Prozess gegen Susann E.: Jetzt muss Zschäpe aussagen | ABC-Z

Keinen Blick, kein Lächeln tauschen Beate Zschäpe und Susann E. aus, als sie sich nach Jahren wiedersehen. Einst waren sie enge Freundinnen, „die Wichtigste für mich“, wie Zschäpe sagt. Jetzt, wo Susann E. auf der Anklagebank sitzt und Zschäpe in Handschellen als Zeugin vor das Oberlandesgericht Dresden geführt wird, meiden die beiden Frauen den Blickkontakt. Erst als Zschäpe in der Vernehmung von E.s Kindern spricht und sagt, sie vermisse sie, bröckelt E.s Fassade. Sie setzt die Brille ab und wischt sich eine Träne aus dem Auge.
Susann E. wird vorgeworfen, dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) geholfen zu haben. Die Terrorgruppe, zu der neben Zschäpe im Kern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gehörten, erschoss zehn Menschen aus rassistischen Motiven. Dutzende weitere verletzte sie durch Sprengstoffanschläge.
Als sie selbst auf der Anklagebank saß, schwieg Zschäpe lange. Schließlich akzeptierte sie eine „moralische Schuld“. Doch viele Fragen blieben ungeklärt. Eine, die besonders die Opferangehörigen beschäftigt, lautet bis heute: Wer war noch Teil des Terrornetzwerks?
Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt: Susann E. wusste Bescheid
Mit Zschäpe wurden damals vier Männer verurteilt, die dem Trio zum Beispiel Wohnungen oder Waffen besorgt hatten, unter anderem der Ehemann von Susann E. Zschäpe sagte damals, sie hätten nichts von den Morden gewusst. Das behauptete sie auch über Susann E. Doch vor zwei Jahren sagte sie in einer Vernehmung durch das Bundeskriminalamt, E. habe schon gewusst, „weswegen wir weg sind“. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass das bedeutet: Susann E. wusste von den Morden, dem Grund für das Leben im Untergrund, und half dem NSU trotzdem.
E. soll unter anderem Beate Zschäpe die eigene Krankenversicherungskarte geliehen haben, damit diese zum Arzt gehen konnte. Sie fuhr Zschäpe und Böhnhardt auch zu einem Wohnmobilverleih, wo die beiden das Fahrzeug mieteten, das sie für ihren letzten Raubzug im November 2011 nutzten. Als sie danach aufzufliegen drohten, erschossen sich die Männer selbst. Zschäpe steckte darauf die konspirative Wohnung in Zwickau in Brand, verschickte die Bekennervideos des NSU und begab sich auf die Flucht, bevor sie sich der Polizei nach vier Tagen stellte.
Jetzt sitzt Zschäpe wieder im Gerichtssaal und muss sich erst in ihre neue Rolle einfinden – als Zeugin hat sie kein Schweigerecht. Als die Vorsitzende Richterin Simone Herberger ihr sagt, dass der Senat auch Details über den NSU in Erfahrung bringen will, reagiert Zschäpe abwehrend: „Ich bin ja abgeurteilt, ich war jetzt schon der Meinung, dass ich zu meinem Verhältnis zu Frau E. befragt werde.“ Aber da Susann E. die Beihilfe zu besonders schwerer räuberischer Erpressung und die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, wird es in der Vernehmung eben auch um den NSU an sich gehen.
Die Angehörigen der Opfer haben kaum Hoffnung auf Aufklärung
Zschäpe atmet einmal aus, dann erzählt sie von ihrer Zeit im Untergrund, „steht ja alles in meinem Urteil“. Immer wieder sagt sie, sie könne sich nicht gut erinnern. „Die Zeit verwischt sehr vieles.“ Ihre Konzentrationsfähigkeit nehme von Jahr zu Jahr ab, ebenso die Belastbarkeit, „das ist so’n richtiger Haftschaden“.
Hoffnung, dass bei der Vernehmung etwas herauskommen könnte, hatten viele Angehörige der Opfer wohl ohnehin nicht. Gamze Kubaşık, die Tochter des vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, murmelte beim Betreten des Zuschauerraums: „Das wird eh nur Wischiwaschi.“
Ihre Vermutung bestätigt sich in den ersten zweieinhalb Stunden bis zur Mittagspause, in denen Zschäpe vernommen wird. Erst will sie nicht mehr gewusst haben, wann sie Susann E. das letzte Mal gesehen hat, bevor sie sich der Polizei stellte, spricht von „irgendwann im Jahr 2011“. Als ihr die Vorsitzende Richterin vorhält, dass E. sie zur Anmietung des Wohnmobils gefahren habe, bestätigt sie das plötzlich.
Angeblich stellte Susann E. keine Fragen
Kennengelernt habe sie Susann E. 2007, sagt Zschäpe. Der NSU stand da kurz vor dem Auffliegen. Nach einem Wasserschaden hatte jemand aus dem Wohnhaus des Trios Zschäpe als Zeugin benannt – als die Polizei klingelte, gab sie sich als Susann E. aus, die Frau ihres engen Vertrauten André. Zschäpe nutzte danach für ihre Aussage E.s Ausweis. Danach entstand eine enge Freundschaft.
Die Anklage geht davon aus, dass Susann E. spätestens da wusste, warum Zschäpe ihre Identität bei der Polizei nicht preisgeben konnte. Zschäpe hält dagegen, dass sie ihre Standarderklärung verwendet habe, warum das Trio im Untergrund lebte: Dass bei ihnen in Jena Sprengstoff gefunden worden war, dass ihnen darum Haft drohe und sie die Verjährung abwarteten. „Ich war schon gut darin, abzuwiegeln.“
In einer früheren Vernehmung hatte Zschäpe ausgesagt, E. habe ihre Unruhe gespürt, „wenn was anstand“. Wie passt das dazu, dass sie nichts von den Überfällen und Morden gewusst haben soll? Zschäpe nimmt einen Schluck Limo, dann gibt sie zu, dass „man“ der Familie E. „schon erzählt habe, dass Banküberfälle begangen werden“.
Zschäpe wird ungehalten
Mehrfach hakt Richterin Herberger nach, was Zschäpe ihrer Freundin erzählt habe, um das Leben im Untergrund zu erklären. Zschäpe behauptet, Susann E. habe nicht nachgefragt. „Ich weiß, dass das nicht alles unbedingt logisch ist“, sagt sie. „Es ist insgesamt so, dass unser ganzes Leben nicht logisch abgelaufen ist.“ Zschäpe wird lauter: „Die Sache war nun mal so.“
Als Herberger fragt, wie es um Susann E.s politische Gesinnung gestanden habe, weicht Zschäpe aus: „Ich weiß, dass sie sich früher auch in der rechten Szene bewegt hatte.“ Und wie habe E. zu den Tätowierungen ihres Mannes gestanden? Auf seinem Bauch prangte der Schriftzug „Die, Jew, Die“. Darüber hätten sie nicht gesprochen. Aber, sagt Zschäpe, „sie steht ja selber auf Tätowierungen“. An E.s Nacken blitzt ein Schmetterlingstattoo hervor.
Immer wieder erfragt die Vorsitzende Richterin neue Details. Nach der Mittagspause wird Zschäpe darüber langsam ungehalten. Sie fühle sich „unwohl“: „Das ist ja im Grunde, als ob ich selbst angeklagt bin.“ Doch vorbei ist es für sie noch nicht. Die Vernehmung soll am Donnerstag fortgesetzt werden. Für Zschäpe könnte sich das lohnen: Nächstes Jahr wird entschieden, wann ihre lebenslange Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Reue und Kooperationsbereitschaft könnten sich da positiv auswirken.





















