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Pvolve: Das Geschäft mit der Frauenfitness | ABC-Z

Seit wenigen Jahren promotet die Schauspielerin Jennifer Aniston eine Frauenfitnesskette namens Pvolve. Die bekam zuletzt medial einige Aufmerksamkeit,
nachdem Forscher der Universität Exeter eine Studie
herausbrachten (Svensen et al., 2025), die laut Pvolve zeige, dass die Kette als einziges Programm
für Frauen “wissenschaftlich erwiesen die Körperhaltung verbessert, das
Energielevel boostet und die Kraft steigert”. 

Wissenschaftlich bewiesen wurde
tatsächlich etwas. Es ist jedoch etwas anderes als versprochen.  

Was ist Pvolve überhaupt?
Aniston und die eigentliche Entwicklerin des Programms, Rachel Katzman,
bewerben ein Zusammenspiel aus Yoga, Eigengewichts- und Hantelübungen
sowie Pilateselementen. Auch der Name Pvolve ist eine Mischung aus dem englischen personal und evolution; also eine persönliche
Weiterentwicklung. Im eigenen Shop sind Gimmicks und Gadgets zu kaufen: Hanteln, Trittbretter, Faszienbälle. Es gibt auch einen Pilatesball, den man dank eines Klettverschlusses zwischen den Oberschenkeln befestigen kann, um die Bein- und Hüftmuskeln zu trainieren.

Zusammengefasst bietet das Programm ein moderates
Ganzkörperkrafttraining. Es lässt sich per Stream zu Hause turnen, aber auch in einer der
mittlerweile zahlreichen Franchisefilialen in den USA und Kanada,
natürlich gegen Abonnements. Der Stream kostet monatlich knapp 20 Euro, das “Total Transformation Bundle” mit allen Gadgets und einem halben Jahr Streaming knapp 600 Euro.

So weit, so expansiv, so Standard; eine in Beigetönen verpackte Wirtschaftsstrategie eines auf starkes Wachstum fokussierten Unternehmens – in der Fitnessbranche ist das nichts Ungewöhnliches.

Besonders ist die schon vor der Veröffentlichung der Studie wissenschaftlich konnotierte Art und Weise der Eigenwerbung – und die Zielgruppe: Frauen, vor allem jene im Alter um die Wechseljahre. Pvolve hat hier in der Tat eine gewaltige Marktlücke und ein Problem erkannt: 34 Prozent der Frauen bewegen sich viel zu wenig, ab dem 40. Lebensjahr steigt der Prozentsatz (wie bei Männern übrigens) stark.

Zugleich befasst sich die Sportwissenschaft zu wenig mit Frauen. Es gibt eine gewaltige Forschungslücke. “Das bezeichnet man als Gender-Data-Gap”, sagt Kirsten Legerlotz, Professorin für Bewegungs- und Trainingswissenschaft an der Universität Wuppertal. “Die Unterschiede gibt es nicht nur generell, sondern explizit in der sportmedizinischen und sportwissenschaftlichen Forschung.” Deutlich mehr Artikel beschäftigen sich ausschließlich mit männlichen Probanden. Der Prozentsatz der Studien, die sich nur mit Frauen beschäftigen, sei im niedrigen zweistelligen Bereich. Das hat Folgen. Jahrelang wurden die Ergebnisse, die von und mit Männern gewonnen wurden, auf Frauen extrapoliert.

Dass Frauen zum Teil anders agieren und auf Training reagieren, zeigt sich an mehreren Punkten der Trainingswissenschaft. “Wenn sie ein Höhentraining planen, dann wissen wir aufgrund fehlender Daten nicht, ob der Zeitverlauf in der Höhenanpassung von Männern auch auf den von Frauen zutrifft”, sagt Legerlotz. Andere Felder seien unterschiedliche Reaktionen auf Hitze oder auch Verletzungen. Der Kreuzbandriss tritt etwa bei Fußballerinnen wesentlich häufiger auf als bei Fußballern. 

Pvolve stößt in diese Lücke. Es wirbt nun also mit einer
Studie, aus der Anistons Firma ableitet, dass
sie Frauen einen einzigartigen Fitnessvorteil verschafft. Sie will sich
damit Zugang zum großen Markt nicht sportlicher Aktiver und ein
Alleinstellungsmerkmal verschaffen.  

An der Studie der britischen Universität Exeter nahmen rund 70 wenig trainierte Frauen teil. “Es handelt sich methodisch um eine recht gut konzipierte Studie, da sie randomisiert und kontrolliert ist”, sagt Sandra Hunter, Professorin an der US-amerikanischen Universität Michigan für Bewegungswissenschaften und Leiterin des Labors für neuromuskuläre Physiologie. Die Fitnessteilnehmer wählte man also zufällig aus und stellte sie einer Kontrollgruppe gegenüber. Die untersuchten Probanden absolvierten viermal pro Woche über drei Monate ein Pvolve-Fitnessprogramm von 30 bis 55 Minuten, der Rest lebte weiter wie zuvor, also nahezu ohne Training.

Die Untersuchung liefert jedoch keinen Vergleich zu einem anderen Trainingsprogramm – oder zu den Auswirkungen auf Männer. Es deute auch keine bisherige Studie darauf hin, dass ähnlich intensive Kraftübungen bei den Geschlechtern ein in Relation anderes Ergebnis hervorruft: Eine gleich hohe Intensität bringt Frauen den gleichen Prozentsatz an Muskelwachstum wie Männern (Bagley et al., 2021). Nur die absolute Muskelmasse unterscheidet sich, da bauen Männer ein wenig mehr auf (Refalo et al., 2025). Pvolve wäre also genauso etwas für Männer. Dass das Programm das einzige wissenschaftlich erwiesen wirksame Trainingsprogramm nur für Frauen ist, wie das Unternehmen behauptet, ist also nicht haltbar.

Eine besondere Charakteristik der Studie ist, dass die Frauen aus Altersgruppen vor, während und nach der Menopause stammten. “Die Leistung von Frauen im Alter von fünfzig bis 55 Jahren nimmt stärker ab als die von Männern im selben Alter”, sagt die Sportwissenschaftlerin Hunter. “Wir glauben, dass dies mit dem massiven Abfall des Östrogenspiegels zusammenhängt.” Östrogen ist eines der wichtigsten weiblichen Sexualhormone und beeinflusst wesentlich den weiblichen Zyklus, Stoffwechsel und Körper. Östrogen hält bei Frauen auch die Muskelqualität aufrecht. Während der Menopause sinkt die Produktion von Östrogen rapide.

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