Rechtsextreme Anschlagserie in Berlin: Neuköllner Neonazis müssen in Haft | ABC-Z

Das Berliner Kammergericht hat die Revision zweier wegen Brandstiftungen verurteilter Neonazis verworfen. Die Männer müssen mehrere Jahre ins Gefängnis.
Die beiden Verurteilten, bislang auf freiem Fuß, dürften daher bald eine Ladung zum Haftantritt erhalten. Ex-NPD-Kader Sebastian T. muss für dreieinhalb Jahre, der ehemalige AfD-Politiker Tilo P. für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis.
Die Haftstrafen hatte das Landgericht Berlin im Dezember 2024 in einem Berufungsprozess verhängt. Die Richter*innen sahen es als erwiesen an, dass T. und P. unter anderem die Autos des heutigen Bundestagsabgeordneten Ferat Koçak (Linke) und des Buchhändlers Heinz Ostermann angezündet hatten. Außerdem wurden sie wegen gemeinsam begangener Sachbeschädigungen und Propagandadelikten verurteilt, T. auch wegen Coronabetrug.
Die Große Strafkammer des Landgerichts verwarf damit einen vorangegangenen Freispruch des Amtsgerichts Tiergarten, das in erster Instanz keine ausreichenden Beweise für die zwei Brandstiftungen hatte erkennen können. Tatsächlich gab es keine Fingerabdrücke oder DNA-Spuren der beiden Männer an den Tatorten, was auch das Landgericht im Berufungsurteil einräumte. Für den Schuldspruch reichten den Richter*innen jedoch zusammengeführte Indizien – was jetzt das Kammergericht als Revisionsinstanz nicht beanstandete.
Die Terrorserie ist noch lange nicht aufgeklärt
Mit dem nunmehr rechtskräftigen Urteil ist die rechte Terrorserie in Neukölln allerdings noch lange nicht aufgeklärt. Seit 2009 werden antifaschistische Orte und Menschen in dem Bezirk angegriffen. Dem Komplex werden mindestens 23 Brandstiftungen und 50 weitere Straftaten zugerechnet. Auch die Morde an Burak Bektaş und Luke Holland zählen Aktivist*innen dazu.
Unterdessen sind in den vergangenen Jahren immer wieder Ungereimtheiten und Versäumnisse bei den Ermittlungen sowie Hinweise auf mögliche Verstrickungen von Polizisten in den Tatkomplex ans Licht gekommen. Zum Beispiel will der Verfassungsschutz im Jahr 2018 ein Treffen eines Beamten des Berliner Landeskriminalamts mit Sebastian T. in einer Kneipe in Rudow beobachtet haben – was die Polizei später dementierte.
Mit Vorkommnissen wie diesem beschäftigt sich seit 2022 ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus. Vor rund einem Monat beendete das Gremium nach 49 Sitzungen die Beweisaufnahme. Bis Anfang 2026 wollen die Abgeordneten nun den Abschlussbericht sowie Handlungsempfehlungen verfassen. Politiker*innen der Opposition und Aktivist*innen kritisieren jedoch, dass viele Fragen offen bleiben – unter anderem, weil die Behörden die Herausgabe von Akten verweigerten und Beamt*innen in Anhörungen mauerten.
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