Psychologin erklärt, welche Dynamik die Trennung erschwert | ABC-Z

Berlin. Narzisstische Beziehungen hinterlassen Spuren – und doch bleiben viele. Schuld ist laut einer Psychologin eine erschreckende Entwicklung.
Für Außenstehende ist das Ungleichgewicht einer narzisstischen Beziehung oft offensichtlich: Der Narzisst fordert, manipuliert und kontrolliert, der Partner ordnet sich den Wünschen unter, funktioniert und stellt seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund. Dennoch fällt es vielen Betroffenen schwer, sich aus dieser Dynamik zu entziehen – nicht, weil sie schwach sind, sondern, weil das narzisstische Muster ihr Leben bereits vereinnahmt hat.
Die psychischen Auswirkungen einer Beziehung mit narzisstischen Anteilen sind massiv. Die Berliner Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Lisa Zimmermann beobachtet bei vielen Betroffenen ein schleichendes Auseinanderdriften zwischen Selbstwahrnehmung und Realität. Häufig, so sagt sie, vollziehe sich in solchen Konstellationen ein Identitätsverlust: Die Betroffenen verlören den Zugang zu ihren eigenen Gefühlen, stellten ihre Wahrnehmung infrage, und gäben nach und nach persönliche Grenzen auf.
Beziehung mit einem Narzissten: Das sind die psychischen Folgen
In der Praxis setzt sich die narzisstische Dynamik viel subtiler durch als in der Theorie: Gerade in der Kennenlernzeit einer Partnerschaft gibt sich die narzisstische Person charmant, liebevoll und aufmerksam. Erst im weiteren Verlauf der Beziehung offenbart sich, dass der Narzisst die Liebe als Illusion sieht: Der Partner ist Teil einer Inszenierung, in der er die Idealvorstellungen des anderen erfüllen und so zur Stabilisierung dessen Selbstbildes beitragen soll. Eine unmögliche Aufgabe.
Oft bemerkten die Betroffenen das Muster nicht. „Schuldgefühle, Scham, emotionale Erschöpfung sind der Preis für das Leben in dieser Dynamik“, erklärt Lisa Zimmermann. Der emotionale Zustand gleiche dabei einer permanenten Alarmbereitschaft: Die Aufmerksamkeit richte sich immer auf die Stimmung des Narzissten, um Konflikte zu vermeiden, Nähe zu sichern, Erwartungen frühzeitig zu erkennen und zu erfüllen.
Der Psychologin zufolge entwickeln viele Betroffene im Laufe der Zeit eine beinahe reflexhafte Wachsamkeit für kleine Signale, wie eine gehobene Augenbraue, einen unausgesprochenen Vorwurf, oder ein plötzliches Schweigen. Alles könne ein Hinweis darauf sein, dass etwas nicht stimme, sagt Zimmermann. Die ständige Ungewissheit zehrt kontinuierlich.
Narzisstische Beziehung: Viele wissen, wie toxisch sie ist
Wer von außen auf eine narzisstisch geprägte Beziehung blickt, fragt sich oft, warum der betroffene Partner nicht längst gegangen ist. Die Kränkungen, die Kontrolle und die ständige Erschöpfung scheinen offensichtlich. Dennoch bleiben viele: nicht aus Unwissen, sondern aus Hoffnung und aus Angst. Lisa Zimmermann spricht von einem „bequemen Elend“, in dem viele Betroffene etwas längst Zerbrochenes zu bewahren versuchten.
Die Partner der Narzissten leben gewissermaßen selbst in einer eigenen Illusion: „Ich erlebe oft, dass Menschen in solchen Beziehungen bleiben, obwohl sie längst wissen, wie toxisch sie sind“, sagt Zimmermann. Dafür zahlen sie einen hohen Preis: „Sie vermeiden die unbequeme Wahrheit und zahlen dafür mit ihrer Lebenskraft.“ Doch je länger eine narzisstisch geprägte Beziehung andauere, desto größer werde die Diskrepanz zwischen dem äußeren Bild und dem tatsächlichen Zustand.
Trennung von einem Narzissten: Psychologin erklärt schmerzhaften Schritt
Der Ausstieg funktioniere nicht durch Einsicht, sondern durch die innere Bereitschaft zu schmerzhaften Erkenntnissen, sagt Zimmermann: Zu diesen gehört etwa, dass der geliebte Mensch von Anfang an nie wirklich existiert hat und die Nähe nur Teil eines Musters war. Viele Betroffene versuchten zudem, ihre eigenen gescheiterten Beziehungswünsche und Herzensprojekte zu verdrängen.
Wenn Sie mehr zum Thema wissen wollen, lesen Sie hier, welcher Eltern-Fehler in der Erziehung Narzissmus schon bei Kindern fördert.
Hinzu kommen oft pragmatische Gründe, an der Beziehung mit dem Narzissten festzuhalten: gemeinsame Kinder, eine finanzielle Abhängigkeit oder der soziale Status. Nicht selten verfüge der narzisstische Partner über Geld, Einfluss, und Stil, so die Psychologin: „Es ist das Leben in einem goldenen Käfig, das nach außen glänzt, aber innerlich erschöpft.“
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Der Weg aus der narzisstischen Beziehung hinaus ist möglich. Doch was für Außenstehende nach einem simplen Schritt aussehen mag, ist für Betroffene ein langer Erkenntnis- und Befreiungsprozess. Am Anfang steht eine schmerzhafte Einsicht: Die Liebe mit dem Narzissten war eine Illusion, die eigenen Sehnsüchte sind ins Leere gelaufen.