Geopolitik

„Prorussische Narrative“: „Berliner Zeitung“, „Tichys Einblick“ und „Junge Freiheit“ wehren sich gegen Verfassungsschutz | ABC-Z

Der Bayerische Verfassungsschutz warnt vor russischer Desinformation und erwähnt dabei auch deutsche Publikationen. „Berliner Zeitung“, „Tichys Einblick“ und die „Junge Freiheit“ protestierten, teils auch juristisch. Nun spricht die Behörde von „inhaltlichen Missverständnissen“.

Streit um den aktuellen Bericht des Bayerischen Verfassungsschutz: Die gerade erst von Innenminister Hermann (CSU) vorgestellte Analyse musste noch einmal überarbeitet werden. Das teilte der Dienst auf seiner offiziellen Website unter der Überschrift „Klarstellung“ mit.

Zuvor hatten gleich mehrere Medien gegen ihre Erwähnung beziehungsweise Bewertung in der Analyse protestiert. Beklagt hatten sich unter anderem die „Berliner Zeitung“, die „Junge Freiheit“ und „Tichys Einblick“, aber auch der Publizist Alexander Wallasch, der von einer „Schmutzkampagne“ sprach. „Tichys Einblick“ hat sich in der Causa auch anwaltliche Unterstützung gesucht und nach eigenen Angaben durch Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel eine Abmahnung aussprechen lassen.

Der Grund der Kontroverse: Der Verfassungsschutz hatte in dem im August publizierten Bericht erneut sogenannte prorussische Desinformationen beklagt. Verwiesen wurde in dem Zusammenhang etwa auf die sogenannte „Doppelgänger-Kampagne“.

„Die Kampagne versuche mittels täuschend echt aussehender Online-Portale oder Webauftritte bekannter Medien russische Narrative zu verbreiten, um durch bewusste Falschinformationen im Internet und über Social Media demokratische Werte in Frage zu stellen“, heißt es in der offiziellen Mitteilung zum Bericht.

Auch eine TV-Kritik von „Lanz“ im Visier

In einer ausführlichen Analyse des „Doppelgänger“-Phänomens wird auf Seite 25 dann auf bestimmte Webseiten verwiesen, deren Berichte von russischer Seite gerne verbreitet werden würden, weil auch sie, so die explosive These, „russische Narrative“ verbreiten würde.

Es folgt als Beleg eine Sammlung von Links und bestimmten Artikeln. Darunter sind unter anderem Texte von „Berliner Zeitung“, „Compact“, „Deutschlandkurier“, „Focus Online“, „Der Freitag“, „Junge Freiheit“, die „Nachdenkseiten“, „Telepolis“, „Weltwoche“ und „Tichys Einblick“. Dort war der beanstandete Artikel eine TV-Kritik zu einer Sendung von „Markus Lanz“ (ZDF).

Von der „Berliner Zeitung“ wiederum wurde ein Artikel benannt, in dem erläutert wurde, wie sehr die US-Wirtschaft angeblich von den gegen Russland verhängten Sanktionen profitierte.

„Berliner Zeitung“ spricht von Rufschädigung

Die „Berliner Zeitung“ wehrte sich umgehend gegen ihre Erwähnung. Chefredakteur Tomasz Kurianowicz etwa protestierte in einem Kommentar („Auch der Bayerische Verfassungsschutz steht nicht über dem Grundgesetz“) gegen das Vorgehen. Er warf dem Dienst indirekt vor, gegen die freie Meinungsäußerung zu Felde zu ziehen.

In seinem Text heißt es: „Der Verfassungsschutz hat den Auftrag, die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu schützen. Er soll Informationen zu extremistischen und terroristischen Bestrebungen sammeln sowie Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste beobachten und verhindern. Leider löst der Verfassungsschutz sich offenbar von diesem Auftrag. Mittlerweile werden auch freie und unabhängige Medien angegriffen und auf Verdachtslisten gesetzt“.

Die Unterstellungen des Dienstes, so der Chefredakteur, seien „rufschädigend“. „Das ist ein skandalöser Vorgang, der von einer staatlichen Behörde gegen ein unabhängiges Medienhaus ins Rollen gebracht wurde“, urteilt Kurianowicz in seinem Kommentar und auch auf dem Nachrichtendienst X. Dort macht er zudem darauf aufmerksam, dass die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht bereits von anderen Medien im negativen Sinne aufgenommen werde.

„Junge Freiheit“ fordert Unterlassungserklärung

Auch die „Junge Freiheit“ verwahrte sich in einer Mitteilung gegen die Vorwürfe. Chefredakteur Dieter Stein habe nach eigenen Angaben beim Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, Burkhard Körner, gegen den Versuch der Behörde protestiert, „die Wochenzeitung ,Junge Freiheit‘ zu diffamieren“.

„Der Verfassungsschutz behauptet in einer ,Analyse‘ russischer Desinformationskampagnen, Inhalte der JF würden ,grundsätzlich ins russische Narrativ‘ passen“, heißt es in der Mitteilung weiter.

Der Chefredakteur habe den Bayerischen Verfassungsschutz deshalb auffordert, die „entsprechenden Passagen und Abbildungen über die ,Junge Freiheit‘ unverzüglich zu löschen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen“. Stein betonte weiter: „Die ,Junge Freiheit‘ sät keine Zweifel an demokratischen Werten. Das genaue Gegenteil ist der Fall.“

Ebenfalls aktiv wurde „Tichys Einblick“. Das Magazin hat nach eigener Angabe durch seinen Anwalt Steinhöfel erst eine Abmahnung und dann eine Korrektur erwirkt.

„Strukturelle Anpassungen“ am Bericht

Mittlerweile ist der Verfassungsschutz zurückgerudert. In der erwähnten „Klarstellung“ heißt es: „Da es in der öffentlichen Rezeption der Publikation ,Interne Details zu russischer Desinformationskampagne Doppelgänger‘ teilweise zu inhaltlichen Missverständnissen kam, hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz strukturelle Anpassungen des Berichts vorgenommen.“

Nun werde, so stellt es auch „Junge Freiheit“-Chefredakteur Dieter Stein in einem neuen Kommentar fest, deutlich zurückhaltender formuliert.

Jetzt heißt es in dem Bericht: „Einzelne Artikel der in dieser Kategorie aufgelisteten Webseiten wurden durch den Akteur (offenbar Russland, d. Red) weiterverbreitet. Es ist naheliegend, dass die betreffenden Inhalte aus Sicht des Akteurs (Hervorhebung der geänderten Passagen durch die Redaktion) das russische Narrativ unterstützen (…). Hierzu wurden manche der Artikel gezielt aus ihrem Kontext gerissen. (Hervorhebung durch die Redaktion)

Bei X wurde der Vorgang nichtsdestotrotz weiter diskutiert und auch mehrfach kommentiert.

Anwalt Steinhöfel fand deutliche Worte:Nach Abmahnung von TE: Bayerischer Verfassungsschutz (…) spricht von ,Missverständnis‘. Es ist sicherlich eines der eklatantesten Beispiele, wie Staatsorgane versuchen, Medien herabzusetzen.“

krott

Back to top button