Rainer Zitelmann: Ein „pro- und contra“ wird zum Welt-Skandal | ABC-Z
Die WELT AM SONNTAG hat einen Beitrag des Unternehmers Elon Musk veröffentlicht, in dem er zur Wahl der AfD aufruft. Der Beitrag wurde zusammen mit einer Entgegnung des designierten Chefredakteurs Jan Philipp Burgard abgedruckt, der Musk deutlich widerspricht. Überschrift: „Warum Elon Musk auf die AfD setzt – und warum er dabei irrt.“
In der WELT-Redaktion ist die Aufregung groß. Die für das Meinungsressort zuständige Mitarbeiterin Eva Maria Kogel kehrte nach Jahren der Abstinenz auf Elon Musks Plattform X zurück, um dort zu erklären: „Ich habe immer gerne das Meinungsressort von WELT und WAMS geleitet. Heute ist in der Welt am Sonntag ein Text von Elon Musk erschienen. Ich habe gestern nach Andruck meine Kündigung eingereicht.“ Der angesehene Redakteur Robin Alexander springt ihr bei und erklärt, ebenfalls auf X: „Ihr Weggang ist ein schwerer Verlust.“
„Freifahrtschein für rechtspopulistischen Milliardär“?
Sogar die Tagesschau berichtete und ein Bundesminister schaltete sich wegen des pro- und contra-Beitrages ein: Gesundheitsminister Karl Lauterbach ließ auf X wissen: „Respekt für die Gegner der Veröffentlichung. Dass man sich politische Macht jetzt immer einfacher kaufen kann, wird der Demokratie noch sehr stark schaden. Wenn Zeitungen mitmachen, schaufeln sie ihr eigenes Grab und sind nicht besser als soziale Medien.“ Der Deutsche Journalistenverband gab eine Presseerklärung nur zu diesem Beitrag ab und „protestiert gegen den Freifahrtschein für den rechtspopulistischen Milliardär Elon Musk“.
Die Aufregung verrät viel über die politische Unkultur in Deutschland. DIE WELT hat über Jahre unzählige kritische Beiträge gegen die AfD veröffentlicht. Häufig hat sie Gastbeiträge von linken Politikern und anderen Autoren veröffentlicht, die nicht der Linie des Blattes entsprechen, so beispielsweise Gastbeiträge von ehemaligen Vorsitzenden der Linkspartei wie Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine oder Susanne Hennig-Wellsow.
An Welt-Gastautor Žižek, der Mao bewundert, stört sich keiner
Regelmäßig schreibt in der WELT der slowenische Philosoph Slavoj Žižek, der in seinem letzten Buch bekannte: „Was wir heute brauchen ist eine Linke, die ihren Namen zu nennen wagt, keine Linke, die ihren Kern schamhaft mit einem kulturellen Feigenblatt verhüllt. Und dieser Name lautet Kommunismus.“ Žižek fordert die Linke auf, den sozialistischen Traum eines „gerechten“ Kapitalismus aufzugeben und radikalere, „kommunistische“ Maßnahmen zu ergreifen. Klar formuliert Žižek als Ziel: „Die gegnerische Klasse muss zerstört werden.“ Ein Mann übrigens, der sich stolz mit einem Stalin-Foto über dem Bett ablichten lässt und der Maos „Großen Sprung nach vorne“ als vorbildlich preist, bei dem 45 Millionen Chinesen umkamen.
In keinem dieser Fälle ist eine WELT-Redakteurin zurückgetreten, der Journalistenverband protestierte nicht und auch kein Bundesminister meldete sich aus Sorge um die Demokratie zu Wort. Dabei wurden diese Gastbeiträge – anders als der von Musk – unkommentiert abgedruckt und es gab kein „contra“ des Chefredakteurs.
Ja, Musk wirbt für die AfD. Aber was bezwecken Autoren wie Wagenknecht oder Saskia Esken, wenn sie in der WELT schreiben? Natürlich auch, für ihre politischen Positionen und ihre Parteien zu werben. Es geht ja hier nicht um Unterhaltung der Leser.
Hat Musk Recht?
Ich bewundere Elon Musk sehr für seine unternehmerische Leistung. Er hat mit dem Starship etwas geschafft, was weltweit in Jahrzehnten keine staatliche Raumfahrtbehörde geschafft hat und damit schon jetzt Geschichte geschrieben.
Und das ist nur eine von vielen grandiosen Leistungen des genialen Ausnahme-Unternehmers. Auch politisch liegt er aus meiner Sicht oft richtig, so etwa mit seiner Unterstützung für den libertären argentinischen Präsidenten Javier Milei. Im Fall der AfD scheint er mir dagegen nicht ganz richtig informiert zu sein. Zu Recht lobt er die Position der AfD zum Thema Kernkraft und verweist auch auf die gescheiterte Migrations- und Energiepolitik, die von der AfD kritisiert wird. Wäre die AfD so, wie Musk sie beschreibt, könnte ich die Partei auch unterstützen. Aber so ist sie nicht.
Auf den Vorwurf des Rechtsextremismus geht Musk nur kurz ein: „Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!“ Nun, widerlegt die lesbische Beziehung von Alice Weidel schlagend den Rechtsextremismus-Vorwurf? Ich finde, das ist ein abwegiges Argument. Bekanntlich war auch der Führer der SA, Ernst Röhm, homosexuell – Homosexualität und Rechtsextremismus schließen sich nicht aus.
Die AfD ist nicht so, wie Musk sie beschreibt
Ich halte Alice Weidel allerdings nicht für eine Rechtsextremistin. Aber Musk hat ein Bild der AfD, das vielleicht vor zehn Jahren richtig war. Inzwischen hat sich die Partei leider gewandelt. Musk stellt die AfD als wirtschaftsliberale Partei dar, doch inzwischen haben Antikapitalisten immer mehr Einfluss gewonnen. Manche beziehen sich sogar explizit auf Marx und Engels, während Libertäre wie Ludwig von Mises oder Friedrich August von Hayek ihre Feindbilder sind.
Antiamerikanismus und Antikapitalismus sind besonders in den neuen Bundesländern in der Partei stark. Elon Musk könnte dies wissen, denn in Brandenburg hat sich die AfD gegen den Bau und die geplante Erweiterung seiner Tesla-Fabrik gestellt.
Wortführerin war die AfD-Landtagsabgeordnete Kathi Muxel aus Grünheide, die sich offensiv als Tesla-Gegnerin positioniert hat. Die AfD stand hier in einer Front mit linken Antikapitalisten, die gegen Tesla demonstriert haben.
Große Teile der AfD verharmlosen den russischen Diktator Putin
Musk übersieht auch, dass große Teile der AfD den russischen Diktator Putin zumindest verharmlosen. Reden des AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla klingen, als seien sie im Kreml geschrieben. Und stolz feierte Chrupalla – ausgestattet mit einer Krawatte in den Farben der russischen Fahne – in der russischen Botschaft den Tag des Sieges der Sowjetunion über Hitler-Deutschland.
Erst unlängst fantasierte er in einem Interview von einem Nato-Austritt. Man hat den Eindruck, jedes seiner Worte ist so gewählt, dass es Putin gefallen soll. Auch sprach er sich gegen die Unterstützung Israels aus. Das alles unterscheidet Leute wie Chrupalla übrigens von Javier Milei, der klar pro-Ukraine, Anti-Putin, pro-Nato ist.
Also: Man kann vieles an dem Musk-Artikel kritisieren. Aber eines nicht: Dass DIE WELT ihn veröffentlichte. Die Aufregung zeigt die Linksverschiebung des politischen Spektrums in Deutschland: Über die häufigen Gastbeiträge eines Stalin- und Mao-Verherrlichers regt sich keiner auf (außer mir), wegen der Veröffentlichung eines pro-AfD-Beitrages zusammen mit einer Entgegnung des Chefredakteurs Jan Burgard stehen viele Kopf.
Der Historiker Rainer Zitelmann ist Verfasser des Buches „
Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs (Anzeige)“, in dem Hitlers Antikapitalismus herausgearbeitet wird.