschiebungen nach Afghanistan entschlossen.

Anfang des Monats hätten sich deutsche Vertreter des Ministeriums mit den Taliban in Katar getroffen, um einen regulären Abschiebe-Mechanismus zu etablieren. Derzeit werde eine Entsendung deutscher Vertreter in Afghanistans Hauptstadt Kabul organisiert, um die Gespräche vor Ort fortzusetzen. Vertreter Katars seien dabei als Vermittler tätig. Die islamistischen Taliban bemühen sich um internationale Anerkennung und nutzen dafür auch gezielt Verhandlungen über Rückführungen.

Die Bundesregierung unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu den Taliban, die seit August 2021 wieder in Afghanistan an der Macht und wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten international isoliert sind.

Mehr Abschiebungen per Linienflug geplant

Minister Alexander Dobrindt erklärte, die Bundesregierung wolle “reguläre und regelmäßige Rückführungen nach Afghanistan ermöglichen”. Dazu gebe es Gespräche “auf technischer Ebene mit afghanischen Vertretern”, sagte der CSU-Politiker.

Ziel der Gespräche ist laut Bild, Abschiebungen von Deutschland nach Afghanistan zu vereinfachen. Die Bundesregierung stehe kurz davor, diese Abschiebungen massiv auszuweiten, heißt es in dem Bericht weiter. Sie sollen demnach deutlich leichter, regelmäßiger und in größerem Maßstab ablaufen als bisher. Die Abschiebungen sollten nicht mehr nur mit Charter-Flugzeugen durchgeführt werden, sondern auch per Linienflug. Mit der Hilfe von Katar wurden zuletzt zwei Sammelabschiebungen organisiert.

IOM hat Unterstützung für freiwillige Ausreise ausgesetzt

Die Lage für Rückkehrer ist nicht einfach. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) sieht die Rückführungen deshalb kritisch. Viele der zwangsweise zurückgeführten Menschen täten sich mit dem Neuanfang in der alten Heimat extrem schwer, sagt die Leiterin der IOM-Operation in Afghanistan, Mihyung Park. Nicht umsonst stehe Afghanistan aktuell auf der Liste der Staaten, für die IOM ihre Unterstützung für freiwillige Rückkehr vorübergehend ausgesetzt beziehungsweise eingeschränkt hat.

Park lobt die Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union für die Vereinten Nationen, die Rückkehrer nach Afghanistan an den verschiedenen Grenzübergängen in sogenannten Empfangszentren mit dem Nötigsten versorgen. Dazu gehöre etwa Bargeld, um zumindest die Weiterreise bis zum Zielort innerhalb Afghanistans zu finanzieren. Auch Nichtregierungsorganisationen sind dort aktiv.

Für viele eine Rückkehr ohne Perspektive

Das Ankommen sei jedoch schwierig. “Einige dieser Menschen haben noch nie dort gelebt.” Andere hätten, um ihre Flucht oder Auswanderung zu finanzieren, Häuser und Land verkauft, teilweise auch Schulden aufgenommen und stünden deshalb nun vor dem Nichts. Frauen werde zudem der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu höheren Bildungsabschlüssen systematisch verwehrt.

Hinzu kommen Menschen, die wegen ihrer Tätigkeit vor dem Machtwechsel in Kabul führende Positionen im Regierungsapparat hatten, beziehungsweise aufgrund ihrer Arbeit als Journalistinnen oder Menschenrechtler Verfolgung durch die islamistischen Taliban befürchten.

Pakistan schiebt ab – darunter Menschen mit deutscher Aufnahmezusage

Nicht nur aus Deutschland werden Menschen nach Afghanistan abgeschoben, die meisten Rückführungen von Afghaninnen und Afghanen gab es seit Anfang 2023 aus dem Iran und Pakistan, das zuletzt mehr als 200 Menschen ins Nachbarland abschob, die eine Aufnahmezusage für Deutschland hatten. Bei ihnen handelt es sich um ehemalige Ortskräfte oder Personen, die als besonders gefährdet gelten.

Da die deutsche Botschaft in Kabul seit dem Fall Afghanistans an die Taliban im August 2021 geschlossen ist, durchlaufen sie in Pakistans Hauptstadt Islamabad ein Prüfverfahren. Mehr als 200 von ihnen waren im August von den pakistanischen Behörden festgenommen und zur afghanischen Grenze gebracht worden. Zudem gab es Hinweise auf weitere Festnahmen.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte: “Es besteht ein Konsens mit der pakistanischen Regierung, die Aufnahmeverfahren bis zum Jahresende geordnet abzuschließen.” Anfang des Monats kamen 47 Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage per Linienflug über Istanbul nach Deutschland. Sie hatten zuvor auf Erteilung eines Visums geklagt.

Auch die Türkei schiebt Afghanen ab

Auch aus der Türkei gibt es regelmäßig Charterflüge mit Afghanen an Bord. Diese Menschen, die in der Regel ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen und dann in geschlossenen Zentren untergebracht werden, reisen zwar nach Darstellung der türkischen Behörden freiwillig aus. Nichtregierungsorganisation wie der European Council on Refugees and Exiles (ECRE) beurteilen den Prozess allerdings anders.

Der ECRE berichtet, im vergangenen Jahr seien in der Türkei 65.815 Afghanen als irreguläre Migranten festgenommen worden. In diesem Jahr waren es demnach bis zum 8. Mai 16.268 Staatsbürger Afghanistans.
Viele der Afghanen, die in türkischen Städten leben, arbeiten dort mit dem Ziel, genügend Geld für eine Weiterreise nach Europa mit einem Schmuggler zu verdienen.

IOM rechnet dieses Jahr mit etwa drei Millionen Rückkehrern

Die Chefin von IOM-Afghanistan berichtet, in diesem Jahr hätten Pakistan und der Iran insgesamt etwa zwei Millionen Menschen nach Afghanistan zurückgeführt. Für das Gesamtjahr rechne man mit etwa drei Millionen Rückkehrern.

Sehr schwierig sei es im Juli gewesen, als das Ende einer von den iranischen Behörden verfügten Ausreisefrist für Afghanen ohne Aufenthaltstitel mit den Angriffen Israels auf den Iran zusammenfiel. Im Juli seien täglich zwischen 30.000 und 40.000 Menschen über die Grenze gekommen – “das kann nicht bewältigt werden”, sagt Park. Aktuell kämen weniger als 10.000 pro Tag.

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