Grafing bleibt vorerst auf Kosten für Entsorgung von Munitions-Altlasten sitzen – Ebersberg | ABC-Z

Bestand für die Bevölkerung von Grafing bis Ende Januar 2022 eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit? Im Kern wird es die Antwort auf diese Frage sein, die darüber entscheidet, ob die Stadt auf Kosten von rund einer Dreiviertelmillion Euro sitzen bleibt, die Anfang des vorvergangenen Jahres für die Entsorgung von Munitions-Altlasten im Melakweiher angefallen sind. Weitere rund 460 000 Euro versucht man auf dem Gerichtsweg einzutreiben – mal wieder. Denn ein erster Versuch ist nun gescheitert, wie kürzlich bekannt wurde.
Dass die Grafinger bei Kriegsende Waffen und Munition im Melakweiher versenkt hatten, war in der Stadt weitgehend bekannt. Wie viel explosives Material indes dort lagerte, brachte erst die im Januar 2022 begonnene Entsorgung wortwörtlich ans Licht. Insgesamt wurden rund eine halbe Million Patronen für Karabiner gefunden – und das war der unbedenklichste Teil. Denn die Kampfmittelbeseitiger stießen auch auf eine Phosphorbombe sowie eine zweistellige Anzahl an Granaten und Panzerfaust-Sprengköpfen.
:Scharfer Fund im Weiher
In einem Grafinger Weiher wird am Ende des Zweiten Weltkriegs „belastendes Material“ versenkt. Ein Team von Kampfmittelfeuerwerkern birgt jetzt Gewehre, Handgranaten und sogar eine Phosphorbombe. Sie ist nie explodiert.
Besonders letztere haben die Kosten in die Höhe getrieben und zu der nun für die Stadt möglicherweise teuren Gerichtsentscheidung geführt. Wie Bürgermeister Christian Bauer (CSU) auf Nachfrage erklärt, hatte man für die Melak-Räumung mit zwei Firmen Verträge abgeschlossen. Die eine war für die Beseitigung der Munitions-Altlasten zuständig, die andere sollte den von explosiven Resten gesäuberten Schlamm entsorgen.
Ein erstes Gerichtsverfahren um die Kosten der Entsorgung hat die Stadt bereits verloren
Allerdings war wohl zumindest ein Kontingent Schlamm nicht vollständig munitionsfrei, es enthielt eben einen der Panzerfaust-Sprengköpfe. Woraufhin die für die Schlamm-Entsorgung zuständige Firma eine erneute Untersuchung des Aushubs forderte, was mit rund 460 000 Euro zu Buche schlug. Wer diese Mehrkosten zu tragen habe, war zunächst Streitpunkt vor dem Landgericht in München, dieses entschied im Sinne der Entsorgerfirma. Die Stadt legte Berufung beim Oberlandesgericht ein, doch diese wurde, wie Bauer nun bekannt machte, abgewiesen.

:Nachspiel mit Sprengkraft
Die Überreste des Zweiten Weltkriegs aus einem Grafinger Weiher sind nun endlich weggeräumt, doch die Aktion für mehr Hochwasserschutz könnte die Stadt sehr teuer zu stehen kommen.
Dennoch habe man in Grafing weiter die Hoffnung, dass man dieses Geld erstattet bekommt, so der Bürgermeister – als nächstes will man es bei der Versicherung des Kampfmittelbeseitigers versuchen. Das Argument der Stadt: Dieser habe fälschlicherweise den Aushub als sicher freigegeben und darum die Mehrkosten durch eine erneute Untersuchung zu tragen. Wie Bauer weiter ausführt, habe man bereits einen Anwalt angeheuert, der Experte für genau solche Fälle sei.
Der Bund übernimmt unter Umständen die Kosten für Kampfmittel-Räumungen
Der Fachmann soll für die Stadt aber auch noch einen wesentlich größeren Ausstand eintreiben: Die restlichen fast eine Dreiviertelmillion Euro, welche die Melak-Aktion gekostet hat. Laut Bauer will man dieses Geld vom Bund – konkret vom Innenministerium – zurückfordern.
Und da kommt die Gefahr für Leib und Leben ins Spiel. Denn zwar sind grundsätzlich die Eigentümer einer mit Munitionsresten belasteten Fläche für die Entsorgung zuständig und müssen die Kosten dafür tragen. Im konkreten Fall also die Stadt Grafing. Allerdings lässt sich aus Artikel 120 des Grundgesetzes eine Kostenübernahme des Bundes ableiten, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens eben, die unmittelbare Gefahr für Leben oder die Gesundheit – was man bei der Art und Menge der gefundenen Waffenreste durchaus bejahen kann.

:„Die Munition redet mit dir“
Im Grafinger Melakweiher wird eine Panzerabwehrmine gezielt in die Luft gejagt. Für das Team um Sprengmeister Torsten Thienert sind solche Arbeiten zwar Alltag, zur Routine werden sie deshalb aber noch lange nicht.
Zweitens müssen die Altlasten „Kampfmittel des Deutschen Reichs“ sein – und hier könnte es interessant werden. Denn in der Melak waren unter anderem auch Gewehre und Patronen aus alliierter Produktion gefunden worden – und der wohl explosivste Fund, die Phosphorbombe, ist wohl ein Blindgänger, der nach einem Luftangriff 1944 im Weiher versenkt wurde.
Zumindest das mit der Gefahr hat sich seit der Räumaktion erledigt – laut Bauer sogar in doppelter Hinsicht: Nicht nur sind die Munitionsreste weg, der Weiher könne durch das Ausbaggern des Schlamms auch wieder dem Hochwasserschutz der umliegenden Stadtgebiete dienen, bei Starkregen soll das Wasser dorthin abfließen. Ob und wann der Stadt indes ein Geldregen zufließt, bleibt abzuwarten.