Prämien für den EM-Titel: 120.000 Euro? Klingt ritterlich. Ist es aber nicht | ABC-Z

Die Schlagzeile liest sich prima. Der DFB verdoppelt die Prämien, die die deutschen Fußballerinnen bei der EM im Sommer erhalten können. Für den Turniersieg soll es nun 120.000 Euro für jede Spielerin geben. Ein mehr als solider Bonus für einen knappen Monat Arbeit. Klingt gut – jedenfalls bis man sich daran erinnert, welche Prämie im vergangenen Jahr für die Männer ausgelobt wurde: 400.000 Euro, mehr als dreimal so viel.
Und damit mitten hinein in die Debatte um Equal Pay und den Gender-Pay-Gap. Frauen bekommen in Deutschland für die gleiche Arbeit derzeit etwa 6 Prozent weniger Geld als Männer. Schon das ist ein krasser Missstand. Beim DFB beträgt die Lücke unverschämte 70 Prozent.
Der Verband ist also nicht der Vorreiter einer gesellschaftlichen Bewegung, als der er sich selbst inszeniert (“wichtiges Zeichen”, Präsident Bernd Neuendorf). Dabei wäre genau diese Rolle von einem gemeinnützigen Verband, der auf einer Millionenbühne agiert, durchaus zu erwarten. Stattdessen hinkt er der gesellschaftlichen Realität sogar peinlich hinterher.
Dabei ist er in einer Sonderrolle. Die Forderung nach Equal Pay im Fußballbusiness generell ist derzeit tatsächlich durchaus noch weltfremd. Die Clubs, bei denen die Spielerinnen angestellt sind, müssen sich am Markt behaupten. Sie würden pleitegehen, wenn sie mehr für ihre Spielerinnen ausgeben als sie einnehmen. Weil aber noch immer durchschnittlich deutlich weniger Leute die Bundesliga der Frauen schauen als die der Männer und dadurch weniger Geld über TV-Verträge, Trikot- und Ticketverkäufe, Werbung und Sponsoring reinkommt, kann auch nicht mehr überwiesen werden.
Aber Prämien sind kein Gehalt. Und ein Verband ist kein Club. Der DFB muss nicht rein nach der Logik des Marktes agieren. Er hat auch eine gesellschaftliche, sogar eine politische Verantwortung. Wenn jemand ein Zeichen setzen könnte, dann er. Dafür hatte sich sogar der Nochbundeskanzler Olaf Scholz eingesetzt. “Das ist aus meiner Sicht etwas Politisches und etwas anderes als bei Gehaltsverhandlungen”, sagte er einst.
Auch aus dem DFB selbst gab es Stimmen, die sich für Equal Prämien aussprachen. “Die Sportverbände haben genug Geld. Die deutschen Spielerinnen sollten genauso hohe Prämien erhalten wie die Männer, das wäre ein richtiges Signal, das der DFB in die Gesellschaft aussenden kann”, sagte die DFB-Vizepräsidentin Célia Šašić vor knapp zwei Jahren im ZEIT-Interview.
Doch weder auf den Kanzler noch auf die ehemalige Nationalspielerin wurde gehört.
Die Spielerinnen selbst scheinen mit dem Erreichten zufrieden. Man habe “eine gute Lösung gefunden”, wird die Kapitänin Giulia Gwinn in der Pressemitteilung des Verbands zitiert. Die Spielerinnen betonen oft, dass sie schon mit “Equal Play” zufrieden wären, also annähernd gleichen Trainingsbedingungen wie bei den Männern. Auch ein Teil des Problems: Wer so lange so wenig hatte, ist verständlicherweise schon mit kleineren Fortschritten zufrieden.
Noch etwas irritiert: “Wir brauchen mehr Leistungsanreize im Frauenfußball”, sagt Bernd Neuendorf. Das klingt, vor allem weil es in dieser Mitteilung noch öfter und von allen Parteien betont wird, etwas seltsam. Wie eine Binse, weil wir ja über Leistungssport reden. Als ob sich die Frauen nicht anstrengen würden, würden sie nicht gut genug bezahlt werden. Wenn sich doch eines durch die Geschichte der Arbeit der Frau zieht, dann, dass sie auch mehr als genug leisten, wenn sie weniger oder sogar gar nicht bezahlt werden.
Eine Prämie in gleicher Höhe wäre am Ende auch nicht nur ein gesellschaftspolitisches Zeichen, sondern auch ein praktischer Lebenserleichterer: Fast die Hälfte der Bundesligaspielerinnen verdient weniger als 3.000 Euro im Monat. Fünfstellige Monatsgehälter bekommen nur vier Prozent der Spielerinnen. Welten entfernt von den Millionengehältern der männlichen Nationalspieler. Für die wäre eine EM-Titelprämie von 400.000 Euro ein Taschengeld, für die Frauen möglicherweise Hauptbestandteil der Altersvorsorge.
Dafür könnte man, wenn man es sich denn gar nicht anders leisten kann, zur Not ja auch bei den Männern kürzen.