Wirtschaft

Primark: Das „Kronjuwel“ verliert an Glanz | ABC-Z

Primark muss seine Gewinnerwartung korrigieren, ausgerechnet im Heimatmarkt Großbritannien und Irland gehen die Verkäufe zurück. Die Modekette gibt dem Wetter die Schuld. Beobachter überzeugt die Begründung nicht – sie sehen andere Probleme.

Damen-T-Shirts ab 3,50 Euro, Herrenhosen für 14 Euro, ein Kinder-Schlafanzug für 6,50 Euro: Die wirtschaftlich herausfordernden Zeiten in Deutschland und Europa sollten der Bekleidungskette Primark eigentlich ein lukratives Umfeld fürs Geschäft bieten.

Doch der Textilhändler hat seine Gewinnerwartung am Donnerstag nach unten korrigiert. Für 2025 sei lediglich ein Zuwachs im niedrigen einstelligen Bereich zu erwarten. Im November hatte der Mutterkonzern Associated British Foods (ABF) noch ein „mittleres einstelliges Wachstum“ in Aussicht gestellt. Dank der Eröffnung neuer Shops konnte Primark im ersten Quartal des Geschäftsjahres, das 16 Wochen bis Anfang Januar umfasst, zwar mit 3,3 Milliarden Pfund (3,9 Milliarden Euro) zwei Prozent mehr umsetzen als in der Vorjahresperiode. Rechnet man die neu eröffneten Ladenlokale aber heraus, bleibt ein Rückgang um 1,9 Prozent.

Vor allem in den Kernmärkten Großbritannien und Irland liefen die Geschäfte schleppend. Auf die beiden Inseln entfallen fast die Hälfte der Umsätze. Die Verkäufe von Bekleidung, Beauty-Produkten und Haushaltswaren, die unter der Marke angeboten werden, blieben um sechs Prozent unter dem Vorjahreswert zurück. Dank Black Friday, Cyber Monday und dem Weihnachtsgeschäft gelten die letzten drei Monate als besonders bedeutend für den Einzelhandel.

„Primark war lange ABFs Kronjuwel, doch es verliert gerade rasch an Glanz“, urteilte Dan Lane, Analyst beim Investmenthaus Robinhood UK. Primark wurde 1969 in Irland von den ABF-Eignern, der kanadischen Unternehmerfamilie Weston, gegründet. Sie ist bis heute Mehrheitseigner des Konzerns. Synergien mit dem übrigen Geschäft gibt es indes nicht. ABF erwirtschaftet die andere Hälfte seiner Erlöse mit einer Reihe Lebensmittelmarken wie Ovomaltine, Mazola-Öl und Twinings-Tee, außerdem mit Zucker, diversen Inhaltsstoffen für die Lebensmittelbranche und Produkten für die Landwirtschaft.

An Attraktivität eingebüßt hat die günstige Bekleidungskette allerdings ausschließlich im Heimatmarkt. „Primarks internationale Performance war deutlich besser, hat den Rückgang mehr als wettgemacht“, sagte Aarin Chiekrie, Analyst beim Finanzdienstleister Hargreaves Lansdown. Im US-Markt, in dem Primark seit 2015 vertreten ist, stiegen die Umsätze um 17 Prozent, in der Region Zentral- und Osteuropa sogar um 22 Prozent. In Nordeuropa lag das Plus bei fünf Prozent. Dabei verwies das Unternehmen auf kräftige Zuwächse in Deutschland und den Niederlanden.

Primark gibt ungewöhnlich milden Temperaturen die Schuld

Zur Begründung für das enttäuschende Abschneiden in Großbritannien verwies Primark aufs Wetter und das schwächelnde Verbrauchervertrauen. Ungewöhnlich milde Temperaturen im November und Dezember hätten vor allem saisonale Produkte wie Mäntel oder Pullover getroffen.

Doch der Verweis auf den wärmeren Herbst überzeugte nicht alle Beobachter. „Handelsunternehmen geben immer gerne dem Wetter die Schuld, wenn es nicht richtig läuft“, sagte Russ Mould von AJ Bell. Der britische Herbst sei zwar vergleichsweise mild gewesen, der Winter dafür aber umso kälter. In den letzten Wochen der Berichtsperiode hätten entsprechende Käufe eigentlich durchschlagen müssen.

Wenn es allerdings Primark nicht gut gehe, sei das ein Hinweis, dass der Einzelhandel in Großbritannien in Schwierigkeiten stecke, argumentierte Mould. Laut einer aktuellen Umfrage des Branchenverbandes British Retail Consortium (BRC) ist das Verbrauchervertrauen im Land tatsächlich auf einen Tiefpunkt gefallen. Sowohl für die allgemeine wirtschaftliche Lage als auch für die privaten Finanzen gelte das.

Nach einem positiven Start hat das britische Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr enttäuscht. Die Aussicht auf höhere Mindestlöhne und Sozialabgaben der Arbeitgeber hat zudem bei vielen Unternehmen zu Verunsicherung geführt. Am Donnerstag kündigte der Lebensmittelhändler J Sainsbury mit Verweis auf gestiegene Kosten den Abbau von 2000 Stellen an, zwei Prozent der Belegschaft.

Lane von Robinhood verweist außerdem auf die wachsende Konkurrenz bei günstigen Bekleidungsangeboten durch die rasant wachsenden chinesischen Shopping-Plattformen Shein und Temu. Umso mehr gilt das, da Primark bis heute Online-Käufe nur dann möglich macht, wenn die Verbraucher ein Produkt anschließend selbst im Laden abholen. Der Versand ist nicht vorgesehen.

Primark gilt als besonders kostenbewusst

„Click and Collect bringt es heute nicht mehr“, sagte Lane. Auch wenn die Umsätze sich wieder verbessern, bliebe der Vormarsch der chinesischen Konkurrenz ein Risiko fürs Geschäft. Das gelte auch für Second-Hand-Plattformen wie Vinted.

Mit dem Verzicht auf ein Online-Angebot steht Primark unter den großen Bekleidungsketten praktisch alleine da. Das Unternehmen begründet den Schritt stets mit dem Hinweis auf die Kosten und den Druck auf die Marge. In der Branche gilt der Händler als besonders kostenbewusst.

Branchenbeobachter verweisen darauf, dass sich die Strategie nicht nur beim fehlenden Webauftritt, sondern in zahlreichen Details von großen Wettbewerbern in der nächsten Preiskategorie, etwa Zara oder H&M unterscheidet. Seit der Jahrtausendwende schlagen sie mit Fast Fashion in immer kürzeren Abständen Kollektionen um.

Auch Primark hält nicht am hergebrachten Ansatz von einem Angebot für eine ganze Jahreszeit fest. Doch das Unternehmen lässt sich mit seinen Kleidern, Hemden und Pullovern ein wenig mehr Zeit und kann dank des geringeren Zeitdrucks mit Zulieferern bessere Preise aushandeln. Bei der Werbung ist das Unternehmen zurückhaltender, dafür sind die Shops umso größer und schaffen dennoch beeindruckende Durchsätze. Laut einer Studie der Investmentbank Bernstein von 2021 verkauft Primark je Quadratmeter Ladenfläche zehnmal so viel Kleidung wie H&M.

Claudia Wanner schreibt für WELT vor allem über die britische Wirtschaft.

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