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Reaktion auf Solingen-Attentat: Merkels Schweigen ist so traurig wie bezeichnend | ABC-Z

Islamistischer Terror wie in Solingen, die Hetze gegen Juden, die Stärke der AfD, die Energiekrise, die Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft, die Polarisierung, die Misere der Ampel – all das hat auch mit der Politik der Ex-Kanzlerin zu tun. Doch Angela Merkel sagt lieber nichts.

Deutschland im Sommer 2015. Das Innenministerium rechnet für das ganze Jahr mit ungefähr 800.000 Flüchtlingen. In Städten und Gemeinden werden erste Unmutsäußerungen laut. Ende August geht Angela Merkel in die Bundespressekonferenz, um zentrale Botschaften zu verkünden. „Wann immer es darauf ankommt, sind wir – Bundesregierung, Länder und Kommunen – in der Lage, das Richtige und das Notwendige zu tun.“ Und weiter: „Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das.“

Im Oktober 2015 wiederholte die damalige Kanzlerin den Satz bei „Anne Will“: „Wir schaffen das.“ Und wie immer stellte sie ihre Politik als alternativlos dar, als den einzig möglichen Pfad: „Stellen Sie sich vor, wir würden jetzt erklären, wir schaffen es nicht – und dann?“ Deutschland müsse „in eine Situation kommen, wo wir den nächsten Tag besser planen können“. Als ihre „ganz spezielle Aufgabe, dafür bin ich Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland“, bezeichnete sie, „dieses Problem zu lösen. Und da muss ich meinen Weg auch gehen.“

Machtpolitik entlang der Umfragen

Wir schaffen das. Die drei Wörter verkörperten Mut und Entschlossenheit. Doch Merkel fehlte es an beidem. Sie ließ vor allem Länder und Kommunen ihre Idee vom grenzenlosen Humanismus verwirklichen oder auch: ausbaden. Agieren dieser Art gehörte zum Politikstil der Christdemokratin, die ihren Kurs 16 Jahre lang weitgehend nach Umfragen ausrichtete und weniger nach einem inneren Kompass. Die einzige Konstante ihrer Regierungszeit war der Wille zum Machterhalt. Merkel richtete ihre Politik danach aus, was ihr bei Wahlen Zuspruch garantierte und zu selten an den Notwendigkeiten sowie nachhaltigen Bedürfnissen des Landes.

Natürlich handelte Merkel 2015 auch aus Mitmenschlichkeit. Allerdings darf man getrost davon ausgehen, dass sie nicht so entschieden hätte, wäre die Stimmung in der Bevölkerung damals eine andere gewesen, wären Flüchtlinge nicht mit Willkommensschildern, Blumen und Teddys empfangen worden. Zudem sah sie sich weniger als Regierungschefin, sondern vielmehr als Krisenmanagerin für Situationen, in denen es darum ging, „den nächsten Tag besser planen (zu) können“. Das war genau ihr Ding, wie sich zuletzt in der Corona-Pandemie zeigte, als sie noch einmal die hochgelobte und geschätzte „Mutti“ geben durfte, die den Menschen das Gefühl vermittelte, es zu richten – unbestreitbar eine ihrer Qualitäten.

Nur ersetzen gute (und schlechte) Gefühle keine langfristig ausgerichtete Politik. Merkel traf Entscheidungen mit Wirkung für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte, kümmerte sich aber so gut wie nicht um damit verbundene Folgen, selbst wenn sie früh und klar absehbar waren. Hierfür stehen längst nicht nur die Jahre 2015 und 2016, sondern ebenso die Gefahren durch die teure Euro-Rettung, der Appeasement-Kurs mit Putin sowie der Atomausstieg. Die Kernkraftwerke abzuschalten, ohne zugleich entschlossen die Struktur für Erneuerbare Energien aufzubauen, ist ein Fehler, der sich bitter rächen sollte.

Nach Solingen bricht die Union mit „Wir schaffen das“

Die Folgen bekam das gesamte Land zu spüren. Das muss nun erleben, wie die maßgeblich von Merkel erzeugte Wir-schaffen-das-alles-ohne-Kollateralschäden-Blase platzt. Die Ampelkoalition bemühte sich, einige gravierende Mängel zu beheben, scheiterte allerdings kläglich mit den Reparaturversuchen – und bekam obendrein auf den Straßen und bei Wahlen die Wut der Enttäuschten ab, die bis dahin Merkel traf. Nutznießerin der Misere ist die AfD. Sie war 2015 ein zerstrittener Haufen am Rande der Fünf-Prozent-Hürde. Die Christdemokratin hat deutlichen Anteil daran, dass die Partei wiederbelebt worden ist, indem sie ihr mit der „Flüchtlingswelle“ ein Thema bescherte, das nach wie vor mobilisiert und Wähler bindet.

Merkels Uneinsichtigkeit, ihre Unfähigkeit, Fehler einzugestehen, leisteten der Polarisierung Vorschub. Im Sommer 2016 nannte sie von Flüchtlingen begangene, islamistisch motivierte Terroranschläge in Deutschland „erschütternd, bedrückend und auch deprimierend“. Zugleich wiederholte die damalige Kanzlerin aber: „Wir schaffen das.“ Ohne wiederum zu erklären, wer mit „wir“ gemeint ist. Zum wachsenden Unmut in der Bevölkerung erklärte sie: „Deshalb werden wir durch Taten alles daran setzen, Menschen, die heute sich vielleicht nicht ausreichend verstanden fühlen, wieder zurückzugewinnen.“

Das Wieder-Zurückgewinnen gelang nicht ansatzweise, auch weil die „Taten“ ausblieben, wie man an den „konsequenten Abschiebungen“ und den „schnelleren Asylverfahren“ sieht, die schon Merkel versprach. Vertrauen ging dadurch weiter verloren, die Gesellschaft ist zerstrittener denn je. Durch ihr ausdrückliches Meiden jeder Kritik am Islam gerieten die Religion und Muslime umso mehr unter Generalverdacht. Merkels Konzept, die dunklen Seiten ungesteuerter Einwanderung durch Überbetonung der lichten Seiten kleinzureden, starb spätestens mit dem Anschlag von Solingen. Die Union unter CDU-Chef Friedrich Merz brach radikal mit Merkels Vorstellungen einer Willkommenskultur ohne Wenn und Aber.

Schweigen um des eigenen Denkmals willen

Vor drei Jahren machte sich die Ex-Kanzlerin – wenn auch nicht ganz freiwillig – rechtzeitig vom politisch unbearbeiteten Acker und überließ es anderen (siehe oben), sich um die Folgen ihrer nicht oder schlecht erledigten Arbeit zu kümmern. Sie selbst setzte sich in ihr Kämmerlein und schrieb eine Autobiografie. Darin wird sie – alles andere wäre eine riesige Überraschung – ihre Entscheidungen zu Euro, Putin, Flüchtlingswelle und Atomkraft bis auf Winzigkeiten als alternativlos verteidigen und lobpreisen wird. Denn Merkel ist nicht frei von Eitelkeit.

Ihre Selbstgefälligkeit ist auch der Grund dafür, warum sie schweigt und sich nicht im Geringsten zu tages- und zögerlich zu weltpolitischen Themen äußert. So vermeidet es die Ex-Kanzlerin, Zielscheibe von Kritik zu werden. Das Massaker der Hamas in Israel vergangenen Oktober verurteilte Merkel „auf das Schärfste“, später auch die antiisraelischen Demonstrationen in der Bundesrepublik. Seither kein Wort zu Israel. Was nur logisch erscheint. Denn sonst könnte die Frage diskutiert werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem wachsenden Hass auf Juden hierzulande mit der Zunahme an Einwanderung aus muslimisch geprägten Ländern besteht.

Noch gruseliger war ihr wochenlanges Schweigen zum Überfall Russlands auf die Ukraine. Während Gerhard Schröder immerhin den Mumm hatte, sein verwerfliches Verhältnis zu Putin zu verteidigen, brauchte Merkel Ewigkeiten, sich zu erklären. Erst zehn Monate nach Kriegsbeginn verströmte sie in der „Zeit“ einen Hauch Selbstkritik: „Wir hätten schneller auf die Aggressivität Russlands reagieren müssen.“

Jeder weiß: Islamistisch motivierter Terror wie der in Solingen, die Hetze sowohl gegen Juden als auch Muslime, die Stärke der AfD, die Energiekrise, die Misere der Ampelkoalition – alles hat mit der Politik der Angela Merkel zu tun. Doch sie sagt zu all dem: nichts. Das ist irritierend – und sehr traurig.

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