Prozess in Landshut wegen Messerattacke auf Pizzabotin: „Ich habe gedacht, jetzt sterbe ich“ – Bayern | ABC-Z

Weil er mit seinem eigenen Leben nicht zurechtgekommen ist, hat ein 27-Jähriger aus dem Landkreis Landshut das Leben einer 26-jährigen Pizzabotin im vergangenen März um ein Haar beendet. Als er vorgab, das Geld für die Bezahlung einer Bestellung zu holen, soll er in seiner Wohnung mit einem großen Küchenmesser von hinten auf das willkürlich ausgesuchte Opfer eingestochen haben, um es zu töten. Die 26-Jährige kam aber mit vergleichsweise leichten Verletzungen an Hals und Fingern davon.
Seit Donnerstag muss sich der laut Anklage an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidende Mann wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung am Landgericht Landshut verantworten. Die Staatsanwaltschaft stuft ihn als für die Allgemeinheit gefährlich ein.
Schon seit längerer Zeit soll der Mann den Wunsch verspürt haben, „einen beliebigen Menschen zu töten, wobei sich dieser Gedanke immer weiter intensivierte“, heißt es in der Anklage. Der Hintergrund mutet skurril an: Der Angeklagte suchte nach einer langfristigen Lösung für sein Leben. Sein Wunsch sei gewesen, dieses in einer geschlossenen Einrichtung zu verbringen.
Nachdem er sich zum Prozessauftakt regungslos – den Blick starr auf den Tisch vor ihm gerichtet – die Anklageschrift angehört hat, räumt der 27-Jährige die darin dargestellten Geschehnisse im Wesentlichen ein. Aber nicht in allen Punkten. In der Erklärung, die sein Verteidiger für ihn abgibt, bestreitet er einen Stich. Er habe sich entschlossen, einen solchen nicht auszuführen.
Die Anklage indes liest sich wie ein Thriller: Mehrfach soll der Angeklagte in seiner Wohngemeinde in der Dunkelheit umhergestreift sein, um nach möglichen Opfern Ausschau zu halten. Am 29. März dieses Jahres, so der Vorwurf, „beschloss der dann, seine Tötungsfantasien in die Tat umzusetzen“. Gegen 23 Uhr bestellte er bei dem Lieferservice eine Pizza und „plante bereits bei Aufgabe der Bestellung, die mit der Lieferung betraute Person zu töten“.
:Verdacht des Betrugs gegen AfD-Abgeordnete
Gegen die AfD-Abgeordneten Raimond Scheirich und Andreas Jurca wird auch wegen Untreue ermittelt. Am Donnerstag haben Einsatzkräfte Beweismittel sichergestellt.
Dafür, so die Staatsanwaltschaft, deponierte er ein Küchenmesser im Badezimmer. Entgegen seiner üblichen Gepflogenheiten habe er die Bestellung nicht im Vorhinein bezahlt, um so die Botin, die ihm zuvor bereits mehrmals Essen geliefert hatte, in seine Wohnung zu locken.
All das bestreitet der 27-Jährige in der Verhandlung nicht. Nur habe er dann nicht zugestochen, sondern das Messer, in seiner rechten Faust haltend, „nur“ an den Hals der Pizzabotin gehalten. Das anschließende Würgen seines Opfers, das ihm zur Last gelegt wird, bezeichnet er so: „Ich hatte meine Hand nur wenige Sekunden an ihrem Hals.“ Auch der „handgreifliche Kampf um das Messer“, von dem in der Anklageschrift die Rede ist, hat sich in der Realität womöglich etwas anders zugetragen.
Das ist den Schilderungen der Pizzalieferantin zu entnehmen, die gleichwohl um ihr Leben fürchten musste und bis heute an den Folgen der Tat leidet. „Ich habe gedacht, jetzt sterbe ich, er zieht das Messer durch und schlitzt mir die Kehle auf – aber er hat es nicht getan“, erzählt die Zeugin und Nebenklägerin der Kammer um den Vorsitzenden Richter Ralph Reiter. „Ich habe gedacht: Er hat es nicht gemacht, jetzt muss ich das Messer von meinem Hals wegbringen“, so die junge Frau weiter.
Zunächst habe sie versucht, das Messer mit den Fingern von sich wegzudrücken. Danach redete sie auf den Angeklagten ein, bewegte sich mit diesem in den Flur Richtung Haustür. Einmal habe er das Messer von der Kehle genommen und mit dessen Spitze leicht in die Halsoberfläche gestochen. Alles sei relativ ruhig abgelaufen. Schließlich habe sie mit ihrer Hand langsam die rechte Hand des Angeklagten nach unten führen und ihm das Messer abnehmen können.
Der 27-Jährige wehrte sich nicht dagegen, forderte die Pizzabotin vielmehr auf, die Polizei zu rufen – was sie auch tat. Wie am Einsatz beteiligte Polizisten dem Gericht schildern, kam der Angeklagte mit erhobenen Händen nach draußen und rief: „Ich war’s.“ Inzwischen ist er vorläufig im Bezirkskrankenhaus Straubing untergebracht.
Mehrere Selbstmordversuche und Freiwilligendienst in der Ukraine
Nach einer schwierigen Kindheit mit einem drogen- und alkoholabhängigen Vater und Mobbing in der Schule habe er auch im Berufsleben nicht Fuß gefasst und sein Leben zunehmend als sinnlos betrachtet, erzählt der Angeklagte. Mehrfach habe er versucht, sich das Leben zu nehmen, sei aber gescheitert oder habe es sich aus Angst vor den Schmerzen anders überlegt.
Unter anderem meldete er sich in der Ukraine als Freiwilliger für den Krieg gegen die russischen Angreifer, mit dem Wunsch, dort ums Leben zu kommen. Als er als nicht kampftauglich eingestuft und nur als Sanitäter eingesetzt wurde, kehrte er in die Heimat zurück. Sein neuer Plan war, durch eine Straftat inhaftiert zu werden, „um mich nicht mehr mit meinem sinnlosen Leben befassen zu müssen“.
Es tue ihm sehr leid, dass die Geschädigte nun darunter leiden müsse. Die 26-Jährige hat bis heute Angst im Dunkeln sowie vor Männern, die dem Angeklagten ähnlich sehen, und macht eine Gesprächstherapie. Ein rund 30 Zentimeter langes Messer am Hals sei potenziell immer lebensbedrohlich, erklärt die rechtsmedizinische Gutachterin. Das vorliegende Verletzungsbild sei allerdings „insgesamt sehr oberflächlich“ und „zu keinerlei Zeitpunkt lebensbedrohlich“ gewesen. Der Prozess wird fortgesetzt.





















