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Deutsche Post: Das leise Ende des Tarifstreits? Dieser Deal macht es möglich | ABC-Z

Die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post ziehen sich erstaunlich lange hin. Dabei könnte es doch noch schneller als gedacht zu einer Einigung kommen. Denn die Post ist auf die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften angewiesen, um eigene Pläne umsetzen zu können.

Anders als zuletzt bei der Deutschen Bahn und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hat sich die Deutsche Post bisher nicht mit der Gewerkschaft Verdi auf einen neuen Tarifvertrag einigen können. Während die Löhne und Gehälter der 192.000 Eisenbahner bis Ende 2027 um rund 6,5 Prozent steigen, müssen die etwa 170.000 Tarifbeschäftigten der Post im Brief- und Paketdienst noch um eine aus ihrer Sicht angemessene Erhöhung streiten.

Allerdings hat Verdi zugesichert, vor der Bundestagswahl nicht zu weiteren Warnstreiks in der Briefzustellung aufzurufen. Der Tarifkonflikt solle keine Auswirkungen auf die Briefwahl haben, beteuert Verdi. Und doch gibt es einen wichtigen Grund dafür, warum es auch im Tarifstreit der Post rasch zu einem Abschluss und nicht zu einer Urabstimmung samt groß angelegtem Streik kommen könnte.

Noch liegen Forderung und Angebot weit auseinander. Der Arbeitgeber Deutsche Post schlägt eine Lohnsteigerung von rund vier Prozent verteilt auf die nächsten beiden Jahre vor. Knapp zwei Prozent zum Juli 2025 und weitere zwei Prozent zum Herbst 2026 soll es geben. Zudem sollen diejenigen Beschäftigen, die noch keine 30 Urlaubstage haben, einen zusätzlichen Tag erhalten. Nach Angaben der Post wären dies rund zwei Drittel der Belegschaft. Zum Vergleich: Die vorherige Tarifeinigung aus dem Jahr 2023 brachte der Belegschaft der Post im Brief- und Paketversand ein Lohnplus von knapp zwölf Prozent.

Verdi spricht von „Reallohn-Einbußen“

Dagegen fordert die Gewerkschaft Verdi für die Post-Beschäftigten aktuell eine Tarifsteigerung von sieben Prozent bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten. Zudem soll es drei Tage zusätzlichen Urlaub geben sowie einen weiteren für Verdi-Gewerkschaftsmitglieder. „Das von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist völlig unzureichend und würde bei einer Annahme deutliche Reallohn-Einbußen für die Beschäftigten bedeuten“, lautete die Reaktion von Andrea Kocsis, stellvertretende Verdi-Vorsitzende und Verhandlungsführerin, nach der dritten Verhandlungsrunde.

Die Fachgewerkschaft DPVKOM, die aus dem früheren Deutschen Postverband hervorgegangen ist und ebenfalls Post-Beschäftigte vertritt, nennt als Forderung eine Lohnerhöhung um acht Prozent. Nach der Vorstellung soll es mindestens ein Monatsplus von 350 Euro geben. „Eine Einigung ohne eine Urabstimmung über Streiks ist immer noch möglich“, sagt Gewerkschaftschefin Christina Dahlhaus. Dazu müsse der Vorstand sein Angebot allerdings deutlich verbessern.

Beide Seiten, die Arbeitgeber mit Personalvorstand Thomas Ogilvie und die Gewerkschaft, wollen die Verhandlungen nach eigenen Angaben möglichst rasch fortzusetzen. Und dabei könnte es dann doch, schneller als gedacht, zu einer Tarifeinigung kommen. Grund dafür ist die geplante sogenannte „Austöchterung“ des Brief- und Paketgeschäfts. Denn der Konzern DHL Deutsche Post will genau dieses Geschäft in eine eigenständige Gesellschaft umwandeln. Der Arbeitstitel heißt „Neue Deutsche Post“, die dann zwar Teil der DHL Group bleiben, aber rechtlich eine eigene Einheit bilden soll. Auf gleiche Weise soll auch das E-Commerce-Geschäft von DHL in eine neue Gesellschaft überführt werden.

Notwendig dafür sind umfangreiche Überleitungstarifverträge und dazu wiederum braucht der Vorstand der Post die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften Verdi und DPVKOM. Angesetzt sind Verhandlungen dazu ab März, bereits im Juni sollen sie abgeschlossen sein. „Es gibt die Zusage der Post, dass sich an den Verträgen der Beschäftigten nichts ändern soll“, sagt DPVKOM-Chefin Dahlhaus. Betroffen sind nahezu alle Vertragstexte – vom Manteltarifvertrag über die Entgeltverträge oder die Betriebsrente bis hin zu Regeln zum Kündigungsschutz. Die Rollen sind klar verteilt: Der Vorstand ist auf eine kooperative Arbeit mit den Arbeitnehmervertretern angewiesen, um die eigenen Pläne umsetzen zu können.

Doch diese Veränderung gibt auch Raum für Spekulationen. Investoren wie die Fondsgesellschaft DWS oder Deka Investment verlangen seit Längerem, den Verkauf der Briefsparte zu prüfen. Im Unterschied etwa zum wachsenden weltweiten Expressversand oder dem Logistikgeschäft von DHL schrumpft der nationale Briefversand. Zudem ist dieser Teil der DHL-Group von staatlicher Regulierung betroffen. Erwartet wird, dass eine Abspaltung oder ein Verkauf den Aktienkurs von DHL fördern würde. Vorbilder an den weltweiten Börsenplätzen sind die US-Konzerne und DHL-Konkurrenten United Parcel Service oder Federal Express.

Der Vorstand der DHL Group dementiert bislang derartige Pläne für das Briefgeschäft. „Wir glauben fest daran, dass wir der beste Eigentümer sind“, sagte Vorstandsvorsitzender Tobias Meyer zuletzt. Eine Basis für eine Verselbstständigung oder einen Verkauf wird es demnächst dennoch geben. Die Gewerkschaft schaut realistisch auf die Veränderung. „Ich glaube nicht, dass mit der Verselbstständigung des Brief- und Paketbereichs ein Verkauf der Sparte in naher Zukunft beabsichtigt ist. Aber die Grundlagen dafür sind damit gelegt“, sagt DPVKOM-Chefin Dahlhaus.

Eine Folge wird die Ausgliederung in jedem Fall haben: Erstmals wird es Transparenz über die wirtschaftliche Situation im Brief- und Paketgeschäft der Post geben. Denn bislang werden etwa die Zahlen zum Ergebnis nur gemeinsam und auch nicht im Detail genannt. Allzu oft beschreibt der Vorstand der Post die Lage im Briefgeschäft kritisch.

„Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind aufgrund rückläufiger Briefmengen und der von der Bundesnetzagentur festgelegten unzureichenden Preissteigerungsspielräume, die nicht einmal die Inflation ausgleichen, äußerst schwierig“, sagte zuletzt Personalvorstand Ogilvie. Dazu müsste es dann in Zukunft – in der Zeit einer eigenständigen Brief- und Paketsparte – auch Hinweise aus dem Geschäftsbericht geben.

Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet über Schifffahrt, Logistik, den Tankstellen– und Kaffeemarkt sowie Mittelstandsunternehmen.

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