Presseschau: “Sie hat Trump nicht die Manege überlassen” | ABC-Z
Nach dem TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump bewertet die internationale Presse den Auftritt der beiden Präsidentschaftsbewerber. Die New York Times sieht die Debatte als “uneingeschränkten Erfolg für Harris, nicht nur, weil sie in der Lage
war, sich selbst und ihre Pläne zu definieren, sondern auch, weil sie es
schaffte, ein paar Knöpfe bei Trump zu drücken und ihn dazu zu bringen,
sein wahres Ich zu zeigen”. Den ganzen Abend habe Harris geschafft, “was Biden nicht gelungen war, als er sich um eine Wiederwahl bewarb:
Trump auf eine Art zu provozieren, die entblößte, dass er Lügen und
wilde Fantasien verspritzt.” Trumps Auftritt hingegen nennt die Zeitung “eine Form selbstbezogener Hysterie”.
Die Washington Post beobachtet eine andere Dynamik als in früheren Debatten unter Beteiligung von Trump: Sein “Geniestreich” habe in der Vergangenheit darin bestanden, “seine Gegner in die Defensive zu treiben. Harris drehte den Spieß um und brachte ihn fast die gesamte Nacht
in die Defensive. Sie blieb ruhig. Er wurde immer wieder wütend. Sie
sah entspannt aus. Er wirkte unglücklich und, gelegentlich knurrend,
verärgert. Fazit: Harris musste sich akzeptabel machen für
unentschiedene Wähler. Das hat sie getan.”
Auf diese sieben Swing-States kommt es
an
-
North Carolina
16 Wahlleute
-
Pennsylvania
19 Wahlleute
Kamala Harris habe “den Haken ausgeworfen”, schreibt Politico, “und Donald Trump biss an – immer und immer wieder”. Im Ergebnis sei Trump in die Defensive geraten und habe damit gekämpft, “Treffer
zu erzielen, selbst als die Diskussion mit Themen wie Einwanderung und
Wirtschaft auf ein für ihn sichereres Territorium überging”.
Der englische Independent schreibt: “Die hitzige Präsidentschaftsdebatte zwischen Donald Trump und Kamala
Harris vermittelte das Bild eines verschmähten ehemaligen Präsidenten,
der sich eine Rückkehr zu seiner Ära wünscht, und einer hoffnungsvollen
Vizepräsidentin, die dringend eine andere Zukunft anstrebt.” The Telegraph aus England ist ein wenig zurückhaltender: “Es fällt schwer, Harris zur Gewinnerin einer politischen Debatte zu
küren, in der sie so wenig über ihr eigenes Programm gesagt hat. Aber
ihre Angriffstaktik hat ihr an diesem Abend den Sieg beschert. Trump ist voll darauf hereingefallen.”
“Es war ein positiver Abend für Harris – mit dem Sahnehäubchen der
Unterstützung durch Taylor Swift via Instagram“, kommentiert der italienische Corriere della Sera. “Harris hat
gezeigt, dass sie sich nicht nur vor einem Parteitagspublikum, sondern
auch im kontroversen Duell gut behaupten kann. Aber das ist nicht der
Grund, warum sie zur Matadorin geworden ist: Sie hat Trump nicht die
Manege überlassen.” Dennoch habe sie “den Test der härtesten Fragen im Amt
noch nicht bestanden”.
“Je wütender Trump wird, desto stärker wirkt sie”
Die niederländische de Volkskrant analysiert die Körpersprache der beiden Kandidierenden und schreibt über Kamala Harris: “Je wütender Trump wird, desto stärker wirkt sie. Immer weiter lehnt sich
Trump über das Rednerpult, die Schultern gekrümmt. Harris, die
gleichzeitig auf dem geteilten Bildschirm zu sehen ist, lächelt
entspannt. Das Muster wiederholt sich immer wieder. Unablässig drückt
Harris auf eine empfindliche Stelle und Trumps Reaktionen steigern sich
zu Raserei.”
Doch die niederländische Zeitung gibt auch zu bedenken: “Trump dürfte am Dienstagabend nur wenige
Kritiker für sich eingenommen haben. Dennoch ist es fraglich, ob diese
Debatte einen großen Unterschied für ihn machen wird. Seine treuen
Anhänger haben nichts gesehen, was sie nicht schon lange von ihm gewohnt
sind.”
Die polnische Rzeczpospolita schreibt: “Kamala Harris brauchte einen Durchbruch. Am Dienstagabend entdeckte
Amerika eine Politikerin, die zubeißen kann. Schmerzhaft. An mehreren
Stellen der 90-minütigen Debatte gelang es ihr sogar, Trump
aus dem Gleichgewicht zu bringen. Zum Beispiel, als sie sagte, dass die
Leute seine Kundgebungen aus Langeweile verlassen, oder als sie
behauptete, dass die führenden Politiker der Welt über ihn lachen.”
Außerdem heißt es in der polnischen Zeitung: “Zu Beginn der Debatte erinnerte Harris daran, dass sie die Einzige auf
dem Podium sei, die aus der Mittelschicht stammt.” Es sei hingegen der
Milliardär Trump gewesen, “der auf die größte Plage der
US-Bevölkerung hinwies. Es sind vor allem die sprunghaft gestiegenen
Preise, die immer mehr Güter für Millionen unerschwinglich machen.
Deshalb fürchten viele Amerikaner die Verarmung und ärgern sich über die
liberalen Eliten, aus denen auch Harris stammt.”