Putin zur Rechenschaft ziehen: Ukraine-Verbündete stimmen für Kriegsverbrecher-Tribunal | ABC-Z

Putin zur Rechenschaft ziehen
Ukraine-Verbündete stimmen für Kriegsverbrecher-Tribunal
09.05.2025, 15:32 Uhr
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In der Ukraine kommen europäische Außenminister zusammen. Der ukrainische Präsident Selenskyj ist per Video zugeschaltet. Während des Treffens in Lwiw wird die Errichtung eines Tribunals zur Bestrafung russischer Kriegsverbrechen beschlossen. Derweil rechtfertigt Putin die Invasion.
Eine Gruppe von mehr als 30 Außenministern und Diplomaten aus Europa und Partnerländern hat den Startschuss für ein internationales Sondertribunal zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gegeben. Das Richtergremium soll im niederländischen Den Haag angesiedelt werden und Top-Vertreter der russischen Führung zur Verantwortung ziehen. Die Runde verabschiedete bei einem Sondertreffen der EU-Außenminister im westukrainischen Lwiw eine entsprechende Erklärung, um das Tribunal auf den Weg zu bringen.
Die Entscheidung dürfte auch als Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gedacht sein, der gleichzeitig in Moskau mit einer Militärparade des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Jahr 1945 gedachte und dort erneut den Krieg gegen die Ukraine rechtfertigte. Für Deutschland nahm der neue Außenminister Johann Wadephul an den Beratungen teil. “Es darf nicht geschehen, dass dieser völkerrechtswidrige Krieg ohne Folgen bleibt”, sagte er. “Diejenigen, die die Verantwortung dafür tragen, müssen auch von einem legitimierten Gericht zur Verantwortung gezogen werden.” Es sei ein “gutes Zeichen, dass ein großer Teil der freien Welt und derjenigen Länder, die die regelbasierte Ordnung tragen, sich jetzt auf den Weg macht, diese Institution zu schaffen”.
USA stiegen aus Unterstützerkreis aus
Die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas sagte, das Tribunal werde “sicherstellen, dass die Hauptverantwortlichen für die Aggression gegen die Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden”. Der russische Krieg sei im Informationszeitalter gut dokumentiert, “es gibt keinen Raum für Straflosigkeit”. Der per Video zugeschaltete ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte: “Russland muss für seine Aggression wie die Nazis damals zur Rechenschaft gezogen werden.”
Wadephul sagte weiter, bei einem ersten Gespräch mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio am Abend werde er dafür werben, dass die USA in den Kreis der Unterstützer des Tribunals zurückkehren sollten. Nach der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump hatten sich die USA aus dem Unterstützerkreis zurückgezogen. Zu den Staaten, die sich für das Gremium einsetzen, gehören neben EU-Staaten auch Australien, Norwegen, Liechtenstein, Großbritannien, Costa Rica und Guatemala.
Sondertribunal soll Rechtslücke schließen
Die Staatengruppe will den Europarat nun rasch formal um einen Vertrag zur Einrichtung des Tribunals bitten. Es soll seinen Sitz im niederländischen Den Haag haben, wo schon mehrere internationale juristische Organisationen angesiedelt sind. Urteile sollen auch in Abwesenheit der Angeklagten möglich sein – nachdem in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, dass etwa Putin persönlich vor Gericht gestellt werden kann. Das Tribunal soll 15 für je neun Jahre gewählte Richterinnen und Richter haben. EU-Schätzungen gehen von Gesamtkosten in Höhe von einer Milliarde Euro aus.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hatte im März 2023 wegen des Vorwurfs der Zwangsdeportation ukrainischer Kinder im Zuge der russischen Offensive einen Haftbefehl gegen Putin ausgestellt. Der IStGH kann jedoch nicht gegen Moskau wegen des “Verbrechens der Aggression”, also die Entscheidung zum Angriff auf die Ukraine, vorgehen. Das Sondertribunal soll diese Rechtslücke nun schließen und Verantwortliche aus dem Kreml sowie dem russischen Militär vor Gericht bringen.