Presseschau zu Brosius-Gersdorf: “Niederlage im neu eröffneten deutschen Kulturkampf” | ABC-Z

Die Presse befürchtet nach dem Verzicht von Frauke Brosius-Gersdorf auf ihre Kandidatur als Richterin am Bundesverfassungsgericht negative Auswirkung auf die Demokratie und ihre Institutionen. Konservative Medien weisen den Vorwurf einer medialen Kampagne gegen die Juristin zurück.
Die Badischen Neuesten Nachrichten bezeichnen den Rückzug als “die erste große, öffentliche Niederlage im neu eröffneten deutschen Kulturkampf” und ziehen Parallelen zu den USA. “Dieser Schaden wird bleiben”, schreibt die Rheinpfalz. Viele regionale und überregionale Medien sehen dabei nicht nur das Parlament samt großer Koalition beschädigt, sondern auch das Verfassungsgericht selbst.
“Die Sommer-Posse könnte dafür sorgen, dass künftig geeignete Bewerber lieber nicht ihren Hut in den Ring werfen”, befürchtet die Rhein-Neckar-Zeitung. Der Kölner Stadt-Anzeiger warnt zudem davor, dass sich ein solcher Vorgang innerhalb der großen Koalition wiederholen könnte. “Wie soll die SPD sicher sein, dass Zusagen künftig eingehalten werden?” Die Südwest Presse sieht in diesem Zusammenhang nun vor allem Friedrich Merz und Lars Klingbeil in der Verantwortung. “Auf sie kommt es nun an, dass die Risse der vergurkten Richterwahl nicht das Fundament der gesamten Koalition sprengen.”
Kritik an Rechtsruck innerhalb der Union
Vor allem die Union wird für ihr Vorgehen kritisiert. Dass sie auf eine Kampagne rechter Akteure hereingefallen sei, mache die Union “angreifbar”, urteilen die Nürnberger Nachrichten. Die Heilbronner Stimme bezeichnet den Vorgang als “beschämend”.
Andere Medien sehen sogar einen Rechtsruck innerhalb der Union. Die Stuttgarter Zeitung schreibt: “Nach der beschämenden gemeinsamen Abstimmung im Bundestag von Union und
AfD demonstrieren die Christdemokraten erneut, dass es heute schon
Politikbereiche gibt, in denen sie keiner anderen Partei näherstehen
als den Rechtsaußen.” Der Reutlinger General-Anzeiger kritisiert,
dass die Union nach dem Eklat im Bundestag das Gesprächsangebot von
Brosius-Gersdorf nicht angenommen hat. “Entweder zeugt das von
beispielloser Ignoranz, oder Teile der Union
stehen deutlich weiter rechts, als es der Bundeskanzler wahrhaben will.”
FAZ verteidigt sich gegen Vorwurf der medialen Kampagne
Die NZZ sieht hingegen Brosius-Gersdorf als Verantwortliche des Eklats. Ihre Positionen zur Abtreibung und zum Kopftuch seien “schlicht nicht zustimmungsfähig”. Wenn Brosius-Gersdorf eine mediale Kampagne und die Instrumentalisierung von Politikerinnen und Politikern kritisiere, schwäche sie das Vertrauen in Abgeordnete.
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung positioniert sich zu dem Vorwurf der medialen Kampagne. Jürgen Kaube, einer der vier Herausgeber der Zeitung, hält
der Juristin vor, in ihrer Erklärung zum Rückzug blind um sich zu schlagen. Der Vorwurf, “Journalisten dieser Zeitung hätten eine ehrabschneidende Kampagne gegen sie geführt” sei “verstiegen”.
Positive Worte für Brosius-Gersdorfs Verhalten finden sich bei der Glocke und dem MDR. “Das von Brosius-Gersdorf demonstrierte Verantwortungsbewusstsein ist
etwas, das vor allem Unionsfraktionschef Jens Spahn wie auch Teile der
Unionsfraktion haben vermissen lassen”, schreibt etwa die Glocke. Ihr Rücktritt sei “ein starkes Zeichen von Integrität und Verantwortungsbewusstsein, das Respekt verdient”. Der MDR bezeichnet den Rückzug als “nachvollziehbar” und gleichzeitig bedauernswert: “Gerade jetzt brauchen wir unaufgeregte, sachliche Stimmen wie ihre.”