Puchheimer Turnhallen: Chronik eines Desasters – Fürstenfeldbruck | ABC-Z
Gut zehn Jahre hat an Gymnasium und Realschule in Puchheim der Schulsportunterricht nur teilweise, mit Unterbrechungen, gar nicht oder in entfernt gelegenen Ersatzquartieren stattgefunden. Allein fünf Jahre dauerten Abriss und Neubau der beiden Turnhallen dort (von Ende 2019 bis Anfang 2025), dazwischen lag auch noch die Corona-Zeit. Seit Ende der Weihnachtsferien sind die neue Dreifach-und die neue Zweifachhalle am Puchheimer Schulzentrum nun in Betrieb. Die Chronik des Desasters – zusammengestellt aus Blicken ins SZ-Archiv und aus einer Mängelliste, die die Kreisverwaltung auf Antrag der SPD-Kreistagsfraktion erstellt hat, – zeigt, was alles schief gegangen ist.
Unterkunft für Geflüchtete
Als 2015 auf einen Schlag viele Geflüchtete auch im Landkreis Fürstenfeldbruck ankamen und Unterkünfte für sie gesucht wurden, kamen sie vorübergehend auch in Turnhallen unter. In den beiden am Puchheimer Schulzentrum zum Beispiel. Ende Juli 2015 zogen dort fast 200 Asylbewerber ein. Damit waren die Hallen an der Bürgermeister-Ertl-Straße auch für den Vereinssport fast ein ganzes Jahr lang nicht nutzbar.
Sperrung wegen Wasser auf dem Dach
Mitte Juni 2016 – kaum waren die Geflüchteten ausgezogen – wurden die beiden Puchheimer Schulturnhallen vom Landratsamt gesperrt, weil sich auf dem Dach nach einem Starkregen Wasser angesammelt hat. Eine Vorsichtsmaßnahme: Das enorme Gewicht des Wassers könnte die Statik der Tragkonstruktion des Dachs in Mitleidenschaft gezogen haben. Die Schulen werden erfinderisch, nutzen die Aula für Spiele, die Treppenhäuser für Treppenläufe oder machen Sport im Freien.
Neubauplanung
Die kreiseigene Dreifach- und Zweifachhalle aus den Siebzigerjahren abzureißen und neu zu bauen, beschloss der zuständige Kreistag 2016. Das Vorhaben sollte an beiden Hallen gleichzeitig umgesetzt werden, um Zeit und Kosten zu sparen. Eine Traglufthalle sollte Interimslösung für den Schulsport während der Bauphase sein. Sie stand knapp zwei Jahre lang. Im Juni 2022 wurde sie wieder abgebaut, der Nutzungsvertrag konnte nicht verlängert werden. Keiner ahnte, dass es noch zweieinhalb Jahre dauern würde, bis die neuen Hallen in Betrieb gehen können.
Abbruch
Beim Abbruch der alten Hallen im Sommer 2019 wurden Schadstoffe gefunden. Insgesamt mussten 200 Kubikmeter schadstoffhaltigen Materials entsorgt werden. Der gesamte Zeitplan verzögerte sich von Anfang an. Der Landkreis als Bauherr sah die Gründe für die Verzögerung bei der Abbruchfirma und kündigte ihr. Landkreis und Firma streiten noch immer vor Gericht. „Ein zeitlicher Horizont ist nicht absehbar“, schreibt die Kreisverwaltung. Die Errichtung der beiden Neubauten verschob sich in mehrere Schlechtwetterphasen, was zu weiterem Terminverzug führte. Auch mit den Büros, die für Abbruchplanung, -überwachung und Schadstoffuntersuchungen zuständig waren, liegt der Landkreis im Clinch. Grünen-Kreisrat Martin Runge nannte das Bauvorhaben damals „schon jetzt ein Sorgenkind“. „Ein fast tragisches Bauvorhaben mit einem ganz schlechten Start“ war es für den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Falk. Mit dieser frühen Einschätzung lagen die beiden Kreisräte nicht wirklich daneben.
Probleme beim Rohbau und Ausbau
Nach Abschluss der Rohbauarbeiten stellte die Bauverwaltung fest, dass die Qualität des Sichtbetons unzureichend war. Es folgten: ein Gutachten und die Überarbeitung der schadhaften Stellen mit Spachtelung und Silberlasur. „Durch die Nachbesserungen konnte das Erscheinungsbild auf ein vertretbares Qualitätsmaß gebracht werden,“ heißt im Bericht des Landratsamtes. Es ist, so das Fazit, lediglich ein geringer optischer Mangel.
Von den Stahlblech-Innentüren wurden mehrfach falsche bestellt und teilweise sogar verbaut. Die Montageleistung sei verzögert und mit zeitlichen Unterbrechungen durchgeführt worden, monierte das Landratsamt. Die Schlosserfirma wurde in Verzug gesetzt. Die Auflagen des Brandschutzes waren nicht erfüllt. Bei der Montage eines Windfangelements in der Zweifachhalle wurde ein Teil der Fußbodenheizung angebohrt, die Folge: ein Wasserschaden.
Im Herbst 2023 – eigentlich sollten die Hallen längst in Betrieb sein – stellte sich heraus, dass die Dachdeckerfirma die Arbeiten am Hauptdach nicht entsprechend der Prüfstatik ausgeführt hatte. Während der Nachbesserungen Anfang 2024 wurde über endoskopische Untersuchungen festgestellt, dass die Mängel schwerwiegender und vor allem statischer Natur waren. Der Firma wurde außerordentlich gekündigt. Sie bot daraufhin eine zeitnahe Schadensbegrenzung an. Das Landratsamt nahm den Vorschlag nach Abwägung fachlicher und juristischer Argumente an, was Zeit und Kosten sparte. Die statische Nachrüstung gelang, dafür musste das Turnhallendach teilweise von oben geöffnet werden.
Objektplanung
Mit dem Architekten kam es „immer wieder zu Diskussionen über die Qualität der erbrachten Leistungen“, heißt es aus dem Landratsamt, das sich unzufrieden zeigte mit Teilen der Ausführungsplanung, Ausschreibung und Objektüberwachung. Um die Interessen des Landkreises zu wahren, holte man sich externen Rechtsbeistand. Das kreiseigene Hoch- und Tiefbaureferat habe vermehrt Controlling- und Überwachungsaufgaben auch vor Ort übernehmen müssen.
Mehrkosten
Ursprünglich war das Vorhaben vom Kreistag auf 18 Millionen Euro gedeckelt worden. Das Landratsamt räumt auf Nachfrage der SPD weitere Kosten in Höhe von 1,3 Millionen Euro ein für die Miete der Traglufthalle (577 0000 Euro), für Preissteigerungen, für Rechtsberatung und für die Ausweichquartiere für den Schulsport.
Probleme für die Schulen
Als Ausweichquartiere genutzt wurden für den Schulsport die Halle an der Heckenstraße in Olching, die Hallen des FC und TC Puchheim, die Budriohalle in Eichenau, in der Laurenzerhalle in Puchheim-Ort sowie Fitnessstudios in Puchheim und Gröbenzell. Ein Drittel der Sportunterrichtszeit und mehr ging dabei regelmäßig für den Bustransfer drauf. Im vergangenen Herbst fanden sich für die Fahrten nach Eichenau und Puchheim-Ort dann keine Busunternehmen mehr, berichtete das Gymnasium dem Landratsamt. „Das ständige Umplanen, das Sich-Einstellen auf neue Örtlichkeiten und die Logistik zum Transport von Material belasten die Schulgemeinschaft und insbesondere die Fachschaft Sport sehr“, schrieb das Gymnasium und monierte die lange Dauer der Ausnahmesituation von fünf Jahren. Auch an der Realschule empfand man die Situation „als sehr belastend und frustrierend“. Zudem habe die Motivation der Schülerinnen und Schüler für den Sportunterricht stark gelitten, hieß es dort.
Probleme für die Vereine
Beim FC Puchheim sprach man zuletzt von einer „echten Existenzbedrohung“. Fast alle Abteilungen konnten seit Jahren keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen. Die Hallen des Sportzentrums des FC Puchheim stand seit Jahren während der Woche von acht bis 15 Uhr fast ausschließlich den Schulen zur Verfügung. Die Mitglieder zeigten für die andauernde Verknappung der Hallenkapazitäten kein Verständnis mehr und kündigten „in Scharen“, berichtete der FC Puchheim dem Landratsamt. Viele Kinder könnten so keinem geregelten Sport nachgehen, beklagten die Sportfreunde Puchheim: „Der Schaden ist bis dato nicht abschätzbar.“