Kultur

Queerer Club SchwuZ in Berlin-Neukölln: Ein letzter Tanz | ABC-Z

E ins wird am SchwuZ immer unschlagbar gewesen sein: der Cringe-Faktor. Gegen Mitternacht an Halloween gibt es Karaoke. Auf dem großen Floor wird „Shine bright like a diamond“ gegrölt. Eine betrunkene Hetero-Fee flirtet mit zwei irritierten Twinks.

SchwuZ ist vorbei. Nach dem Hin und Her um die Insolvenz des Neuköllner Queer-Clubs gehe ich ein letztes Mal tanzen. Auf einmal ging es schnell. Mein Unterstützer*innen-Abo hat nichts geholfen, außer dass ich damit an der Schlange vorbeistöckeln darf.

Ich bin traurig. Aber eine Clubnacht ist keine Trauerfeier. Mein Gefühl war zuletzt, dass viele das SchwuZ-Ende so schnell wie möglich verdauen wollen. Ein Freund, der den Laden noch aus den frühen 2000ern kennt, winkt ab – er will ihn lieber so erinnern, wie er früher war. Ein anderer sagt, das SchwuZ hätte schon lang seine Richtung verloren. Eine Partybekanntschaft neulich hat sich aufgeregt, die Musik werde immer schlechter, weil sie jetzt gemafreie Remixes spielen würden, um Geld zu sparen.

Ich kann das nicht beurteilen. Mein einziger Maßstab ans SchwuZ war immer, dass es da ist. Dieser legendäre queere Club war vieles – aber niemals cool. Die sexy Outfits selbstgebastelt, die Perücken verrutscht, die Drag-Performances entweder ungeprobt oder overthinked. Die Anlage bei Techno gnadenlos überfordert.

Quasi bedingungslose Liebe

In einer Ecke steht ein schwarzer Sarg mit „RIP Schwuz“ drauf. Ein älterer Typ ohne Kostüm guckt betroffen – oder doch nur gelangweilt? Eine Anime-Prinzessin ruft einer Trümmertunte zu, sie soll nicht in die Kotze treten.

Pop-Kitsch, Camp und Antiperfektionismus, das sind die Stärken der Kreuzberg-Neuköllner Szene. Motto: Solange wir einen Raum haben, in dem wir existieren können, ist es wurscht, was wir drin machen und wie gut. Das ist quasi bedingungslose Liebe. Du willst professionelles Make-up? Dann bezahl mir doch ein Grundeinkommen!

Aber mit dem Bezahlen ist genau der Knackpunkt. Irgendjemand muss ja, und die Club­gän­ge­r*in­nen tun es offensichtlich nicht mehr. Die Krisen sorgen dafür, dass die einen keine Kaufkraft mehr haben und die anderen ihre lieber in Wertpapiere anlegen. Wobei man wahrscheinlich erst, wenn der letzte Queer-Space verschwunden ist, merken wird, dass man sich an ETFs nicht ausheulen kann.

Ein gutaussehender dicker Holzfäller steht in der Ecke und weiß nicht so richtig, wohin mit seiner Plastik-Axt. Eine Frau hält eine andere an, um ihr ein Kompliment zu ihrem Schnurrbart zu machen.

Verdammt, ich hab gar keine Lust, pessimistisch zu sein. Ich schaff’s aber auch nicht mir einzureden, dass ich das SchwuZ schon längst überhatte.

Kein Ende, sondern Veränderung

Also was bleibt? Ein weiterer Freund hat neulich angemerkt, dass eine Industriehalle verlieren ja nicht dasselbe ist wie eine Community verlieren. „Irgendwo müssen die ganzen Tunten ja hin“, hat er gesagt. Wenn man das so sieht, dann ist das hier kein Ende, sondern eine Veränderung.

Ich nehme Abschied auf dem kleinen Floor, der war mir immer lieber. Es werden Remixes gespielt, vielleicht gemafrei? Ich bin mir sicher, dass es so was hier irgendwo in Berlin wieder braucht: queer, politisch, gender- und age-mixed. Vielleicht wieder mehr bezahlbar und wieder mehr chaotisch als zuletzt, definitiv jedenfalls cringey und peinlich.

Auf dem Weg nach draußen plaudere ich mit der Klofrau. Sie macht das seit 15 Jahren, ruft sie über das Geschnatter am Waschbecken. Wie es für sie weitergeht? „Ach, das hier ist nur eine Pause. Das SchwuZ kommt zurück.“ Sie muss es ja wissen.

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