Rainer Esser verlässt „Zeit“-Spitze 2026, bleibt aber Chefberater | ABC-Z

Der „Zeit“-Verlag und die Wochenzeitung, die dort erscheint, stehen gut da. Das Blatt findet Leser, die Auflage wird mit 636.600 verkauften Exemplaren angegeben, die Zahlen stimmen. Dass dem so ist, hat damit zu tun, dass sich die „Zeit“ sehr früh sehr genau dafür interessiert hat, was ihre Leserinnen und Leser von ihr erwarten. Dafür steht der Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der das Blatt seit 2004 führt und in diesem Jahr mit Jochen Wegner einen Ko-Chefredakteur bekommen hat. Und dafür steht Rainer Esser, der Vorsitzende der Geschäftsführung des „Zeit“-Verlags.
Seit 27 Jahren ist er der Topmanager der „Zeit“, am 1. Februar 2026 gibt er seinen Posten ab, bleibt aber „Executive Adviser“, also „Leitender Berater“ der Holtzbrinck Publishing Group und Mitglied des Aufsichtsrats der „Zeit“. Er bleibt zudem Geschäftsführer der DvH Medien GmbH, der Dieter von Holtzbrinck Medien-Gesellschaft. Die DvH Medien ist eine Holding, zu ihr gehören die Handelsblatt Media Group („Handelsblatt“, „Wirtschaftswoche“), die „Tagesspiegel“-Gruppe und 50 Prozent der „Zeit“-Verlagsgruppe.
In Rente oder Pension geht Esser also nicht, er gibt nur seinen sichtbaren operativen Posten ab. Und sein Nachfolger bei der „Zeit“, Nils von der Kall, der bislang als Chief Commercial Officer fungiert, wird sich darauf einstellen müssen, dass ihm der „Alte“ reinredet. Mit so viel konstantem Erfolg im Rücken wäre alles andere eine Überraschung. Esser weiß nicht nur, was für die „Zeit“ gut ist, sondern gibt auch gerne der Branche Tipps, die allerdings nicht immer gut ankommen. So vertritt er seit Jahren einen den Digitalplattform-Konzernen zugeneigten Kurs. Bei den Klagen gegen Google und Meta auf Lizenzzahlungen für die gesamte Presse macht die „Zeit“ nicht mit, und die Konkurrenz des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks hält Esser für weitgehend unproblematisch.
Das sehen, wie sich zuletzt an einer Kontroverse Ende des vergangenen Jahres ablesen ließ, insbesondere die Regionalverlage anders. Wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen durchfinanziert ist, müssen sie um jedes Abo kämpfen. Und was den zahmen Kurs der „Zeit“ gegenüber Google und den anderen Big-Tech-Giganten angeht, verweisen Essers Kritiker darauf, dass er und die „Zeit“ wegen der Sonderbehandlung, die ihnen etwa Google zukommen lasse, fein raus seien. Wer bei dem Auswahlprogramm „Google News Showcase“ oder der „Google News Initiative“ dabei sei (die F.A.Z. zählt auch dazu) und dafür über die Jahre siebenstellige Summen vereinnahme, habe gut reden. In Essers Augen wiederum, das ließ er immer wieder durchblicken, haben viele in der Branche die Zeichen der Zeit nicht erkannt, sondern über Jahre ignoriert. Wir werden weiter von ihm hören, so viel ist sicher.





















