PR-Comeback von Marcel Hirscher? Felix Neureuther: “Das ist lächerlich” | ABC-Z
AZ: Herr Neureuther, wie viele Skitage haben Sie heuer schon?
FELIX NEUREUTHER: Noch gar keinen! Ein bisschen wird’s auch noch dauern, leider. Ich hab’ gerade einfach zu viel zu tun. Auch den Weltcup-Auftakt am Wochenende in Sölden überträgt der BR diesmal nicht live vor Ort, sondern aus dem Studio in Freimann. Aber ich freue mich schon sehr auf den Winter.
So wird es wohl auch Ihrem ewigen Konkurrenten Marcel Hirscher gehen, der in diesem Winter sein Comeback im Rennlauf geben will. Ob das allerdings schon beim Riesenslalom am Sonntag in Sölden passieren wird, hat er zuletzt noch offengelassen, als er meinte, es fehlen derzeit noch ein paar Sekunden, er habe noch Trainingsrückstand – kein Wunder nach fünf Jahren Pause, oder?
Wenn du so lange weg bist und mit einem Material am Start stehst, mit dem du noch Nullkommanull Erfahrung hast, wie das wo reagiert, dann musst du erst mal sehr viel Zeit in die Entwicklung des Materials stecken – und kannst dich danach erst um das Skifahrerische kümmern. Du musst Skier entwickeln, du musst Schuhe entwickeln: Der Materialbereich ist so ein komplexes Thema geworden! Wenn da etwas nicht zu hundert Prozent passt, dann hast du auch als Weltbester keine Chance. Ich glaube, da sieht er noch Entwicklungspotenzial. Trotz aller Erwartungshaltung, die dieses Comeback natürlich mit sich bringt, muss man ihm Zeit lassen. Wir sollten einfach froh sein, dass er zurückkommt, weil er für den Skisport ein absolutes Geschenk ist.
Stichwort Erwartungshaltung: Als erfolgreichster Skifahrer des Planeten wird er ja auch nicht an den Start gehen, um unter die Top 20 zu fahren.
Natürlich nicht. Es ist ja auch lächerlich, dass manche sagen, das sei nur eine PR-Geschichte. Das ist es nicht. Er will wieder Skirennen fahren und fertig. Ich verstehe ihn auch. Wenn ich merken würde, dass es noch geht: Es gibt doch nichts Schöneres als Skirennen zu fahren!
Neureuther glaubt an erfolgreiches Hirscher-Comeback
Hirscher weiß natürlich, auf was für eine Spielfläche er sich da begibt, dass es nicht mehr so perfekt wie früher werden kann. Da muss die Lust schon gewaltig sein.
Körperlich steht er richtig gut da, und wenn er das Material in den Griff kriegt und das Gesamtsystem funktioniert, wird er auch wieder ganz vorne mitfahren, da bin ich mir sicher.
Haben Sie ihn zuletzt wieder getroffen?
Wir telefonieren öfter.
Glauben Sie, dass die Heim-WM in Saalbach-Hinterglemm im kommenden Februar eine Rolle bei seinen Comeback-Plänen gespielt hat?
Das ist schon Motivation, weil es einfach eine große Nummer ist. Geplant ist das Comeback ja für ein Jahr, aber danach stehen Olympische Spiele an. Vielleicht hängt er ja noch ein Jahr dran.
Ein weiterer Comebacker, der wohl noch mehr Jahre als Hirscher vor sich hat, ist der nun für Brasilien statt Norwegen startende Lucas Braathen, einer Ihrer Lieblinge. Schwärmen Sie doch einfach mal los!
Der Lucas ist in Zukunft das Gesicht in den technischen Disziplinen, hatte als Weltranglistenerster im Slalom seine Karriere beendet. Der hat letztes Jahr extrem gefehlt, bringt wieder ein ganz neues Niveau mit rein. Eigentlich ist es noch erstaunlich ruhig um ihn, was es schon sehr interessant macht. Ich glaube, dass er eine sehr große Rolle spielen wird. Er hat nicht diese Materialprobleme wie Marcel, sondern greift auf sein gewohntes Material zurück, kann sich aufs Skifahren konzentrieren. Es ist genial, dass er wieder da ist! Solche Typen brauchen wir im Skisport ganz dringend.
Neureuther: Gesamt-Weltcup wird nur über Odermatt gehen
Wird er tatsächlich als Ein-Mann-Team unterwegs sein? Oder hängt er sich im Training mal bei irgendeinem Verband dran?
Er wird schon mal bei anderen mittrainieren, sich mit anderen vergleichen, was für ihn ein richtig gutes Szenario ist.
Dass Braathen nun für das Heimatland seiner Mutter startet, resultiert aus einem lange schwelenden Streit mit dem norwegischen Verband, bei dem es um Vermarktungsrechte geht und an dem auch schon Größen wie Aleks Svindal und Henrik Kristoffersen zu knabbern hatten. Wirklich gelöst ist diese Problematik ja immer noch nicht, oder?
Das Problem der Norweger und Schweden ist, dass sie überhaupt keine Vermarktungsfläche zur Verfügung haben, im Gegensatz zu den anderen Nationen. Den Athleten ist das natürlich ein Dorn im Auge, wofür ich absolutes Verständnis habe. Aber der norwegische Verband fährt da eine sehr harte Linie.
Ein anderer Norweger wird vorerst kein Comeback geben: der in Wengen schwer gestürzte Aleksander Aamodt-Kilde. Weshalb es im Kampf um den Gesamt-Weltcup eigentlich wieder nur einen geben kann, korrekt?
So ist es. Es wird auch nur einen geben: Marco Odermatt. Der Junge ist einfach so dermaßen gut. Da haben die anderen schon dran zu knabbern, aber so jemand hebt einfach massiv das Niveau. Ich hatte das ja mit dem Marcel, der achtmal hintereinander den Gesamtweltcup gewonnen hat. Odermatt versucht sich ja auch immer neu weiterzuentwickeln: Über den Sommer hat er seine Kraftwerte noch mal um drei Prozent gesteigert. Der Junge hat in der Tat noch Potenzial nach oben.
Wie sieht es in Sachen Potenzial bei den deutschen Rennläufern aus?
Bei den Mädels wissen wir, dass wir im Riesenslalom definitiv viel Arbeit vor uns haben. Das geht nicht von heute auf morgen, so etwas braucht ganz einfach Zeit. Bei den Männern hat Alexander Schmid immer das Thema mit seiner Gesundheit: Wie fit ist er? Dass er einen schnellen Schwung fahren kann, wissen wir. Dem kann man nur wünschen, dass er genügend Kräfte hat, um so eine Saison durchzustehen. Linus Straßer wird in Sölden wohl mit Nummer 31 oder 32 am Start stehen, hat in der Saisonvorbereitung auch viel Riesenslalom trainiert und kann da durchaus auch in die Punkte fahren.