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Pro-palästinensische Demo in Berlin: Bericht weckt Zweifel an Polizeidarstellung zu angegriffenem Beamten | ABC-Z

Pro-palästinensische Demo in Berlin

Bericht weckt Zweifel an Polizeidarstellung zu angegriffenem Beamten


Bild: rbb24

Ein Polizist soll bei einer pro-palästinensischen Demo im Mai in Berlin-Kreuzberg schwer verletzt worden sein – laut Polizei durch einen Angriff von Demonstranten. Nun berichten NDR und SZ, eine Videoaufnahme decke sich nicht mit der Darstellung der Polizei.

  • Ausschreitungen bei pro-palästinensischer Demo in Kreuzberg am Nakba-Tag im Mai
  • Polizist erleidet Verletzungen – er soll nach Polizeiangaben niedergetrampelt worden sein
  • NDR und SZ berichten, Videoaufnahme decke sich nicht mit Polizeiangaben
  • Generalstaatsanwaltschaft prüft Video

Bei einer pro-palästinensischen Demo in Berlin am 15. Mai soll nach Polizeiangaben ein Beamter von den Demonstranten schwer verletzt worden sein. NDR [tagesschau.de] und “Süddeutsche Zeitung” [sueddeutsche.de] berichteten am Freitag, ihnen sei ein Video zugespielt worden, das sich mit dieser Darstellung der Polizei nicht decke.

Polizei: “traten massiv auf ihn ein”

Nach Angaben der Polizei hatten am 15. Mai 2025 am Südstern in Berlin rund 1.100 propalästinensische Sympathisanten demonstriert. Der 15. Mai 1948 markiert den Beginn des ersten arabisch-israelischen Krieges. An diesem Tag, auch Nakba-Tag genannt, wird immer wieder daran erinnert, dass Hunderttausende Palästinenser rund um dieses Datum aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder fliehen mussten.

Bei der Demonstration am Berliner Südstern kam zu laut Polizei Ausschreitungen und Festnahmen. Laut Polizeimitteilung vom 16. Mai [berlin.de] wurden Polizeieinsatzkräfte “mit Schlägen, Tritten und Flaschenwürfen” angegriffen. “Im Zuge der dadurch resultierenden polizeilichen Maßnahmen und Festnahmen wendeten die Einsatzkräfte unmittelbaren Zwang in Form von Schieben, Drücken und Schlagtechniken an.” Weiter heißt es: “Mehrere Gewalttäter in der Menge des Versammlungsgeschehens griffen gezielt einen Polizeibeamten an, brachten ihn zu Boden und traten massiv auf ihn ein. Er wurde noch am Ort von Rettungskräften behandelt. Seine Verletzungen waren so erheblich, dass er zur stationären Aufnahme in ein Krankenhaus gebracht wurde, wo er derzeit medizinisch weiterbehandelt werden muss. Lebensgefahr besteht nicht.”

Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen, die Generalstaatsanwaltschaft Berlin übernahm die Ermittlungen, wie tagesschau.de schreibt. Laut einem Polizeisprecher habe sich der Betroffene bei dem Einsatz die rechte Hand gebrochen sowie die Wirbelsäule geprellt haben.

NDR und “SZ”: Tritte auf Beamten nicht zu erkennen

NDR und “SZ” haben nun nach eigenen Angaben eine bisher unbekannte Videoaufnahme ausgewertet. Diese sei zuerst dem gemeinnützigen Verein Forensis in Berlin zugespielt worden und lasse “Zweifel an der Darstellung der Berliner Polizei aufkommen”.

“An keiner Stelle kann man sehen, dass der Polizist in die Menge gezogen oder auf dem Boden auf ihn eingetreten wurde”, schreibt tagesschau.de. Die “Süddeutsche Zeitung” schreibt, der Mann bücke sich in einer Situation “freiwillig, er wird nicht von Anwesenden nach unten gerissen”. Danach stolpere ein Demonstrant durch das Schubsen eines weiteren Polizisten auf den betroffenen Beamten – dieser sei daraufhin aufgestanden und habe “mehrfach und wuchtig auf verschiedene Demonstrierende” eingeschlagen. “

“Kurz darauf begibt er sich zwischen seine Kollegen und hält den rechten Arm geschützt an den Körper. Danach nutzt er nur noch den linken Arm”, heißt es vom NDR. Rund eineinhalb Minuten später würde sich der Polizist gemeinsam mit anderen Richtung einer Absperrung begeben. “Dort wird er von Kollegen aufgenommen und gestützt, bevor er leicht zusammensackt.”

Video liegt auch bei der Generalstaatsanwaltschaft

Zu welchem Zeitpunkt und wie genau es zur Verletzung kam – und ob der Beamte verletzt wurde oder sich selbst verletzt hat – bleibt nach NDR und SZ-Aussagen unklar. Die Szene sei phasenweise unübersichtlich. Doch sehe man auf der Aufnahme nicht, dass der Polizist von Teilnehmenden der Kundgebung gezielt angegriffen und zu Boden gebracht worden sei.

Auf Nachfrage des Rechercheteams von NDR und SZ erklärt die Polizei, die Meldung sei nach dem Einsatz auf Grundlage des Berichts des Führungsstabs verfasst worden. Es bleibe bei der Darstellung: Gewalttäter “griffen gezielt einen Polizeibeamten an, brachten ihn zu Boden und traten massiv auf ihn ein”. Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin dauerten demnach an. Das Bundesinnenministerium verweise weiter auf die Polizeimeldung vom 16. Mai.

Dem rbb teilte der Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Sebastian Büchner, mit, den Ermittlungsbehörden liege das Video seit Freitag vor. Das Video finde nun Eingang in die Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, die seit der Nakba-Demo von der Generalstaatsanwaltschaft gegen Demo-Teilnehmende geführt würden. Sollten sich Anhaltspunkte für mögliche Polizeigewalt ergeben, so Büchner weiter, werde auch in diese Richtung ermittelt.

Forensis, ein gemeinnnützer Verein mit Sitz in Berlin, ist Teil des Netzwerkes von Forensic Architecture (FA) [forensic-architecture.org]. Die Organisation versucht seit 2010, Fälle von Staatsgewalt und Menschenrechtsverletzungen aufzuklären.

Erstellt hat das neu aufgetauchte Video, das Forensis dem NDR und der SZ zugänglich gemacht hat, laut “SZ” ein Mann namens Mohannad Darabee, der ursprünglich aus den Palästinensischen Gebieten komme und als freier Journalist arbeite. Während er die Szene filmte, habe er von dem Polizeieinsatz selbst in dem Moment nicht viel gesehen, sagte Darabee der Zeitung, denn er sei zwischen Protestierenden eingeklemmt gewesen – habe aber die Stange mit seiner Kamera hochhalten können.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.07.2025, 19:30 Uhr


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