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Rede zur Lage der EU: Von der Leyen bekennt sich zur Atomkraft | ABC-Z

Es ging ein Raunen durch das Plenum des Europaparlaments, als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU auf das Thema Wettbewerbsfähigkeit zu sprechen kam. Der Übergang von der Situation im Gazastreifen war vielen Abgeordneten offenkundig zu hart. „Aber das ist eine Rede zur Lage der Union, und die Wettbewerbsfähigkeit ist ein zentraler Aspekt davon“, hielt die EU-Kommissionspräsidentin dagegen.

Im Anschluss listete von der Leyen auf, was die Kommission schon getan und angekündigt hat, um Bürokratie abzubauen und den europäischen Binnenmarkt zu stärken. Kurz fiel auch der Name von Mario Draghi, der im vergangenen Jahr in seinem viel beachteten Bericht Vorschläge zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt hatte.

Viel Neues hatte von der Leyen dazu am Mittwoch in Straßburg nicht anzukündigen. Die Kommission will einen Fahrplan für den Binnenmarkt bis 2028 vorlegen. Ein Gesetz zur industriellen Beschleunigung soll wichtige Sektoren und Technologien fördern. Details nannte sie nicht. Aber das hat von der Leyen in ihren Reden zur Lage der EU noch nie getan. Es geht immer zunächst um plakative Ankündigungen, auch um möglichst viele Interessengruppen zufriedenzustellen. Wie viel Sub­stanz diese Ankündigungen haben, zeigt sich meist erst Monate später.

„Das Bestmögliche herausgeholt“

Den US-Präsidenten Donald Trump erwähnte von der Leyen in der Rede nicht ein Mal. Umso vehementer verteidigte sie die im Sommer mit ihm ausgehandelte Vereinbarung gegen die anhaltende Kritik. „Wir haben das Bestmögliche für Europa herausgeholt“, sagte sie. Im Vergleich zu anderen Handelspartnern der USA hätten die europäischen Unternehmen sogar einen relativen Vorteil, weil ihre Zölle insgesamt niedriger seien. Sie bekräftigte, dass die Umwelt- oder Digitalregulierung trotz der wiederholten Angriffe Trumps nicht verhandelbar seien.

Die Autoindustrie wartet unterdessen nach wie vor darauf, dass Trump die US-Zölle wie zugesagt auch für sie auf den Basiszollsatz von 15 Prozent senkt. Sollte sie auch deshalb darauf gehofft haben, dass von der Leyen ihr weitere Erleichterungen in Aussicht stellt, sah sie sich enttäuscht. Immerhin findet am Freitag in Brüssel der nächste Strategische Dialog zur Zukunft der Autoindustrie statt. Die Forderungen nach einer Abschaffung des Verbrennerverbots 2035 zumindest griff von der Leyen nicht auf.

Die Präsidentin wiederholte nur, was sie seit nunmehr über einem Jahr dazu sagt: Die Kommission prüft, wie das Ziel technologieneutral ausgestaltet werden kann. Was das heißt, bleibt unklar. Geht es nur darum, auch nach 2035 Verbrenner zuzulassen, die mit klimaneutralen Kraftstoffen betankt werden? Oder ist die Kommission bereit, dass Ziel, wie von der deutschen Autoindustrie gefordert, weiter aufzuweichen? Neu war in von der Leyens Rede nur die Ankündigung einer Initiative für kleine, bezahlbare Autos – ohne dass sie Details nannte.

Zur Klimapolitik sagte von der Leyen wenig

Die Kommissionspräsidentin kündigte zudem ein Batterie-Booster-Paket an, das 1,8 Milliarden Euro für die Produktion in Europa bereitstellen soll. Zur Klimapolitik, immerhin dem Kernthema ihrer ersten Amtszeit, sagte von der Leyen wenig. Sie wiederholte das bekannte Mantra, dass der grüne Wandel eine Chance für die Industrie sei, sie aber auch unterstützt werden müsse. Dazu soll die dauerhafte Einführung von Schutzzöllen für Stahl beitragen. Zudem will die Kommission die Vergabe öffentlicher Aufträge daran knüpfen, ob die Anbieter aus Europa kommen („made in Europe“),

„Wir müssen an unseren Klimazielen festhalten“, sagte von der Leyen wohl auch mit Blick auf die Diskussion über das Klimaziel 2040. Hier gibt es momentan Widerstand dagegen, dass der Ministerrat das wie geplant in der kommenden Woche beschließt. Die Kommission will den Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent verglichen senken. Darauf sollen allerdings beschränkt Projekte in Drittstaaten angerechnet werden können. Einige EU-Staaten dringen unter Führung Frankreichs darauf, erst den EU-Gipfel im Oktober darüber entscheiden zu lassen. Die Hürde wäre damit höher, weil die Entscheidung dann einstimmig fallen muss.

Um die Energiepreise zu senken, setzt von der Leyen weiterhin auf den Ausbau der erneuerbaren Energie. Sie ergänzte jedoch ausdrücklich „mit Kernenergie für die Grundlast“. Das klare Bekenntnis zur Atomenergie markiert eine Kehrtwende, die mit dem Regierungswechsel in Berlin begonnen hat. Zuvor hatten Berlin und Paris stets darüber gestritten, welche Rolle die Kernenergie spielen soll.

Ein Netzpaket soll den Ausbau des Stromnetzes fördern

Die SPD hält in der schwarz-roten Koalition zwar daran fest, dass der Atomkraft nicht die Zukunft gehört. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte aber im Juni an einem Treffen der „Nuklear-Allianz“ teilgenommen, zu der die atomkraftfreundlichen EU-Staaten sich zusammengeschlossen haben. Von der Leyen hat das offenkundig als Signal verstanden, dass Deutschland sich nicht mehr gegen Atomenergie sperrt. So sah schon ihr Vorschlag für das mehrjährige EU-Budget 2028 bis 2034 im Juli vor, dass der Bau neuer Atomkraftwerke gefördert werden kann.

Ein Netzpaket soll den – für den Ausbau der Wind- und Sonnenkraft nötigen – Ausbau des Stromnetzes fördern und die Genehmigungsverfahren beschleunigen. Eine Initiative für Energieautobahnen soll acht kritische Engpässe in der Infrastruktur beheben. Details und Zeitpläne nannte sie jedoch nicht. Die Initiative soll offenbar Regierungen und Versorgungsunternehmen zusammenbringen. Die genannten Engpässe sind weitgehend bekannt. Das gilt etwa für die Anbindung des Stromnetzes der Iberischen Halbinsel an das restliche Europa. Es geht allerdings nicht nur um Stromleitungen. Die Kommission will auch Wasserstoffkorridore vom Mittelmeer bis zur Nordsee sowie in Südwesteuropa fördern.

Eine wichtige Rolle spielte in der Rede die Sozialpolitik. Von der Leyen hat insbesondere das Thema der Wohnungsnot zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit auf die Agenda gesetzt. Das war ein Zugeständnis, um die Unterstützung der Sozialdemokraten zu gewinnen. Sie kündigte einen EU-Wohnraumgipfel an. Sie will nun die staatlichen Beihilfen auch in diesem Feld aufweichen, um Subventionen für den Bau zu erleichtern. Die EU-Kommission hat das unter anderem schon in der Energie- und Agrarpolitik getan. Für die Bauern wiederum soll das Werbebudget für eine Kampagne „Kauf europäisches Essen“ aufgestockt werden.

Von der Leyen zeigte eine gewisse Offenheit für die Einführung von Altersgrenzen in den sozialen Medien. „Ich bin überzeugt, dass Eltern Kinder großziehen sollten – und nicht Algorithmen“, betonte sie. Australien sei Vorreiter bei der Beschränkung sozialer Medien. Sie werde bis Ende des Jahres eine Expertengruppe beauftragen, über das beste Vorgehen für Europa zu beraten.

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