Alice Weidel bei Markus Lanz | ABC-Z

Was interessiert Alice Weidel ihr Geschwätz von gestern? Einst wollte sie Björn Höcke wegen seiner Dresdner Rede zur deutschen Erinnerungskultur aus der Partei ausschließen lassen. Mittlerweile hatte die AfD-Chefin Gelegenheit, den Rechtsextremisten etwas besser kennenzulernen. Im spätabendlichen Talk bei „Markus Lanz“ im ZDF gibt sie sich zuversichtlich: Der wird Ministerpräsident in Thüringen, der gute Mann.
Das wollte Weidel wohl eher als Drohung verstanden wissen beziehungsweise als den Jagdaufruf, den sie nach der Bundestagswahl zu Ehren von Alexander Gauland wiederholt hatte. Sowohl in Thüringen als auch im Bund ist keine Machtoption in Sicht – nicht nur, weil niemand mit der AfD zusammenarbeiten will, sondern mittlerweile auch umgekehrt. CDU-Chef Friedrich Merz habe „alle Wahlversprechen gebrochen“, sagt Weidel: „Der Mann ist nicht integer.“ Den Plan von Union und SPD zur Reform der Schuldenbremse für die Verteidigung und das Sondervermögen für die Infrastruktur nennt die AfD-Chefin einen „finanzpolitischen Staatsstreich“, das Steuergeld schmeiße man so „zum Fenster raus“.
Ein Remix der AfD-Narrative, aber ohne Migration
Eigentlich soll es bei Lanz um den Trump-Schock und die „zunehmenden geopolitischen Herausforderungen“ gehen. Mit dabei: „Wirtschaftswoche“-Journalistin Sonja Álvarez, F.A.Z.-Politikredakteur Justus Bender und Johannes Winkel, Bundesvorsitzender der Jungen Union. Stattdessen wird es die große Weidel-Show, ein Remix der altbekannten AfD-Narrative, immerhin weitgehend ohne das Lieblingsthema Migration. Die Mär vom Wahlbetrug und den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 einen „Staatsstreich“ zu nennen, wie sie es bei den Schuldenplänen der Sondierer tat, kommt Weidel nicht über die Lippen. Sie macht Politik für Deutschland, innenpolitische Belange der USA will sie nicht bewerten. „Ich habe Joe Biden gratuliert“, erklärt sie lapidar.
Die neue Trump-Administration ist ihr natürlich lieber. US-Vizepräsident J. D. Vance sei ein „weiser Mann“ mit einer „Vision für Amerika und einer für die Ukraine“ – anders als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, den die AfD gerne als „Bettelpräsidenten“ tituliert. Selenskyj sei mit seinen Gesuchen um Militärhilfen „drei Jahre um die Häuser gezogen“, nun stehe er einer Friedenslösung im Weg und verweigere sich den angeblich fälligen Neuwahlen. Dass auch die Opposition in der Ukraine nicht von der Rechtslage abweichen will, die Wahlen im Kriegszustand ausschließt, ficht Weidel nicht an.
Sie sei doch eine intelligente Frau, warum versteige sie sich zu derlei Äußerungen, fragt Lanz, als kenne er die Antwort nicht. Weidel hat verstanden, wie sich die Wut der Wähler schüren und ernten lässt, und Fakten sind da nur im Weg. Schlechte Zeiten sind die besten Zeiten für Populisten. Irgendjemand muss ja schuld sein an den Zumutungen, die die neue Zeitenwende mit sich bringt. Im Zweifel sind es die da oben, in Zukunft dann die „neue Ampel-Regierung auf Stereoiden unter CDU-Führung“, wie Weidel sagt, als wäre alles links von der AfD irgendwie zu ampelhaft, woke und linksgrün-versifft, um seriöse Politik für das Vaterland zu machen.
Germany first? Das ist Weidel „viel zu verkürzt“
Lässt sich das faktenbefreite Bullshit-Bingo der AfD inhaltlich stellen? Lanz versucht es mit dem moralischen Appell, beschreibt den Ukrainekrieg als „Schlacht zwischen Gut und Böse“. Er erinnert an das Budapester Memorandum von 1994: Die Ukraine habe die auf ihrem Territorium stationierten Atomwaffen abgegeben und im Gegenzug Sicherheitsgarantien von Russland, Großbritannien und den USA erhalten. Jahre später sage einer der Vertragspartner dann „Du kannst mich mal, wir überfallen Dich jetzt“, und der zweite stimme ein mit „Du bist gar nicht überfallen worden, Du bist eigentlich der Diktator, und eigentlich ist der Putin ein netter Junge, ich kenn‘ den ganz persönlich“. Was sei das für eine Botschaft an die Welt, wenn Verträge nicht mehr gelten? Wie könne man Ländern wie Südkorea, Japan oder Taiwan glaubhaft versichern, dass sie keine Atomwaffen bräuchten? Lanz redet sich in Rage, Weidel ist das zu kompliziert. „Was ist denn jetzt genau ihre Frage, Herr Lanz?“
Immerhin habe sie doch unlängst als Bundeskanzlerin kandidiert, versucht es der Moderator noch einmal. Können wir so miteinander umgehen in der Welt? Weidel schürzt die Lippen. Als „deutsche Bundeskanzlerin“ habe sie die Interessen Deutschlands zu vertreten und sonst keine. Germany first also? Das sei alles so „extrem zusammengefasst“ und „viel zu verkürzt“, sagt Weidel, die sich bei Lanz einmal mehr als Liebhaberin der extremen Zusammenfassungen und irreführenden Verkürzungen erwiesen hat. Aber ja, „Germany first, wenn Sie so wollen“.
Wenn sich Weidel inhaltlich nur schwer stellen lässt, dann vielleicht besser personell? Wenn Merz „nicht integer“ ist, wie Weidel sagt, wie schaut es mit dem AfD-Personal aus? Zur Sprache kommen die mutmaßliche China-Connection von Maximilian Krah, die NPD-Vergangenheit von Dario Seifert und Matthias Helferich, der sich selbst einmal als „freundliches Gesicht“ des Nationalsozialismus bezeichnete. Und natürlich um Höcke. Weidel lässt alle Anschuldigungen an sich abprallen, verweist lächelnd auf „Parteistatute“, und überhaupt: „Fragen Sie doch mal Herrn Klingbeil nach der Antifanten-Vergangenheit, das nächste Mal, wenn er hier sitzt.“
Der Schluss der Sendung muss sich für alle Beteiligten und die Zuschauer wie eine Erlösung anfühlen. Lanz schließt mit den Worten: „Wir sind am Ende, sowohl intellektuell als auch sonst.“