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Reaktionen zu Solingen: Bewusstlose Migrationspolitik | ABC-Z

Geht nicht gibt’s nicht. Klingt wie aus einem Volkshochschulkurs für Macher. Ist aber auch keine schlechtere Politik-Maxime als „Da kann man nichts machen“, „Weiter so“ oder „Wir werden das prüfen.“ Aber man kann sich auch zu Tode evaluieren.

In der Migrationspolitik gibt es nichts mehr zu prüfen. Die Fakten sind klar. Das rechtliche Fundament ist es auch. Sicher, man kann alles so oder so auslegen. Aber ob man es vom Ende (wie Angela Merkel gern von sich behauptete) oder vom Anfang her denkt: Es fehlt meist nicht am Recht. Straftäter schneller abschieben? Diese uralte Forderung jetzt wieder zu einem Hauptthema zu machen, klingt heute geradezu zynisch. Das sind doch diejenigen, die schon das Messer nicht nur in der Tasche hatten. Es ist im Übrigen schon strafbar, Waffen oder gefährliche Gegenstände auf Versammlungen mit sich zu führen. Es ist auch längst möglich, Migranten wieder – zum Beispiel – nach Syrien zurückzubringen. Der Reiseverkehr dorthin ist nur ein Beleg für die Rechtslage.

Die Schutzpflicht des Staates

Natürlich hat der Staat die Pflicht, Straftaten zu verfolgen und die Bürger vor weiteren Untaten zu schützen. Aber bevor man sich gegenseitig nun in vermeintlicher Härte überbietet und ausreisepflichtige Straftäter ­unbefristet wegsperren möchte oder alle Energie in weitere angebliche Abschiebungsverbesserungsregeln steckt, sollte man die eigenen Scheuklappen entsperren. Zur Schutzpflicht des Staates gehört die Pflicht, ein Problem bei der Wurzel zu packen.

Die Wurzel ist die unkontrollierte Einwanderung. Auch hier hilft die Rückbesinnung auf die Staatsfunktionen, auf die offene Ordnung des Grundgesetzes und seine europäische und internationale Einbettung. Das Problem ist nicht das individuelle Grundrecht auf Asyl als solches. Es wurde lange auch nicht als besondere Herausforderung angesehen – weil die Lage eine andere war.

Das Problem für das Deutschland von heute ist, dass das Land wie eine einzige Einladung an alle Welt wirkt, hier Zuflucht zu finden und bleiben zu können – mit zuletzt stark gestiegenen Chancen gar auf eine Einbürgerung. Nach dem von einer breiten, verfassungsändernden parlamentarischen Mehrheit getragenen Asylkompromiss von 1993 wurde beklagt, nun sei das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft worden. Dabei führte der Gesetzgeber das Asylrecht nur auf seinen Kern zurück. Schutz vor politischer Verfolgung bieten auch alle Staaten, die Deutschland umgeben. Wer also auf dem Landweg nach Deutschland kam, hatte hierzulande keinen Anspruch auf Asyl. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte das und hob auch hervor, dass das Grundrecht auf Asyl auch komplett gestrichen werden könne.

Wenn freilich, trotz zahlreicher auch europäischer Anstrengungen, weiterhin die Mehrzahl der Migranten nach Deutschland will, weil der Sozialstaat immer noch extrem anziehend ist und der ausgewachsene Rechtswegestaat einen Verbleib fördert, so muss die Herausforderung an den Grenzen angegangen werden.

Das EU-Mitglied Finnland, die neue NATO-Wacht im Norden, erlaubt nunmehr Zurückweisungen an seiner langen Grenze zu Russland. Bisher ist das Theorie. Doch den Schutz ihres Territoriums vor einer von Moskau gelenkten Massenmigration wird Brüssel den Finnen kaum versagen können. Auch Deutschland, von EU-Ländern umgeben, muss in Kooperation mit seinen Partnern und selbst in Absprache mit ganz anderen Regimen handeln; das betrifft Grenzkontrollen, Zurückweisungen, externe Asylverfahren, Abschiebungen.

Das hat seinen Preis – aber der beträgt nur einen Bruchteil der langfristigen Kosten des laufenden Imports von Gewalt, religiösem Terror und Fanatismus, dazu Konflikten sowie kultureller Übernahme.

Europäische und deutsche Werte

Hier geht es um europäische Werte. Klar ist aber auch: Deutschland trägt die Letztverantwortung für sich selbst – für seine Existenz als souveräner, Recht und Freiheit verpflichteter ­Verfassungsstaat. Die Europäische Union ist weiterhin ein Verbund souveräner Staaten, deren Grundordnung allein der Verfügung der Mitgliedstaaten unterliegt. Den Mitgliedstaaten muss nicht nur aus deutscher Sicht ausreichend Raum zur Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse bleiben. Das gilt, wie es das Bundesverfassungsgericht fasste, insbesondere für den von den Grundrechten der Bürger geschützten Raum der Eigenverantwortung und der Sicherheit sowie für politische Entscheidungen, die in besonderer Weise auf Vorverständnisse angewiesen sind.

Doch das Verständnis der Verfassung interessiert offenbar auch die kaum, die einen Eid zu seiner Verteidigung geschworen haben. Die Weichen werden seit Jahren anders gestellt. Der demokratische Rechtsstaat wird kontinuierlich preisgegeben. Nötig ist keine Revolution, sondern eine Rückbesinnung auf unser Fundament. Doch es fehlt das Bewusstsein dafür.

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