Wirtschaft

Cookinseln: Schatzsuche im Inselreich | ZEIT ONLINE | ABC-Z

Louisa Castledine lässt keinen Tag vergehen, an dem sie nicht ins Meer springt. Die Stimmen der Menschen und Schreie der Vögel bleiben über ihr zurück, wenn sie durch Korallenwälder, Schwärme aus Stachelmakrelen und Versammlungen steinalter Meeresschildkröten taucht. “Seit ich ein Kind bin, kenne ich mich unten fast besser aus als an Land”, sagt Castledine, 36 Jahre alt, die auf den Cookinseln aufgewachsen ist: einer Gruppe von 15 Pazifikinseln, die nach dem britischen Entdecker James “Käpt’n” Cook benannt worden sind.

Das Tauchparadies ihrer Jugend lag rings um eine besonders entlegene Cookinsel, das 180-Seelen-Atoll Manihiki, wo damals noch das Perlenfischen das größte Geschäft war. Doch inzwischen kann man auf Manihiki kaum noch davon leben. Die Erderwärmung hat den Perlenmuscheln zugesetzt, und nicht nur ihnen: Einige Riffe sterben inzwischen ab, Schädlinge breiten sich unter Wasser aus, viele Menschen sind weggezogen. Auch Castledine lebt jetzt auf der Hauptinsel Rarotonga und hat eine Umweltgruppe, die “Ocean Ancestors”, mitgegründet.

Die Umweltschützer halten jetzt ab und zu Demos am Hafen ab und warnen davor, dass bald noch viel größeres Unheil über die Inseln kommen könnte. Viel Widerhall finden sie in dem Kleinstaat unter den nur 15.000 Einwohnern jedoch nicht. “Unsere Regierung malt uns eine rosige Zukunft aus: Wir werden das Saudi-Arabien des Pazifiks!”, sagt Castledine.

Und was für eine wirtschaftliche Entwicklung da plötzlich möglich scheint! Die ganze Welt schaut neuerdings begierig auf die weit verstreuten Inselreiche im Pazifik, nachdem sie sie einige Jahrzehnte lang mehr oder weniger ignoriert hatte. Im Welthandel wird wieder politischer gedacht, in geostrategischen und sogar militärischen Kategorien. Plötzlich fällt allen auf: Durch die Südsee verlaufen wichtige Routen für Schiffe, die Handelsgüter, Erdöl, Erz und Flüssiggas zwischen Asien und Nordamerika transportieren. Ohne vernünftige Landstützpunkte könnten sie für Blockaden anfällig sein. Wesentliche Internet-Unterseekabel führen durch die Region. Sie sind, wenn man sie unbeaufsichtigt lässt, für Sabotage anfällig.

Auch schwarze Perlen finden sich rings um das Atoll Manihiki. © Imago

Und dann erst die reichhaltigen Ressourcen! Die Landmasse der einzelnen Inselstaaten mag aus kleinen Fleckchen auf der Seekarte bestehen, aber hinzurechnen muss man noch ihre “Ausschließlichen Wirtschaftszonen” auf dem Meer. Das sind gigantische Seegebiete voller Schätze, die knapp geworden sind: Fisch und Meeresfrüchte und – in mehreren Kilometern Tiefe auf dem Meeresgrund – Klumpen voller Mangan, Kupfer, Nickel, Kobalt, Seltener Erden, die man in der Industrie und auch für Waffen braucht.

Der Minister für Internationale Beziehungen, Einwanderung und Meeresressourcen der Cookinseln hat sein Büro im Hauptregierungsgebäude, das im belebten Stadtzentrum der Hauptinsel Rarotonga liegt. Der Politiker ist dort allerdings selten anzutreffen, seit er ein zusätzliches Büro weiter draußen errichtet hat: am Golfplatz. Gleich an der Zufahrt sieht man schon das entsprechende Schild: links Golfen, rechts Außenminister. Tingika Elikana, ein massiger 63-jähriger Mann, empfängt in einem knallblauen Hemd und fasst zur Begrüßung seine politische Philosophie zusammen: “Wir sind hier jedermanns Freund!”

Elikana war auf den Cooks auch schon der Generalstaatsanwalt, der Justizminister und der Chef des Fußballverbandes. Es ist auf den Inseln üblich, dass eine kleine Zahl von Funktionären aus den wohlhabenden Familien reihum die wichtigen Ämter bekleidet. “Die OECD hat uns das Leben tüchtig erschwert, als sie uns 2020 als Hocheinkommensland eingestuft hat”, klagt der Minister. Der Pariser Club der reichsten Länder hatte damals festgestellt, dass vor allem auf der Hauptinsel das Geschäft mit dem Tourismus und mit Briefkasten-Finanzunternehmen so gut läuft, dass die Cooks keine klassische Entwicklungshilfe mehr brauchen.

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