Politik

Quadrell bei RTL und ntv: Bei „Wer wird Millionär“ wäre Scholz eine Runde weiter | ABC-Z

Olaf Scholz zeigt sich angriffslustig im Quadrell von RTL und ntv, aber letztlich ist er wieder in der Defensive. Friedrich Merz will zwar lieber in die Opposition als ins Dschungelcamp. Doch am Ende dürfte ihm beides erspart bleiben.

Immerhin einen messbaren Erfolg hatte das Quadrell von RTL und ntv am Sonntagabend für Bundeskanzler Olaf Scholz: Er gewann die „Wer wird Millionär“-Frage. Gegen Ende der Sendung wollte Moderator Günther Jauch von den vier Kanzlerkandidaten wissen, wieviel Prozent der Beamten bis zur gesetzlichen Altersgrenze arbeiten.

Wie bei seiner Sendung bei RTL gibt es vier mögliche Antworten. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz und AfD-Chefin Alice Weidel entscheiden sich für 60 Prozent. Grünen-Frontmann Robert Habeck tippt auf 40 Prozent. Nur Scholz, der als Letzter antwortet, weiß es: Es sind lediglich 20 Prozent. „Dann wären Sie eine Runde weiter“, sagt Jauch. „Das ist mein Plan“, sagt Scholz.

Er scheint tatsächlich daran zu glauben. Als die vier Politiker zum Schluss jeweils 60 Sekunden für ein Schlusswort bekommen, sagt Scholz, er glaube, die Sendung habe gezeigt, dass „am besten die SPD und der amtierende Bundeskanzler“ eine Runde weiterkommen.

Doch der Sieger heißt Merz

Als Sieger des TV-Duells sahen die Zuschauer allerdings nicht Scholz, sondern Merz, ergibt eine Zuschauerbefragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa für RTL/ntv. Auf die Frage, wer sich „insgesamt am besten geschlagen“ habe, nennen 32 Prozent Merz, 25 Prozent Scholz und jeweils 18 Prozent Habeck und Weidel. Eine andere Frage fällt noch eindeutiger aus: „Wem trauen Sie am ehesten zu, das Land zu führen?“ Hier entfallen 42 Prozent auf Merz, 19 Prozent auf Scholz, 16 Prozent auf Weidel und 13 Prozent auf Habeck.

Den Turnaround, den Umschwung in der Stimmung in Deutschland, hat Scholz mit dem Quadrell also offenkundig nicht geschafft. Dabei zeigt er sich angriffslustig, geht in die direkte Auseinandersetzung mit Merz und auch mit Weidel. Die greift ihrerseits vor allem Merz an. Merz wiederum teilt Richtung Rest-Ampel aus und macht deutlich, dass eine Zusammenarbeit mit Weidel für ihn keinesfalls infrage kommt. Habeck ist weniger aggressiv als der Kanzler und wirkt dadurch blass. Immerhin macht ihn das am Ende in der Zuschauerbefragung zum sympathischsten Teilnehmer – die einzige Kategorie, in der er vorn liegt.

Streit um Migration – und um J.D. Vance

Beim ersten Thema, der Migration, referiert Scholz, dass die Ampel die irreguläre Migration im vergangenen Jahr um 100.000 Personen reduziert habe, und es werde auch in diesem Jahr „eine Reduzierung um 100.000 geben“. Gemeint ist offenbar die Zahl der Asylanträge, wie der Faktencheck des „Stern“ zeigt.

Nur interpretiert Merz die Zahlen ganz anders: Zurzeit kämen in vier Tagen so viele Personen neu an, wie in einem Monat abgeschoben würden. „Das heißt, der Zustrom hält an.“ Weidel erklärt, ihre Partei würde „die illegale Migration stoppen“. Sie betont, es gebe keine „irreguläre Migration“, sondern „illegale Migration“.

Auf den Hinweis von Moderatorin Pinar Atalay, dass US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Sicherheitskonferenz in München die „Brandmauer“ zur AfD scharf gerüffelt hatte, wird Merz ungehalten: „Ich lass‘ mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe.“ Eine Zusammenarbeit mit der AfD komme für die Union nicht infrage, „und ich verbitte mir solche Einmischungen in die deutsche Bundestagswahl und auch in die Regierungsbildung danach“, so Merz.

Habeck sagt gar, man höre nicht auf „Wahlempfehlungen von zweifelhaften Vizepräsidenten“. Aber was bei der Sicherheitskonferenz passiert sei, könne man nicht ernst genug nehmen. Die USA seien dabei, einen „Frontalangriff auf die Wertegemeinschaft des Westens“ zu starten, auf Rechtsstaatlichkeit und die liberale Demokratie. „Wir dürfen uns auf keinen Fall vor Amerika, vor diesen Ansagen, in den Staub werfen, sonst geben wir auf, was uns stark macht.“ Weidel dagegen lobt, Vance habe sich „zur Meinungsfreiheit bekannt“, und überhaupt, US-Präsident Donald Trump sei „genau der Richtige“, um Frieden in der Ukraine zu schaffen.

Scholz zeigt sich nach wie vor „bedrückt“, dass Merz im Bundestag auf Mehrheiten mit der AfD gesetzt hatte. Aber das Thema nimmt im Quadrell deutlich weniger Raum ein als eine Woche zuvor – es ist auch einfach schon alles dazu gesagt. Merz nimmt das allerdings zum Anlass, sich noch einmal Weidel zuzuwenden. Die hatte der „Bild am Sonntag“ gesagt, sie halte den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke für geeignet für ein Ministeramt – Höcke ist einer der radikalsten und am weitesten rechts stehenden AfD-Politiker. „Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind“, urteilt Merz. „Die Wahrheit ist, dass Sie außerhalb dessen stehen, was die Bundesrepublik in der Substanz braucht.“

Opposition oder Dschungelcamp?

Als die vier Kandidaten in einer Schnellfragerunde sagen sollen, was für sie schlimmer sei, Opposition oder Dschungelcamp, wirken vor allem Weidel, Merz und Habeck irritiert. „Definitiv Dschungelcamp“, sagt Weidel. „Ich wundere mich über die Frage“, sagt Merz zunächst, überlegt dann kurz und antwortet: „Lieber Jahrzehnte in der Opposition als zehn Tage im Dschungelcamp.“ Habeck schließt sich an, Scholz ebenso: „Ich will auch nicht ins Dschungelcamp, aber ich hab’s schon mal geguckt.“ Es ist einer der entspannteren Momente des Quadrells.

Wie bereits im TV-Duell vor einer Woche kann Scholz‘ Angriffslust nicht darüber hinwegtäuschen, dass er der Kanzler ist. Er hat die Probleme zu verantworten. Das gilt natürlich, wie Merz und auch Weidel betonen, ebenso für den Wirtschaftsminister. Und wie Scholz vor einer Woche weist Habeck darauf hin, dass nicht die Ampel den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Aber wie bereits vor einer Woche entgegnet Merz, dass diese äußeren Bedingungen für alle europäischen Länder gleich seien – und Deutschland stehe schlechter da.

Eine seltsame Übereinstimmung zeigt sich zwischen Merz und Habeck, als es um das Thema Wirtschaft geht. Merz zählt auf, was alles nötig sei, um Deutschland raus aus der Rezession zu führen – „bürokratische Monstren“ beseitigen wie das Lieferkettengesetz, die Steuerlast senken, die Arbeits- und Energiekosten ebenso, zudem ein Gasfeld in der Nordsee erschließen, was der niedersächsische Umweltminister blockiere. Ein paar Runden weiter sagt Habeck, in den letzten zehn, fünfzehn Jahren sei es versäumt worden, an der Zukunftsfähigkeit des Landes zu arbeiten. „Deshalb sind die Punkte, die Friedrich Merz genannt hat, alle richtig.“ Das wird Habeck wohl nicht wörtlich gemeint haben – die Zustimmung bezieht sich wohl eher auf den Bürokratieabbau.

Dann fällt der Bierdeckel runter

Denn bei der Steuerpolitik gibt es zwischen Scholz und Habeck auf der einen sowie Merz und Weidel auf der anderen Seite einen massiven Dissens: Der Kanzler und sein Wirtschaftsminister werfen den beiden anderen und auch der FDP vor, vor allem Reiche entlasten zu wollen. Merz rede von Handwerksbetrieben, die entlastet werden müssten. „Als ob jeder Handwerksbetrieb in Deutschland fünf Millionen Euro Gewinn machte.“ Merz rede von Handwerkern, meine in Wahrheit aber „Vorstandsvorsitzende von Dax-Konzernen“. An dieser Stelle fällt Günther Jauch vor Schreck der Merz-Bierdeckel aus dem Museum für deutsche Geschichte vom Tisch.

Weidel wird von Scholz noch heftiger attackiert. „Sie haben noch mehr zugeschlagen als Herr Merz und die FDP“, wirft er ihr vor und meint die von Wirtschaftsforschungsinstituten errechnete Deckungslücke in den Wahlprogrammen der Parteien, die bei der AfD am größten ist. Neue Schulden kommen für Weidel dennoch nicht infrage: Der Staat dürfe nie mehr ausgeben, als er einnehme, verkündet Weidel. Ein zumindest umstrittener Glaubenssatz. Der „Spiegel“ schrieb neulich, Fachleute hielten dies „für Unfug, vornehm ausgedrückt“.

Scholz wirbt erneut dafür, die Unterstützung der Ukraine sowie die steigenden Verteidigungsausgaben nicht aus dem normalen Haushalt zu bezahlen, sondern dafür die Schuldenbremse zu reformieren. Diese Frage werde von den anderen Parteien im Wahlkampf „vernebelt“. Beim Themenblock Ukraine erklärt Weidel, im Falle einer Lieferung von Taurus-Raketen werde Deutschland Kriegspartei, weil dann auch deutsche Soldaten in die Ukraine gehen müssten. Eine Beteiligung an einer Friedenstruppe nennt sie denkbar. Praktisch sei diese aber nicht möglich, da Deutschland in diesem Konflikt seinen neutralen Status aufgegeben habe.

Das Quadrell zum Nachlesen im Liveticker von ntv.de.

Da platzt Habeck der Kragen: „Das ist eine Lüge, die Sie hier erzählen.“ Niemand wolle während des laufenden Kriegs deutsche Soldaten in die Ukraine schicken. Auch Merz mischt sich ein: Weidel habe „hier gerade einen sehr verräterischen Satz gesagt“, merkt er an. „Neutral“ könne Deutschland in diesem Krieg nicht sein. Er werde alles tun, um zu verhindern, „dass Sie jemals politische Verantwortung bekommen in Deutschland“. Weidel wiederum wirft Merz vor, er könne keines seiner Versprechen umsetzen, da er ja mit SPD oder Grünen koalieren müsse.

„Ich glaube, dass die Sozialdemokraten verstanden haben, dass sie so nicht weitermachen können“, sagt Merz dazu, „ich glaube, dass die Grünen verstanden haben, dass sie so nicht weitermachen können.“ Einen Streit mit CSU-Chef Markus Söder, der keinesfalls mit den Grünen koalieren will, kann er dabei nicht erkennen. Aber Merz macht auch deutlich, dass es ihm vor allem um den strategischen Vorteil geht, zwei Parteien zur Wahl zu haben. „Markus Söder und ich sind uns in der Sache einig, dass wir diese Wirtschaftspolitik unter keinen Umständen fortsetzen wollen.“ Und, auf Nachfrage: „Schönes Spielchen, aber Herr Söder schreibt mir gar nichts vor.“

(Foto: RTL/ntv)

Die Frage ist auch, ob es für Schwarz-Grün überhaupt reichen würde. Eine im Quadrell gezeigte aktuelle Forsa-Umfrage sieht die Grünen nur noch bei 13 Prozent, die SPD bei 16. Das wäre immerhin Platz drei. Allerdings erreicht die FDP 5 Prozent – ein Punkt mehr als im Trendbarometer am vergangenen Dienstag. Im Bundestag wäre sie damit vertreten. Und für ein Bündnis aus Union und SPD würde es nur noch knapp reichen.

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