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Thomas Müller: Das Kicken war des Müllers Lust | ABC-Z

Da geht etwas unschön auseinander. Thomas Müller wollte mehr, aber bekam es nicht. Er habe immer noch sehr viel Spaß, “ungeachtet meiner Spielminuten”, um Titel zu kämpfen, schreibt er in einem Statement, geteilt auf seinen Social-Media-Profilen. “Diese Rolle hätte ich mir auch im nächsten Jahr gut vorstellen können.”  

Aber der FC Bayern braucht seinen alten Torjäger nicht mehr. Sein Verein traf die harte Entscheidung, ihm keinen neuen Vertrag anzubieten. In wenigen Wochen wird Müller sein letztes Spiel im roten Trikot bestreiten. Man könnte es auch so sehen: Statt sie selbst zu treffen, hat Müller seinen Verein die harte, aber absehbare Entscheidung treffen lassen. Beide Parteien haben sie getrennt kommuniziert, in durchaus unterschiedlichen Tonfällen. 

Es war mal eine große Liebe zwischen Thomas Müller und den Bayern, sie endet nun mit einem Misston. Es ist eine einzigartige und ungewöhnliche Karriere, denn Müller ist ein ungewöhnlicher Fußballprofi. Er ist der Normalokicker, dem auf den ersten Blick fast niemand eine solche Karriere zugetraut hatte.

Wenn man ihm gut möchte, könnte man sagen: Dem 35-Jährigen ist der Spieltrieb eines Kindes geblieben. Er hat noch immer unendlich Lust auf Fußball, auf Titel, auf Kabine, auf Tore. Das Kicken ist des Müllers Lust. 

Man könnte es aber auch so sehen: Müller hat den Zeitpunkt verpasst, über das Ende selbst zu bestimmen. Der Weltmeister war schon lange Ersatzspieler. Müller hat es nicht gemacht wie Philipp Lahm, den Verein und Verband baten, weiterzumachen, als er aufhörte. Er hat eher einen Weg eingeschlagen wie Lothar Matthäus, der seine grandiose Vita ebenfalls mit einem überflüssigen Spätwerk belastete. 

Thomas Müller spielte für zwei Fußballvereine: den TSV Pähl, seinen Heimatverein. Und den FC Bayern München. Er ist eine Vereinslegende. Auf ein Vierteljahrhundert FC Bayern blickt der Landbua zurück. Erst in der Jugend, später anderthalb Jahrzehnte davon bei den Profis. Elfmal in Serie wurde er Meister, bald steht sein 500. Bundesliga-Spiel an. Alle für den FC Bayern, mehr als jeder andere Spieler dieses Vereins. 

Müller war immer ein Unikum, dessen Laufwege und Treffer in keinem Lehrbuch zu finden sind. Kein motorisches Genie wie Lionel Messi oder ein physisches Wunder wie Cristiano Ronaldo. Müller war eine Alltagsfigur, dem der Ball zwischen seinen dünnen Haxn versprang, der ins Stolpern geriet, der nicht mal ordentlich rückwärtslaufen konnte. 

Und doch war Müller der, der zweimal das Triple gewann, weil er den Ball mit irgendeinem Körperteil reinmüllerte. So einen Typen findet man auf jedem Bolzplatz. So gut wie jeder kennt jemanden, einen ehemaligen Klassenkameraden oder einen Nachbarn, der ihn an Müller erinnert. Daher konnten sich viele, auch außerhalb des Freistaats, mit ihm identifizieren. Manche fragen wehmütig: Wird es so jemanden jemals wieder geben? 

Die sportlichen Argumente hat der FC Bayern

Der Umgang des Vereins mit dieser Legende war nicht gut. Der Sportvorstand Max Eberl hatte Müller Anfang des Jahres zu verstehen gegeben, dass es weitergehe. Korrigiert hat dies dann Uli Hoeneß, der wahre Chef, ein paar Wochen später. Für Eberl selbst könnte es bald gefährlich werden. 

Aber die sportlichen Argumente? Die hat der FC Bayern. Der Beitrag Müllers zum Erfolg wurde immer geringer. Schon unter Niko Kovač war er umstritten. In dieser Bundesliga-Saison hat er erst ein Tor geschossen. Und irgendwann sah man nicht mehr jemanden, der seine Mannschaft dirigiert, wenn er sie mit den Armen zum Pressing auffordert. Sondern einen, der sinnlos rumfuchtelte. Der Sehrgutverdiener Müller wurde mehr und mehr zur Folklore. 

Hat Müller das nicht gemerkt? Schon bei der Nationalmannschaft verpasste er den Zeitpunkt zum Abtritt. Nach dem Aus in Katar 2022 deutete er in einer emotionalen Rede im TV seinen Rücktritt an. Man konnte seine Worte nicht anders verstehen. Dann folgte der Rücktritt vom angedeuteten Rücktritt. Die Euro 2024 verbrachte er auf der Bank. Loslassen ist nicht seine Stärke. 

Denn seine Tiefs waren auch in der DFB-Auswahl nicht zu übersehen. Ein unlustiger Fakt zu Müller: Er spielte acht Turniere für Deutschland, traf aber nur in zweien, 2010 in Südafrika und 2014 in Brasilien. Sein letztes Turniertor für Deutschland erzielte er beim 7:1 gegen den Gastgeber, das ist elf Jahre her. Seitdem war Müller immer Teil der Mannschaft, die fünfmal nicht mehr im Halbfinale stand.

Da könnte noch eine Pointe sein

Das Gespür für den richtigen Moment zum Abtritt hat er nicht. Das Gespür vor dem Tor wird er nicht verlernt haben, seine Stärke ist das intuitive, blitzschnelle Erkennen der Situation im Strafraum. Und da ist noch eine Pointe möglich. Der FC Bayern hat etwas vor in dieser Saison. Ende Mai will er das Champions-League-Finale bestreiten und gewinnen.  

Das findet in München statt, Finale dahoam Teil 2. Im ersten Teil, im Jahr 2012, schoss Müller die Bayern kurz vor Schluss in Führung. Dann wurde er ausgewechselt und die Sache ging noch schief. Nach einigen Verletzungen fällt nun auch noch Jamal Musiala aus, der exakt auf Müllers Position spielt. Der Torinstinkt des scheidenden Thomas Müller wird vielleicht noch mal gebraucht.
 

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