Prozess in Hamburg: Christina Block nennt Ex-Mann Hensel „wahnhaft“ | ABC-Z

In der Mittagspause flucht Philip von der Meden ein wenig, zumindest so, wie das als Anwalt öffentlich möglich ist. „Nicht nur die Richterin, sondern auch die Nebenklage ist langsam etwas genervt“, sagt er über sich und seinen Mandanten Stephan Hensel. Natürlich dürften die Verteidiger umfassend Fragen stellen. Aber bei allem Verständnis dürfe es nicht so weit gehen, dass Fragen „drei- bis viermal beantwortet werden müssen“. Viele Fragen bezögen sich nicht auf die gewaltsame Kindesentführung, um die es hier gehe. „Was irgendwann viele Jahre vorher einmal im Rahmen einer sorgerechtlichen Auseinandersetzung besprochen worden ist, spielt für diese Tatvorwürfe überhaupt keine Rolle.“
Ganz so leicht ist es im Verfahren des Landgerichts Hamburg gegen die Unternehmerin Christina Block natürlich nicht. Hensel ist Nebenkläger und Zeuge in dem Prozess gegen seine frühere Ehefrau und sechs weitere Angeklagte. Es geht um zwei der vier gemeinsamen Kinder von Hensel und Block. Block soll Mitarbeiter einer israelischen Sicherheitsfirma beauftragt haben, sie in der Silvesternacht 2023/2024 zu entführen. Hensel wurde in jener Nacht in Dänemark, wo er mit drei der Kinder lebte, niedergeschlagen und „hoch traumatisiert“, wie er sagt. Die Kinder wurden geknebelt und gefesselt und auf einen Bauernhof nach Süddeutschland gebracht, wo Block an Neujahr eintraf. Block bestreitet, vorab von der Entführung gewusst oder sie geplant zu haben.
Kinder wollten laut Hensel nicht zur Mutter zurück
Hensel wird an diesem Montag weiter befragt, noch immer sind die Verteidiger der insgesamt sieben Angeklagten an der Reihe. Sie interessieren sich für die Umstände Jahre vor der Entführung, weil Hensel sich damals selbst nach Auffassung der Hamburger Staatsanwaltschaft rechtswidrig verhalten hat. Die Kinder lebten seit Sommer 2021 bei Hensel, weil sie seinen Angaben zufolge nach einem Besuchswochenende nicht zur Mutter nach Hamburg zurückwollten: Sie habe ihnen Gewalt angetan, sagt Hensel vor Gericht, die Kinder hätten eine Entschuldigung gewollt, zu der es nie gekommen sei. Er behielt die Kinder auch dann noch, als das Oberlandesgericht Hamburg der Mutter das alleinige Sorgerecht zusprach. Die dänischen Behörden akzeptierten den Beschluss, sahen aber das Kindeswohl gefährdet und vollstreckten ihn nicht.
Der Ton im Saal ist auch an diesem Verhandlungstag ungemütlich. Ein Verteidiger will am Vormittag von Stephan Hensel wissen: „Hat Frau Block nach Ihrer Auffassung das Jugendamt gekauft?“ Es ist eine der vielen Fragen, bei denen die Vorsitzende Richterin einen Verteidiger zurechtweist. „Man kann kein Jugendamt kaufen“, sagt sie. Also formuliert der Verteidiger stattdessen viele einzelne Fragen: Haben die Sachbearbeiter nach Hensels Überzeugung Geld von Christina Block bekommen? Die Verfahrensbeistände? Das Oberlandesgericht? Die Staatsanwaltschaft? Hensel antwortet darauf mit „Nein“ oder „Ich denke nicht“ oder, im Falle der Staatsanwaltschaft: „Das muss aufgeklärt werden.“
Fragen zu einzelnen Passagen in Berichten und Beschlüssen
Über Stunden beantwortet Hensel Fragen zu einzelnen Passagen in Berichten und Beschlüssen rund um familienrechtliche Auseinandersetzungen und konkretisiert frühere Aussagen. Teils gibt er an, sich nicht zu erinnern. Die Entführung in der Silvesternacht ist nur vereinzelt Thema. Auf Fragen dazu, ob Hensel Akten über den Prozess an die Presse weitergegeben hat, will er sich nicht äußern – um sich selbst nicht zu belasten. Laut der Kammer läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Weitergabe von Akten an die Öffentlichkeit gegen ihn.
Während Block vor Gericht angegeben hatte, dass ihr ein Umgang mit den Kindern vom Vater verweigert worden sei, bekräftigt Hensel auch am Montag, dass er mehrmals ein Umgangsrecht alle 14 Tage für Block, allerdings in Dänemark, beantragt habe. In Deutschland hätten er und seine Kinder sich durch von der Familie Block engagierte Sicherheitsfirmen bedroht gefühlt. Dieses Umgangsrecht in Dänemark habe Block aber wiederholt abgelehnt. Block selbst hatte vor Gericht ausgesagt, bei einer Zustimmung hätte sie ihre Ansprüche auf ein Umgangsrecht in Deutschland verloren.
Können Kinder entführt werden, die vorher rechtswidrig entzogen wurden?
Im Zuschauerraum sitzt an diesem Tag auch Béla Anda – bis von der Meden die Vorsitzende Richterin bittet, ihn des Saals zu verweisen. Block hat den früheren Regierungssprecher für Öffentlichkeitsarbeit engagiert, von der Meden kündigt an, ihn später befragen zu wollen. „Ich möchte Sie bitten zu gehen, weil Sie als Zeuge in Betracht kommen“, sagt die Vorsitzende Richterin. Zeugen dürfen Verfahren nicht als Zuschauer verfolgen, bis sie selbst vor Gericht ausgesagt haben.
Viele Beobachter in diesem Prozess stellen sich die Frage: Können Kinder entführt werden, die vorher rechtswidrig entzogen wurden? Philip von der Meden bügelt das ab: „Ja, diese Rechtsfrage mag sich stellen“, sagt er in der Mittagspause. Aber dennoch: Für deren Beantwortung seien viele der detaillierten Fragen „irrelevant“.
Nur ein Gespräch mit dem Schulleiter?
Am Nachmittag äußert sich Christina Block dann noch selbst. Sie beantwortet Fragen der Nebenklage von einem früheren Verhandlungstag. Abermals macht sie ihrem Ex-Mann Stephan Hensel schwere Vorwürfe: Er sei paranoid, hetze gegen sie, habe die Kinder „abgeschottet“ und mit ihnen in Dänemark in einem Haus gelebt, das auf sie wie eine Festung gewirkt habe.
Sie habe im September 2021 die Schule ihrer Kinder in Dänemark besucht, um ein „freundliches Gespräch“ mit dem Schulleiter zu führen. Dieser habe nicht gewusst, dass auch sie zu dem Zeitpunkt sorgeberechtigt gewesen sei, die Kinder hätten nicht ohne ihr Einverständnis an einer dänischen Schule angemeldet werden dürfen. Ihr früherer Mann habe das zu einem Entführungsversuch „hochstilisiert“.
Nach Aussagen von Hensel war der Besuch an der Schule „verstörend“, von Block engagierte Sicherheitsleute seien dort bedrohlich aufgetreten, auch Eltern anderer Kinder seien beunruhigt gewesen. In der Folge trugen beide Kinder Alarmknöpfe der dänischen Polizei, um sich im Falle eines Übergriffs zu schützen.
Block gibt auch an, einen Vertrag mit der Sicherheitsfirma „360 Grad“ geschlossen zu haben, „um Beschlüsse umzusetzen“. Dabei geht es um einen Vorfall im November 2022, den auch die Hamburger Staatsanwaltschaft als Entführungsversuch der Kinder wertet. Hensel hatte verdächtig wirkende Personen vor seinem Wohnhaus in Dänemark gesehen und die Polizei alarmiert. Die Staatsanwaltschaft wirft unter anderem dem früheren Präsidenten des Bundesnachrichtendiensts, August Hanning, vor, mehr als 100.000 Euro von Christina Block für eine „Rückholung der Kinder“ angenommen zu haben. Mitte September durchsuchten Beamte in diesem Zusammenhang mehrere Geschäfts- und Wohnräume. Hanning bestreitet die Vorwürfe.





















