Proteste gegen Touristen in Spanien mit Böllern und Wasserpistolen | ABC-Z

Die Wut wächst. Dieses Mal hat sich der Süden Europas koordiniert und den Sonntag zu einem internationalen Protesttag ausgerufen. In Spanien, Italien und Portugal setzte die Plattform „Sur de Europa contra la Turistización“ (Südeuropa gegen die Touristifizierung) Protestzüge in Marsch, um gegen die Folgen des Massentourismus zu demonstrieren. Dieses Mal ging es weniger friedlich zu als vor einem Jahr. Die Polizei stoppte die Demonstranten in der Nähe der Sagrada-Familia-Basilika. „Der Tourismus stiehlt uns unser Brot, unser Dach und unsere Zukunft“, stand auf den Plakaten, die gut 600 Demonstranten mit sich führten, während sie Böller abfeuerten und bengalisches Feuer entzündeten. Vor einem Hotel kam es zu einer Rangelei mit Sicherheitskräften.
In Barcelona kamen weniger Demonstranten als vor einem Jahr, einige brachten wieder Wasserpistolen mit. 2024 hatten Aktivisten damit Urlauber auf Restaurantterrassen „beschossen“, was weltweit Aufmerksamkeit erregte. Internationale Medien bis hin zur „New York Times“ warnten deshalb Reisende vor dem Protesttag und rieten ihnen, am Sonntag vorsichtig zu sein.
Spanien steht vor einem neuen Urlauberrekord
Die Frustration ist seit den großen Demonstrationen des vergangenen Jahres gewachsen, denn sie zeigten keinerlei Wirkung: Spanien steht vor einem neuen Urlauberrekord und könnte in diesem Jahr die 100-Millionen-Marke überschreiten. Noch vor dem Beginn der Hauptsaison kamen bis Anfang Juni schon mehr als 25 Millionen Touristen; das waren gut sieben Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gleichzeitig steigen die Miet- und Immobilienpreise ungebremst.
Auf den Kanaren hatten in diesem Mai schon 20.000 Einwohner demonstriert. In Palma de Mallorca fand mit dem Slogan „Für das Recht auf ein würdiges Leben müssen wir die Touristifizierung stoppen“ die größte Demonstration am Sonntag statt, dort waren es nach Angaben der Polizei 8000 Teilnehmer. Die Veranstalter sprachen von 30.000. Am Tag zuvor hatten Aktivisten einen Sightseeing-Bus gekapert und ein Plakat an dem Fahrzeug angebracht. Im Sommer 2024 hatten gut 50.000 vergeblich gefordert, dem Tourismus Grenzen zu setzen. Auf Ibiza, in Granada und in San Sebastián wurde ebenso protestiert, wie in Genua, Venedig und Neapel. In Lissabon wurde der Stadtheilige Antonius symbolisch aus seiner Kirche vertrieben.
Die Durchschnittsmieten steigen
Die portugiesische Hauptstadt wird wie Barcelona für immer mehr Bewohner unbezahlbar. Sie sind nicht generell gegen Touristen, sie wollen nur weniger. Auch am Sonntag ging es letztlich wieder um die sich verschärfende Wohnungsnot in Südeuropa. In Spanien greift die Stadtverwaltung von Barcelona am stärksten durch. Bis Ende 2028 sollen die Lizenzen für die knapp 10.000 Ferienwohnungen mit mehr als 40.000 Betten enden und nicht mehr erneuert werden. Im Rathaus hofft man darauf, dass diese Wohnungen auf den regulären Markt zurückkehren und dort Entlastung schaffen.
Doch die Vermieter der Ferienwohnungen wollen nicht mehr die Sündenböcke sein und legten am Freitag eigene Zahlen vor. Wegen strengerer Beschränkungen sei in Barcelona zwischen 2021 und 2024 das Angebot um fast 50 Prozent gesunken, rechnet man bei der Vermietungsplattform Airbnb vor: Trotzdem wuchsen die Touristenzahlen weiter und die Durchschnittsmieten stiegen.
Für Airbnb ist klar, wer schuld an der Überfüllung ist: „Overtourism wird überwiegend durch die Hotels angetrieben“, heißt es in einer neuen Studie, die der für Spanien zuständige die Airbnb-Direktor Jaime Rodríguez de Santiago am Beispiel Barcelonas erläuterte. „Von den 40 Millionen Übernachtungen in Barcelona entfielen im Jahr 2023 72 Prozent auf Hotels und ähnliche Unterkünfte. In der gesamten EU liegt der Anteil sogar bei 78 Prozent“, sagte der für Spanien und Portugal zuständige Airbnb-Chef.
Der lokale Verband der Ferienwohnungsvermieter Apartur wies in der vergangenen Woche darauf hin, dass weniger als ein Prozent aller Wohnungen in der Stadt Touristenapartments seien. Es gebe keine Garantie dafür, dass diese nach dem Ende der Lizenzen auf den regulären Mietmarkt zurückkehren. „Wir haben eine Umfrage in Auftrag gegeben. Demnach wollen nur drei Prozent ihre Wohnung ganz normal vermieten, 97 Prozent wollen sie verkaufen, leer stehen lassen oder für kürzere Zeiträume an Studenten vermieten“, sagt der Präsident von Apartur, Enrique Alcántara. Der Wegfall der Ferienwohnungen könnte in Barcelona bis zu 40.000 Arbeitsplätze bedrohen und 1,9 Prozent der Wirtschaftsleistung gefährden. Apartur und andere Eigentümer wollen bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um die Pläne des Bürgermeisters zu stoppen.