Psychische Krankheiten: Wir müssen endlich mehr darüber reden |ABC-Z
Meinung
Nach Panikattacke live im TV
Wir müssen endlich selbstverständlicher über psychische Krankheiten sprechen
Viele Menschen leiden unter psychischen Krankheiten. Und doch sprechen wir nicht über eine Angststörung wie über eine Grippe. Das muss sich ändern.
Der australische Meteorologe Nate Byrne hatte live im TV eine Panikattacke. Und sprach sie offen an. Damit ist er ein Vorbild, denn er zeigte ungeschönt und in Echtzeit, wie es ist, Panikattacken zu bekommen. Noch erfordert das Mut. Psychische Krankheiten sind nach wie vor mit Scham besetzt. Viele Betroffene verstecken ihre Beschwerden und leiden leise. Hilfe suchen viele – wenn überhaupt – erst spät. Das muss sich ändern. Wir müssen mehr über Angststörungen, Depressionen oder Zwänge reden. Nur so wird es irgendwann normal sein, über eine bipolare Störung so zu sprechen wie über ein gebrochenes Bein.
Nur weil viele Menschen ein “Wie geht es dir?” standardmäßig mit gut beantworten, heißt das nicht, dass das der Wahrheit entspricht. Ein Blick auf die Zahlen verrät, dass psychische Krankheiten viele Menschen in Deutschland betreffen: Aktuell leiden rund 31 Prozent der Deutschen unter einer psychischen Erkrankung. So lautet das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Ipsos. Das Versicherungsunternehmen AXA hat die Befragung in Auftrag gegeben und die Ergebnisse im Mental Health Report 2024 veröffentlicht. Jeder dritte Erwachsene leidet im Laufe eines Jahres an einer psychischen Erkrankung, teilt auch die Bundespsychotherapeutenkammer mit. Es kann also jeden treffen. Oder die eigene Mutter, den Vater, die beste Freundin oder den Ehemann.
Und: Es gibt viele Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Kranktheiten. Im letzten Jahr gab es 25 Prozent mehr Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen als im Jahr davor. Die DAK-Gesundheit hat die Daten von 2,4 Millionen Erwerbstätigen aus dem Jahr 2023 ausgewertet und im Psych-Report veröffentlicht. Psychische Krankheiten sind also kein kleines Randphänomen. Es wird Zeit, dass wir aufhören, es wie eines zu behandeln.
Psychische Krankheiten – Stigma hält von Hilfesuche ab
Können Erkrankte nicht über ihr psychisches Leiden spechen, bleiben sie damit allein. Ein Rucksack, der schwerer und schwerer wird, bis er vielleicht nicht mehr zu tragen ist.
Sie sprechen nicht darüber, weil es immer noch Menschen gibt, die psychisch Erkrankte ausgrenzen oder ihnen gegenüber viele Vorurteile haben. Die können sich auf Betroffene übertragen. Und sie halten sich selbst für schlecht, nutzlos oder überempfindlich. Suchen sich aus Angst oder Scham keine Hilfe, was ihre Beschwerden verschlimmert. Ein Teufelskreis.
Wenn wir als Gesellschaft also nicht aufhören, psychisch Kranke als schwach, undiszipliniert, zu sensibel oder gar verrückt anzusehen, wird es viel zu viele Menschen geben, die sich für ihr mentales Leid schämen, sich selbst bestrafen und viel zu lange alleine versuchen, irgendwie ihren Alltag mit ihrer seelischen Krankheit zu überleben. Machen wir es wie Nate Byrne und zeigen, dass eine Panikattacke überall passieren kann, auch live im TV, und dass das okay ist. Mehr noch: es ist zutiefst menschlich
Quellen:Mental Health Report, ABC News Youtube, Bundespsychotherapeutenkammer, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde, Psych-Report